Werkstatt des Wandels
Am Donnerstag, den 22. Februar 2024, war der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit seinem neuen Format „Werkstatt des Wandels“ in Jena zu Gast. Ein Programmpunkt war die Arbeitswerkstatt „Hochtechnologie als Motor für Innovation. Ein Mosaik von Erfolgsgeschichten“
Sind es die Großen, die alles wegkaufen, oder sind es die Kleinen, die sich zu wenig zutrauen? Solche oder ähnliche Fragen wurden dort gemeinsam diskutiert. Gleichzeitig ersann man Ideen, wie Kleine und Große, Neue und Alteingesessene sich gegenseitig unterstützen könnten, um Wertschöpfung, Wohlstand, Arbeitsplätze und Produktion zu generieren.
Nicht weniger spannend stellten sich die anderen Besuchsstationen dar, bei denen ich den Bundespräsidenten begleiten durfte. Mit den Studierenden der Friedrich-Schiller-Universität und des Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF
konnten wir intensiv diskutieren. Die Internationalität der Studierenden ergibt sich zuvorderst aus den guten Lehr-, Lern- und Forschungsbedingungen, die in dieser einzigartigen Mischung so wohl nur in Jena anzutreffen sind. Hochleistungsteleskope, Spiegelsysteme, Datenübertragung durch Lichtstrahl, Quantentechnologie, Verschlüsselungstechnologien und immer wieder die Fragen der direkten Anwendung von Messtechnik und Sensorik in Verbindung mit Hightech – diese und viele andere Themen bearbeiten die Masterstudierenden und Doktoranden. Hier werden die Fundamente gelegt für den Erfolg von Zukunftstechnologien. Hier versteht man, warum kein Raumfahrzeug im Weltraum herumfliegt, in dem nicht Technik aus Jena enthalten ist. Ein Spiegelsystem, das gerade auf den Weg gebracht wurde Richtung Jupiter und acht Jahre dabei unterwegs ist. Ein doppeltes Spiegelsystem, das auf der ISS verbaut ist und Wetterbeobachtung absichert. Ein Erfassungssystem, mit dem Regenmengen und Wasserverteilung auf dem Globus gemessen werde und das so weiterentwickelt werden soll, dass es bis zum Ackerfeld irgendwo auf dem Globus die genauen Wassermengen bestimmen kann, die für das Pflanzenwachstum am förderlichsten sind. Alles schwer zu fassende Hightech-Themen, bei denen deutlich wird, wie viel Freude es macht, diese jungen Forscherinnen und Forscher gemeinsam zu erleben und den Stolz zu spüren, wenn sie Projekte präsentieren, die noch nicht im Serienanwendungsbereich sind, aber offensichtlich kurz davorstehen.
Nach diesem eindrücklichen Gespräch ging es weiter zu Carl Zeiss. Mit der Carl-Zeiss-Stiftung existiert dort ein besonderer Anteilseigner, der darauf achtet, dass die gesamten Betriebe, die zum Unternehmensverbund gehören, ihre Erträge ausschütten für Forschungsentwicklung und wissenschaftliche Arbeiten. Keine andere Stiftung in Deutschland ist derart technologisch und produktivseitig so verbunden wie die Carl-Zeiss-Stiftung, die als hundertprozentige Anteilseignerin alle Carl-Zeiss-Divisionen gemeinsam bündelt. Alle Erträge, die in den Unternehmen erwirtschaftet werden, kommen dem Gesamtverbund der Firmen zugute. Nichts fließt an irgendwelche Stakeholder, kein Kapital fließt ab, damit reiche Familien privat irgendwie ihren Wohlstand mehren, sondern alles an der Vermögensmasse und der Vermögensbewirtschaftung steht unter dem Thema Zukunftsentwicklung und Zukunftstechnologie. Hier wurde klar, dass es keine Chipfabrik auf der Welt gibt, in der nicht die Schlüsseltechnik aus dem Carl-Zeiss-Verbund verbaut ist.
Ein Gespräch mit der jüngsten Auszubildenden und dem dienstältesten Mitarbeiter, der sogar noch in der Wende bei der Abwicklung des alten Carl-Zeiss-Kombinats als Betriebsratsvorsitzender eine hohe Verantwortung getragen hat, haben mir gezeigt, mit welchem Stolz die Zeissianer – jung und alt – am Erfolg dieses Projektes und für unser Bundesland arbeiten. Der Bundespräsident hat das Format „Werkstatt des Wandels“ wirklich gut durchdacht und sinnvoll umgesetzt – auch damit wir uns als Gesellschaft selbst darüber vergewissern, dass wir ein Hightech-Land mit großen Chancen und Potenzialen sind.
Dabei müssen Forschung und Entwicklung Hand in Hand gehen. Das eine bedingt das andere.
Eine der schwierigeren Prozesse wurde ebenfalls wieder deutlich herausgearbeitet – nämlich das sogenannte Risikokapital für Startup-Betriebe. Auch hier bin ich froh, in Thüringen immer wieder sagen zu können, dass wir unsere Erträge aus der Jenoptik AG an der Firma, an der wir als Land als größter Einzelaktionär beteiligt sind, eben nicht allgemein verkonsumieren, sondern wiederum bündeln, um über unsere Startup-Förderung hier einen eigenen Beitrag leisten zu können.
Thüringen ist ein Land mit einer hohen Forschungsdichte. Ja, wir haben nicht die großen Weltkonzerne, die ihre Hauptsitze in Thüringen haben und ja, auch das ist ein Teil unseres steuerrechtlichen Problems. Andererseits macht es mich stolz zu sehen, wie viele Produkte aus Thüringen unentbehrlich auf der Welt geworden sind. Einige habe ich oben bereits aufgezählt. Überall dort müsste „Made in Thüringen“ stehen. Denn dann würden auch unsere Bürger viel klarer sehen, wie häufig ihnen Thüringer Produkte und damit Thüringer Betriebe im Alltag begegnen.
Die gefühlte Stimmungslage ist wesentlich schlechter als die faktenbasierte Analyse es zweckmäßig erscheinen lassen würde. Arbeiten wir lieber an der Werkstatt des Wandels und schaffen wir es, ein guter Lern- und Lebensort, ein guter Arbeitsort und ein guter Ort für Forschung, Wissenschaft und Entwicklung zu sein und zu bleiben. Seien wir ein Labor der Zukunft, ein Ort, an dem man eben genau vor dieser Zukunft keine Angst haben muss, sondern Rationalisierung und Fortschritt sogar dringend braucht, da wir gleichzeitig mit immer weniger Menschen die gleiche Produktion organisieren müssen. Befreien wir uns also von lästiger Routine und nutzen wir unsere Kreativität für ein Land, in dem es sich zu leben lohnt.