Steuern zu Pflugscharen

Der Radiowecker ist auf einen Thüringer Privatsender eingestellt und so weckt mich eine vertraute aber völlig unerwartete Stimme. Die evangelische Kirchenredaktion (so was gibt’s tatsächlich sonntagmorgens um 8 Uhr) hat einen Bericht über einen Pfarrer, der in den Ruhestand gegangen ist und nun für einige Monate als Beobachter in Bethlehem ist. Seine Stimme ist mir wohl vertraut, nur habe ich sie seit Jahren nicht mehr gehört. Es ist Martin Rambow. Er war aktiv mit daran beteiligt, als wir in Erfurt für das Denkmal des unbekannten Wehrmachtssoldaten geworben haben. Als wir dabei mit unglaublichen Schwierigkeiten kämpfen mussten, war es immer seine ruhige Stimme, die mich motiviert hat weiterzumachen und nicht aufzugeben. Er hat vermittelt, er hat beruhigt und noch mehr motiviert bzw. Kraft vermittelt, um das fast Unerreichbare doch zu erreichen. Heute steht dies einmalige Denkmal am authentischen Ort auf dem Petersberg in Erfurt, dort wo bis heute die Soldatenzellen sind und an dem Weg, den die Verurteilten gehen mussten, um dann dort erschossen zu werden. Heute noch kämpfen die letzten noch lebenden Deserteure für ihre Rehabilitierung und wir konnten sie mit unserem Denkmal unterstützen. Der Vorsitzende dieser Deserteursinitiative, der auch zur Eröffnung des Denkmals in Erfurt war, ist Ludwig Baumann. Wenige Tage ist es her, da hatten wir am Holocaustgedenktag Ludwig Baumann als Ehrengast in den Bundestag eingeladen und ich freute mich, mit ihm über unser gemeinsames Erfurter Engagement sprechen zu können.
Und nun schließt sich am Sonntagmorgen der gedankliche Kreis – mit Ludwig Baumann die Woche eröffnet und mit Martin Rambow die Woche beenden. Ludwig kämpft immer noch aktiv für die völlige Rehabilitierung aller Wehrmachtsverurteilter und Martin Rambow ist in den Unruhestand gegangen. Ich hatte mich schon erkundigt, wo er denn hin verzogen sei und nun höre ich es im Radio. Er wirkt vor Ort für den Frieden und unterstützt die Christen in Bethlehem. Dort, wo ich vor der neuen großen Mauer stand und sprachlos war (siehe Tagebuch vom 24. Juni 2008). Martin steht jetzt hinter der Mauer und berichtet über die schikanöse Behandlung der christlichen Palästinenser.
Im Radiobericht geht es auch um die Aktion „Steuern zu Pflugscheren“ der Familie Rambow. Martins Frau berichtet, dass sie jetzt mit Ihrer Steuerverweigerung klagemäßig in Karlsruhe beim Bundesverfassungsgericht angekommen sind. Nun kann man gespannt sein. Die Eheleute Rambow streiten seit Jahren mit dem Finanzamt, friedlicher aber phantasievoller Widerstand gegen den Rüstungswahn. Die beiden zahlen 10 Prozent ihrer Steuer nicht und argumentieren, dass damit die Rüstung bezahlt wird, was sie aus ethischen Gründen ablehnen. Sie wollen die 10 Prozent gerne Zahlen aber nur für Friedensprojekte, nicht für Militärausgaben. Das verdient wirklich Hochachtung. Steuern zu Pflugscharen – warum nicht?