Mit einem Pass geht’s zurück in die Apartheid

Der letzte Tag in Südafrika ist noch einmal ganz der Geschichte gewidmet. Zuerst besuchen wir das Apartheids-Museum in Johannesburg. Zwei Stunden waren dafür geplant und nach drei Stunden mussten wir uns zwingen zu gehen, um den Anschlusstermin noch zu schaffen.

Dieser Gedenkort in Johannesburg nimmt einen auf beklemmende Art mit zurück in die schlimme Zeit der Apartheid. Am Eingang bekommt man einen Pass, der einem willkürlich eine Hautfarbe zuweist. So wurde ich „colored“ und durfte nicht mehr mit den anderen durch die Eingangstür.  Die war für „Whites only“. Die Ausstellung beginnt mit Bildern aus der Zeit der Jahrhundertwende. Sie zeigen die chaotische Besiedelung Johannesburgs durch Bergarbeiter und damit verbunden auch die ersten Gewaltorgien dieser Zuwanderer. Dann folgt ein bedrückender Ausstellungsraum über die Voortrekker und das 1947 errichtete Voortrekker-Denkmal. Eine Viertelmillion Buren versammelten sich dort 1947, um quasi auf dieser Legende die Apartheid zu begründen.

Dann durchläuft man Raum für Raum die Stationen der rassistischen Staatsdurchdringung. Die Townships, die Homelands, die Schilder „Whites only“. Wenn man die Strukturen durchschritten hat, mit denen der Apartheidstaat seine Macht auf und ausgebaut hat, beginnt die Dokumentation der alltäglichen Gewalt und des immer stärker werdenden Widerstands.

Auf einmal bin ich wieder mit den Ereignissen auf der Liliesleaf Farm konfrontiert und erblicke das „Verbrecherfoto“ von Denis Goldberg. Einen Tag zuvor saßen wir noch zusammen auf dem Podium im Goethe-Institut und heute kann ich seinen Leidensweg und den Widerstandskampf im Museum besichtigen.

Vom Museum geht es zu einem Gespräch mit Prof. Martin Sabrow aus Berlin. Das Thema lautet Aufarbeitung und Dokumentation an den Beispielen Deutschland und Südafrika. Verschiedene Vertreter von Gedenkstätten nehmen an der Diskussion teil. Das neu entstehende Holocaust Museum von Johannesburg ist vertreten, auch das Hector Pieterson Museum und die Nationale Gedenkstätte Freedom Park Pretoria. Ein Partner der Rosa Luxemburg Stiftung kümmert sich um Opferbiografien aus der Apartheid, die Vertreterin bedankt sich bei uns für diese gute Unterstützung, damit die getöteten Menschen nicht auch noch vergessen werden.

Herr Prof. Sabrow gibt einen Einführungsvortrag über Gedenkstättenkonzeptionen und Verantwortung der Geschichtswissenschaft: „Wir als Historiker können nur aufzeigen, wie es war, wie es einzuordnen ist, aber wir sind nicht für daraus abzuleitende politische Konsequenzen zuständig. Wir dürfen also nicht erzählen wie es gewesen hätte sein können oder wie es jemand gerne hören möchte.“ Außerdem sagt er auch: „Geschichte ist kein Klebstoff“ und meinte damit, dass man darauf keine Staaten oder Regime erbauen könne.

Wir beiden tauschen uns auch noch darüber aus, wie hier in Südafrika die Gedenkstätten bzw. Monumente der Täter und der Opfer nahe beieinander stehen und niemand auf die Idee kommt, die Zeichen der untergegangen Macht einfach abzureißen oder auszulöschen. Den Weg in eine gemeinsame Zukunft findet man nur mit dem Willen sich trotz des begangenen Unrechts gegenseitig aushalten zu wollen. Da können die Zeichen der untergegangen Macht sogar helfen, wenn man sie ergänzt um die Geschichten der Opfer. So war diese Woche eine weite Reise – nicht nur bezüglich der Kilometer und auch nicht nur in die Vergangenheit.