#ZukunftThüringen – Tag 7 – Gotha und Ilmkreis – (20. Juli 2017)
Die siebte Etappe meiner Sommertour startet im Ilmkreis, im schönen Geschwenda. Hier sitzt die Firma UST Umweltsensortechnik GmbH, die 2016 den Ernst-Abbe-Preis für innovatives Unternehmertum erhielt.
Herr Dr. Kiesewetter, Gesellschafter und Geschäftsführer, nimmt uns in Empfang und erzählt uns zunächst mehr über das Unternehmen. Die Firma UST stellt Sensorelemente auf keramischer Basis für Gase, Temperaturen und Strömungen her. Darüber hinaus wird hier auch Gasspürtechnik entwickelt, die einzelne Schadstoff-Moleküle unter einer Milliarde Luft-Molekülen erkennen kann.
Bei seiner Gründung 1991 hatte das Familienunternehmen fünf Beschäftigte. Seitdem ging es fast ununterbrochen bergauf. 2017 sind es 140 Beschäftigte, von denen 15 in der Forschung und Entwicklung und alle am Standort Geschwenda tätig sind. Die Firma ist ständig auf der Suche nach neuen Mitarbeiter/innen, beispielsweise in der Produktion, Entwicklung, Technologie und Fertigungsorganisation, im Vertrieb oder in der Softwareentwicklung.
Bei einem Rundgang durch die Fertigung erfahre ich mehr über die Produktpalette des Unternehmens. Die wichtigsten Produkte sind Platin-Dünnfilm-Temperatursensorelemente, vorkonfektionierte Temperatursensoren, MOX-Halbleiter-Gassensorelemente, Gasspürgeräte und –Sensormodule. Mehr als 50 Patente und Patentanmeldungen sind zu verzeichnen. UST-Produkte findet man in der Luftkühlung von Autos und in den Abgassensoren von Verbrennungs- und Elektromotoren. „Kontaminationsdetektoren“ werden zum Beispiel zur Früherkennung von Bränden in Braunkohlekraftwerken oder in U-Bahnen eingesetzt.
„Obwohl der Automobilanteil ca. 50% ausmacht, ist unser Vorteil, dass wir ein breites Sortiment haben und einen weit gefächerten Kundenkreis bedienen“, sagt der Geschäftsführer. International ist UST sehr erfolgreich. Hauptexportländer sind die EU-Staaten, die USA und Indien. So ist das Unternehmen im Bereich der Medizintechnik tätig, wo etwa eine neue nicht-invasive Diagnostik zur Analyse von Atemgas entwickelt wurde: „die elektronische Nase“. Hier geht es um eine neue Generation von „Wegwerffiltern“ für den medizinischen Gebrauch, die Stoffwechselprozesse zur Früherkennung von Krankheiten analysieren sollen.
Übrigens: Auf die Idee der „elektronischen Nase“ kam die Firma durch Hunde, die mit ihrem ausgeprägten Geruchssinn schon heute in der Brustkrebsfrüherkennung eingesetzt werden.
Und nicht nur da retten sie durch ihre Sensorik Leben:
Meine nächste Station ist die Feuerwehr Marlishausen. Ich besuche die Facheinheit Rettungshunde / Ortungstechnik Thüringen (RHOT). Im Feuerwehrgebäude treffe ich Herrn Muck, ihren Leiter, und Herrn Tölle von der Freiwilligen Feuerwehr Marlishausen sowie viele weitere ehrenamtliche Mitarbeiter/innen.
Die Rettungshundestaffel in Marlishausen gibt es seit 1993. Lange war sie die einzige Rettungshundestaffel bei den Thüringer Feuerwehren und ist somit eine Institution.
Herr Tölle erklärt, dass es sich bei einer Rettungshundestaffel um eine Einheit des Katastrophenschutzes handelt, die mit ausgebildeten Rettungshunden auf Personensuche geht. Die Organisation kann dabei von Hilfsorganisation zu Hilfsorganisation variieren. Rettungshundestaffeln können aber jederzeit auch gemeinsam eingesetzt werden und arbeiten oft organisationsübergreifend zusammen.
Diese übergreifenden Einsätze werden für Thüringen in Marlishausen koordiniert. Das RHOT übernimmt dabei auch die Einsatzleitung vor Ort in der Rettungshundearbeit. Neben einer jährlichen Unterstützung durch einen privaten Förderverein, wurde die Rettungshundestaffel daher auch durch den Freistaat in vielfacher Weise (seit 2009 mit über 200.000 Euro) unterstützt.
Ich lerne, dass alle Hunde hier Familienhunde sind, die auch privat bei ihren Hundeführer/innen leben. Eine Ausbildung zum Rettungshundeführer dauert mindestens zwei Jahre und mindestens 12 Stunden die Woche. Der Rettungshundeführer muss dabei viel Freizeit und Engagement einbringen. Mit der Ausbildung verpflichtet er sich, ehrenamtlich an Einsätzen eines Rettungshundezuges teilzunehmen.
Herr Muck erklärt weiterhin, dass in Thüringen Rettungshunde am häufigsten bei eingestürzten Gebäuden oder bei der Suche nach vermissten Menschen in Wald und Flur eingesetzt werden. Das sind durchschnittlich 1000 Menschen im Jahr. Die „biologische Ortung“ durch Hunde wird dabei durch die technische Ortung mittels einer Mikrodrohne, einem Bodensuchgerät oder eine Suchkamera unterstützt.
2016 fanden 74 Einsätze statt, bei denen 10 Personen gerettet und 14 leblos gefunden wurden. In diesem Jahr waren es bereits 28 mit 5 geretteten und 3 leblosen Personen.
In Marlishausen gibt es aktuell 21 Mitarbeiter/innen, neun Hundeführer/innen und 9 geprüfte Rettungshunde. Einer von ihnen ist der weiße Labrador James, seines Zeichens Flächensuchhund. James soll uns zeigen, wie das mit der Personensuche funktioniert. Dazu versteckt sich Christopher, der Sohn des Leiters, auf einem angrenzenden Grundstück und lässt nur seine Armbanduhr als Geruchsprobe zurück. „Was ist, wenn wir ihn nicht wiederfinden?“, frage ich Herrn Muck. – „Ich habe zwei Kinder.“, entgegnet er. Diese Coolness rührt natürlich nur daher, dass er weiß, dass die Hunde hier ausgezeichnete und verlässliche Arbeit leisten. Christopher hat keine Chance, sich lange versteckt zu halten.
Die wichtigste Frage zum Schluss: Könnte Attila Rettungshund werden? „Wohl eher nicht.“, antwortet Herr Muck. Den typischen Rettungshund gibt es zwar nicht und alle leistungswilligen, -starken und aufgeschlossenen Hunde sind einsetzbar, der Hund sollte bei Ausbildungsbeginn idealerweise 6-12 Monate, maximal etwa zwei Jahre alt sein. Außerdem seien kurze Beine ein Hindernis…
Mit dieser ernüchternden Erkenntnis im Gepäck wird es für mich auch schon wieder Zeit, die Weiterreise nach Gotha anzutreten.
In der Cafeteria des Herzoglichen Museums treffe ich Dr. Andreas Karguth, den Vorsitzenden des Vereins „Museumslöwen“ e. V. und Marco Karthe, den stv. Direktor der Stiftung Schloss Friedenstein. Der Verein, der nach den Löwen vor dem Museumsportal benannt ist, widmet sich der Förderung des Museums der Natur Gotha und stellt mir heute ein Projekt vor, das die 23-jährige Städtepartnerschaft zwischen Gotha und Gastonia, in North Carolina, mit Leben erfüllen soll.
Nach diesem vielversprechenden, kulturtouristischen Kooperationsprojekt besuchen wir alle gemeinsam die Ausstellung „Das Puschkin-Museum Moskau zu Gast“. Meisterwerke der französischen Kunst“ im Herzoglichen Museum Gotha – eine Ausstellung die bereits seit Mai weit über die Landesgrenzen von sich reden macht.
Nachdem im vergangenen Jahr im Rahmen eines Kooperationsprojektes mit dem Puschkin-Museum Moskau bereits eine Cranach-Ausstellung in Moskau realisiert wurde, stellte das Puschkin Museum nun 14 herausragende Werke französischer Malerei für die Ausstellung in Gotha zur Verfügung. Damit wird ein großer und außergewöhnlicher Beitrag zum deutsch-russischen Museumsdialog geleistet. Weitere Projekte (wie zum Beispiel eine Kinder-Ausstellung) sind in Planung. Zukunftsträchtig ist an dieser Zusammenarbeit auch, dass Wissenschaftler/innen der Stiftung Schloss Friedenstein auf diese Weise Zugang zu verloren gegangenen Kunstgütern erhalten und sie erforschen können.
Bis zum 13.08.2017 ist die Ausstellung im Herzoglichen Museum zu sehen. Diese beeindruckenden Kooperationsprojekte machen Gotha und das Schloss Friedenstein zu einem kulturpolitischen Leuchtturm Thüringens. Ich kann einen Besuch wärmstens empfehlen.