Am Ursprung des Christentums

Wir stehen vor der Grotte in Antakya (Türkei) in denen die Apostel Paulus und sogar Petrus gepredigt haben, zur Gemeinde von Antiochia, fast 2000 Jahre Zeitgeschichte. Hier an diesem Ort hat sich entschieden, dass aus einer radikalen jüdischen Glaubenssekte die Christliche Weltreligion entstehen konnte. Hier schied sich die Glaubensfrage in die Grundfrage, ob man Jude sein muss und ob die Jüdischen Gesetze die Grundbedingung sein müssen, um diesem Glauben von Jesus von Nazareth folgen zu dürfen. Und wieder schließt sich für mich ein großer Kreis, der erste an diesem Tag. In Jerusalem auf der Via Dolerosa konnte ich vor einigen Wochen diesem Jesus nachspüren und nun, in Antakya, also in der heutigen Türkei, treffe ich an den authentischen Orten auf die Spuren, die dann erst zum Christentum führten. Hier wurden die Jünger von Jesu und deren Gemeinschaften zum ersten Mal Christen genannt und hier machte sich der Christenverfolger Saulus von Tarsus auf, um nach seinem Damaskuserlebnis zum Paulus zu werden. Hier entschied sich die Kernfrage: Muss man Jude sein, um Glauben zu können oder darf man auch Grieche oder Römer sein?

Paulus ahnte, dass eine jüdische Sekte keine ausreichende Basis für einen wirklich großen Glauben sein könnte. So entschied er sich vorzuschlagen, dass alle Menschen Christen sein können und auch dürfen! Der Glauben von Jesu kam auf dem Landweg über den heutigen Libanon und Syrien hierher in das Gebiet, das heute zur Türkei gehört. Tarsus ist der Geburtsort von Paulus und er predigte zur hellenistischen Gemeinde Antiochas, also eher griechisch geprägten Menschen, die alle, wie er, hier geboren waren. So blieb der Streitpunkt, ob man andere Menschen zum Glauben bekehren könne oder nicht bis zur Apostelversammlung 47 in Jerusalem offen. Erst da entschieden sich die Vertreter der Christen (Apostel genannt) dazu, dass alle Menschen sich Ihrem Glauben anschließen können.

Es ist faszinierend für mich, so nachvollziehen zu können, wie der Glaube aus Jerusalem kam, um über Antakya hinterfragt und erweitert zu werden und dann in Jerusalem wieder neu zentriert und zum ersten Mal weit geöffnet zu werden – für alle Menschen. Stand ich doch vor wenigen Wochen vor der Grabeskirche in Jerusalem und spürte schmerzlich wie eng die Christlichen Kirchen geworden sind! Im Sinne von Paulus kann der Streit um die Leiter an der Grabeskirche nicht sein.

In der Abendandacht hörten wir aus den Briefen Paulus an die Römer! Aufbruch und Orientierung, Mut und Hoffnung sprachen daraus. Erst im vergangen Jahr stand ich mit den kirchenpolitischen Sprechern aller Fraktionen in Rom im Petersdom nicht nur vor dem heiligen Vater, sondern auch vor den Gräbern Paulus und Petrus? Heute Morgen stand ich an ihrer lebendigen Wirkungsstätte, an den Wurzeln des Christlichen Glaubens. In Rom stand ich unter dem Eindruck der Pracht (aber ich gestehe auch der Einzigartigkeit) des Petersdoms. So schließt sich der zweite Kreis, an diesem Tag.

Meine Zeit im Bundestag hat es mir ermöglicht, auch als Parlamentarier über Dinge zu grübeln und Fragen zuzulassen, die ich lange Zeit zwar in meinen Gedanken hatte, aber nicht glaubte – neben meiner vielfältigen und stressigen Arbeit zur Parteibildung – wirklich bearbeiten zu können. Aber wer Entscheidungen für Deutschland treffen oder beeinflussen will, muss Grundlagen der Kultur kennen und Fragen zulassen – sich selbst befragen, um die Richtung von Entscheidungen zu bestimmen. Wer über Zuwanderung reden will, muss Herkunftsländer kennen. Wer über den Islam in Deutschland sprechen will, muss unsere Grundlagen kennen, wie sich Christliches Abendland erklärt. Wer über Moscheen wie die in Köln entscheidet, muss die Kirche in Taurus kennen und wissen, wie die Frage des Pilgerzentrums in Taurus (also der Geburtstadt Paulus’) mit Köln zusammenhängt. Man könnte sagen, „was schert mich der Glaube, wenn ich nicht gläubig bin“. Aber wer respektiert werden möchte, muss respektieren.

Und der Petersdom in seiner Einzigartigkeit war bei seiner Erbauung so teuer, dass der Römische Klerus auf den Ablasshandel kam. Hier schließt sich der dritte Kreis an diesem Tag. Martin Luther hätte sich nicht so für die Reformierung der damaligen Kirche eingesetzt, wenn nicht solche gigantischen Geldmittel von den Gläubigen abkassiert worden wären, um die Römische Pracht zu erbauen. Als Erfurter und als Protestant freue ich mich auf die herannahende Lutherdekade. Bald wird die Reformation 500 Jahre alt und die Evangelische Kirche kehrt an ihre mitteldeutschen Wurzeln zurück. Da ist es doch gut, wenn ich schon mal die Pauluspilgerfahrten mitmache, um fit zu sein für die Lutherdekade.

Aber es bleiben die Fragen, wie man hier in der Türkei mit Minderheiten umgeht und wie wir in Deutschland mit Minderheiten umgehen. Wie steht es um den Laizimus in der Türkei und vor allem: Wie steht es mit der dringend notwendigen Trennung von Staat und Kirche in Deutschland.

Zum Glück kam mir kein Bayrischer CSU-Kreuzzug auf der Pilgerreise über den Weg aber meine Frage, warum in Bayern, die Katholische Kirche z.B. bei normalen Professorenstellen Vetorechte hat, bleibt. Ich frage mich, ob es dabei um Glauben oder um Institutionen geht und grübele, wie Jesus und wie Martin Luther diese Frage heute beantwortet hätten. Ich als Politiker halte eine klare Trennung für beide Seiten für wichtig und als gläubiger Mensch hoffe ich noch mehr darauf, dass das Zusammenwirken aller Abrahamitischen Weltreligionen für alle Menschen einen Fortschritt bringt. „Die Religionen müssen Teil der Lösung und nie Teil des Problems sein“, sagte der Katholische Patriarch in Jerusalem. Wie wahr! Rund ums Mittelmeer liegen unsere tiefen Wurzeln und nur Mittelmeer umspannend können wir Frieden erreichen – so empfinde ich es am 1.September, dem Weltfriedenstag, nahe an der syrischen Grenze und nah an Georgien.