Vorwürfe, Vorhaltungen und Unsinn

Seit Monaten werde ich immer wieder mit unsinnigen Behauptungen konfrontiert. In Gera behauptet Neonazi Christian Klar (https://rechercheostthueringen.noblogs.org/post/tag/christian-klar/) beispielsweise immer wieder wahrheitswidrig, ich sei gar kein gewählter Ministerpräsident, sondern von Bundeskanzlerin Merkel quasi ungewählt ins Amt gehoben worden. In Herrn Klars Welt operiert man gern mit Umschreibungen wie „Der Ungewählte“, „Der Eingesetzte“ oder auch „Ministerpräsident von Merkels Gnaden“.

Ja, nach dem 4.2.2020 ist Thüringen durch das hinterhältige Agieren der AfD fast in eine hochprekäre Situation geraten. Dies konnte man schon daran ablesen, dass Thüringen das erste Mal überhaupt bei einer Bundesratssitzung nicht vertreten sein konnte, weil nur ein vereidigter Minister oder eine vereidigte Ministerin ihr Bundesland in der Länderkammer vertreten darf. Ist also kein Minister berufen und vereidigt worden, ist eine Vertretung im Bundesrat folgerichtig nicht möglich. Dazu später noch einmal mehr. Fakt ist aber doch – und hierfür steht die Bundesrats-Situation symptomatisch – dass sich Thüringen keine monatelange Hängepartie entlang der Klippen einer Staatskrise hätte erlauben können.

Das Grundgesetz sieht sogar für den Extremfall einer handlungsunfähigen oder handlungsunwilligen Landesregierung die Einsetzung eines Beauftragten vor. Dazu hätte es kommen können, denn Herr Kemmerich hatte entgegen seinem aus der Thüringer Verfassung abgeleiteten Auftrag keine Minister und somit auch kein Kabinett gebildet.

Bei der Nicht-Berufung von Ministern wäre es der Bundesregierung nicht einmal möglich gewesen, einzugreifen – weder zugunsten des Herrn Ministerpräsidenten Kemmerich, noch zu meinem Vorteil. Weder kann die Bundeskanzlerin Merkel einen Ministerpräsidenten Thüringens aus dem Amt entlassen, noch einen neuen einsetzen.Also purer Unsinn, der über mich in Gera oder anderswo erzählt wird. Thüringen ist als Freistaat ein souveräner Verfassungsstaat und Herr Kemmerich hätte jedes Recht zum Handeln gehabt. Weder Frau Merkel noch ich hätten hier ein Mitspracherecht reklamieren können.Offenbar sind jedoch diejenigen, die von parlamentarischer Demokratie und Mehrheitsverhältnissen wenig Ahnung haben, so erbost über ihr eigenes Versagen und das in seiner Folge eingetretene Chaos in Thüringen, dass sie es auf Frau Merkel oder mich transferieren müssen. Soweit zu diesem fadenscheinigen Argument.

Andere Positionierungen insinuieren nunmehr, ich sei gar nicht gewählt worden. Diese Annahme ist leichter zu widerlegen als man glaubt, wenn man bereit ist, sich einmal die Wahlergebnisse der Direktwahlkreise bei der letzten Landtagswahl im Jahr 2019 anzuschauen. Hier die Ergebnisse der beiden Wahlkreise mit den höchsten Ergebnissen für den jeweils direkt Gewählten:

 

Wahlkreis

 

001 Eichsfeld 1

 

Landesstimmen:

 

CDU 40,7%

 

AfD  21,9%

 

direkt gewählt:

Dr. Thadäus König (CDU) 49,0%

Björn Höcke      (AfD)  21,4%

 

Nichtgewählter Kandidat u.a.

Björn Höcke

 

Wahlkreis 26 Erfurt 3

 

Landesstimmen:

 

Linke 30,2%

 

AfD    14,3%

 

FDP    6,7%

direkt gewählt:

Bodo Ramelow (Linke)      42,1%

Thomas Kemmerich (FDP) 7,0%

Marek Erfurth (AfD)           14,0%

Nichtgewählter Kandidat u.a.

Thomas Kemmerich.

Halten wir also zur letzten Landtagswahl fest: die zwei mit Abstand höchsten Wahlkreisergebnisse haben Herr Dr. Thadäus König mit 49% Zustimmung und meine Person mit 42,1% erzielen können. Das nennt man ein überzeugendes Wählervotum. In den beiden Wahlkreisen konnten die Personen, die später meine Funktion als Ministerpräsident übernehmen wollten, jedenfalls persönlich nur sehr unterdurchschnittliches Vertrauen bei den Bürgern aufbauen. Herr Höcke bekam mit 21,4% nicht einmal so viel Vertrauen, wie es seine eigene Partei im gleichen Wahlkreis zugesprochen bekam. Herr Kemmerich konnte mit 0,3% seine Partei im Wahlkreis zwar übertrumpfen, aber in den Landtag zog die FDP lediglich mit 73 Stimmen über der 5%-Sperrklausel ein –  also haarscharf (5,0066%) und das auch erst beim erneuten Nachzählen. Mein Wahlkreisergebnis lag immerhin 11,9% über dem Ergebnis meiner Landespartei. Ich nenne das einen deutlichen Vertrauensbeweis durch den Souverän, nämlich die Wählerschaft.

Ein weiterer Anwurf behauptet, ich wäre als Ministerpräsident nie gewählt, sondern nur eingesetzt worden. Hierzu möchte ich abermals auf einen schlichten Fakt, nämlich die Regelungen der Landesverfassung, verweisen. Aber langsam. Schauen wir uns zunächst noch einmal die Ereigniskette – beginnend mit der Kemmerichwahl – an:

Ministerpräsidentenwahl 5.2.2020

1.   2.   3. Wahlgang

Ramelow (Linke)   43 43 44

 

Kindervater (AfD)  25 22  0

 

Kemmerich (FDP)   –    –   45

Im dritten Wahlgang bei einer Enthaltung wurde Thomas Kemmerich gewählt und ließ sich auch vereidigen.

Herr Möller von der AfD bezeichnete dieses Agieren als Leimrute, auf die man Herrn Kemmerich „gelockt“ habe. Der AfD-Kandidat Kindervater, der am Tag zuvor wegen dienstlicher Abwesenheit nicht einmal erscheinen wollte, verschwand nach dem Nullstimmen-Ergebnis im dritten Wahlgang von der Bildfläche.

Herr Kemmerich hat im Anschluss an seine Wahl keine Minister berufen und kein Kabinett gebildet. Auch zu der von ihm dann angekündigten Landtagswahl folgte kein Antrag im Parlament. Obwohl er Neuwahlen ankündigte, ließ er später in Interviews sogar mitteilen, dass er nunmehr gegen Neuwahlen sei. Mit seinem kopflosen Rücktritt – offensichtlich auf dem Weg in seinen Skiurlaub – nahm er sich selbst die Möglichkeit, wenigstens noch die Vertrauensfrage stellen zu können. Herr Kemmerich trägt dafür die Verantwortung. Kein Antrag auf Neuwahl im Parlament (Thüringen vor Neuwahl: Kemmerich erklärt Rücktritt – news.ORF.at <https://orf.at/stories/3153418/) und durch seinen eigenen Rücktritt auch keine Möglichkeit mehr, die Vertrauensfrage zu stellen – allesamt Entscheidungen, die ausschließlich Herr Kemmerich zu vertreten hat.

Das gesamte Tagesgeschäft in den Ministerien erledigten fleißig die Staatssekretäre von r2g, die als Beamte im Amt zu verbleiben hatten und loyal zum Land Thüringen vorbildlich ihre Pflicht erfüllten. Funfact am Rande: wenn schon im Bundesrat immer eine Ministerin oder Minister anwesend sein muss, um das Land rechtswirksam vertreten zu können, so gilt dies für eine Landtagssitzung erst recht. In der ersten Reihe im Regierungsblock müssen MinisterInnen Platz nehmen und auch da sein. StaatssekretärInnen können diese Aufgabe nicht erfüllen. Gut, dass es in dieser Phase zu keiner regulären Landtagssitzung gekommen ist. Die Bundesregierung hätte mit Beauftragten eingreifen müssen, denn eine unsichtbare Landesregierung hätte die Katastrophe offen nach außen getragen.

Herr Kemmerich tat nichts, um das Desaster aufzulösen, das er selber angerichtet hatte. Deshalb hat meine Partei gemeinsam mit SPD und Bündnis90/Grüne dann die Gespräche mit der CDU geführt und schließlich einen Stabilitätspakt abgeschlossen. Meine Wahl zum Ministerpräsidenten, um damit wieder eine Regierung bilden und Handlungsfähigkeit erreichen zu können, wurde damit eingeleitet – eine Woche bevor uns Corona mit aller Härte traf. Ohne eine funktionierende Regierung, die schließlich auch vertraglich vereinbart mit der CDU zu einem Landeshaushalt 2021 kommen könnte, wären wir sicher nicht so durch diese harte Zeit gekommen.

Um noch einmal mit Blick auf meine Wiederwahl die Fakten:

Ministerpräsidentenwahl am 4.3.2020

1.   2.   3.  Wahlgang

Ramelow (Linke) 42 42 42

Höcke (AfD)        22  22  –

Die CDU enthielt sich der Stimme (20 Enthaltungen) und die FDP nahm an der Abstimmung demonstrativ nicht teil.  Damit hatte ich von den abgegebenen Stimmen gemäß der Thüringer Verfassung die notwendige Mehrheit erreicht.

Herr Höcke zog es vor, sich im dritten Wahlgang gar nicht mehr aufstellen zu lassen. Der Zählkandidat Kindervater trat ebenfalls nicht mehr in Erscheinung. Nie mehr. Eine Person, die sich zutraute, das Land zu regieren und eine AfD, die das Land in eine verantwortungslose Situation stürzte. Offensichtlich nach dem Slogan  „Schlecht für das Land und die Menschen, ist immer gut für die AfD.“ Deshalb hat die AfD kurz danach die nächste Rakete gezündet und ein konstruktives Misstrauensvotum in Gang gesetzt, das im Landtag krachend scheiterte. Auf den Wahlvorschlag der AfD zur Abwahl von mir als Ministerpräsident entfielen 22 Ja-Stimmen, 46 Nein-Stimmen, es gab keine Enthaltung! Damit blieb ich Ministerpräsident und Herr Höcke kam nicht einmal im Ansatz in die Nähe der 2/3-Mehrheit, die er für eine Abwahl meiner Person benötigt hätte. So habe ich durch Abstimmungen im Parlament zwei mal hintereinander die  notwendigen Mehrheiten erringen können.

Unfrieden stiftet die AfD freilich weiter.

Immer wiederkehrend fordert sie mal Neuwahlen, mal meinen Rücktritt und mal beides. Das alles zeigt freilich deutlich, wie wenig die AfD von den Regeln der Verfassung hält. Wenn Herr Höcke Neuwahlen möchte, dann müsste er einfach die Regeln des Parlaments einhalten. Dazu sitzt die AfD doch im Landtag und wird mit finanziellen Mitteln mehr als passabel ausgestattet. Ich glaube kaum, dass ich derjenige bin, der einem Fraktionsvorsitzenden mit doppelter Diät erklären muss, wie der Parlamentarismus funktioniert und was seine Referenten ihm aufzuschreiben haben.

Aber einmal rein hypothetisch: Was würde passieren, träte ich als Ministerpräsident zurück?

Nun, ich bleibe im Amt und führe die Geschäfte weiter, bis eine neue Person mit einem positiven Wahlergebnis mit der Übernahme des Amtes beauftragt wird. Da ich gedenke erneut zu kandidieren, verbleiben die Abstimmungsergebnisse wie oben beschrieben. Herr Höcke 22 zu 42 für meine Person oder 46 Nein-Stimmen zum konstruktiven Misstrauensvotum der AfD. Herr Möller hat auf dem aktuellen AfD-Parteitag allerdings erläutert, dass selbst die Thüringer AfD nicht von einer Mehrheit für sich ausgeht. Man wolle nur 1/3 der Plätze im Landtag erringen. Das heißt freilich nichts anderes, als dass die AfD plant, mit einer noch stärkeren Fraktion im Landtag noch mehr Chaos und Unfrieden zu stiften.

Abschließend noch ein Hinweis an all diejenigen, die immer noch behaupten, ich habe eine Landtagsneuwahl versprochen und klebe nur an meinem Sessel. Das ist schlicht und ergreifend unwahr. Eine Landesregierung ist durch die Verfassung gehindert, Landtagswahlen vorzeitig festzusetzen. Als MP kann ich gesetzlich zum 1.9.2024 frühestens Wahlen anberaumen. Als Abgeordneter hatte ich den Landtagsantrag zur vorzeitigen Auflösung desselben unterzeichnet. 2/3 der Abgeordneten hätten dem zustimmen müssen. Aber obwohl Herr Kemmerich und die FDP am 6.2.2020 genau dies öffentlich ankündigten, erklärte er jetzt, keinesfalls zustimmen zu wollen. Muss ich das verstehen? Ein Mann – zwei Worte?

Überdies erklärten vier CDU-Abgeordnete, dass Herr Prof Voigt den Stabilitätspakt ohne ihr Einverständnis unterzeichnet hätte. Thüringen habe einen MP und eine Landesregierung und deshalb wollten sie der vorzeitigen Auflösung niemals zustimmen. Das alles in Summe heißt für mich, dass wir weiterhin Mehrheiten für einen Landeshaushalt erreichen und für den 1.September 2024 die regulären Wahlen zum Thüringer Landtag anvisieren. Ich jedenfalls stehe bereit, auch weiterhin die Verantwortung für das Land zu tragen. Das müssen dann die Wählerinnen und Wähler entscheiden und nicht Schreihälse wie Herr Klar in Gera.

Ich lasse mich nicht einschüchtern- weder durch Drohungen noch durch Fake-News. Als andere ein Desaster angerichtet haben, stand ich bereit, dem Land auch in schwierigsten Zeiten zu dienen. Daran möchte ich gemessen werden und nicht an Behauptungen und Unterstellungen.