Ein Tweet und seine Folgen

Am Abend des 11. Juni beginnt eine Geschichte, wie sie offenbar nur Twitter schreiben kann.

Im Landkreis Sonneberg finden gerade Landratswahlen statt und am Ende der Auszählung wird deutlich, dass der AfD-Kandidat beinahe im ersten Wahlgang die notwendige Mehrheit erreicht hat. Obwohl der Landkreis Sonneberg einer der industriestärksten Landkreise des Freistaates Thüringen ist und bereits seit vielen Jahren die niedrigste Arbeitslosigkeit aufweist, ist es doch ein bemerkenswertes Phänomen, dass ein AfD-Kandidat, der ausschließlich weltpolitische Wahlkampfthesen vertreten hat, aus dem Stand beinahe Landrat im ersten Wahlgang geworden wäre.

Ich habe daher als Abgeordneter im Thüringer Landtag mit meinem Twitter-Account, der ausdrücklich mit der Beschreibung „Mensch“ als privat gekennzeichnet ist, einen Kommentar abgegeben, in dem ich mich verwundert darüber zeigte, dass ein Landratskandidat den Austritt aus dem Euro verlangt – ausgerechnet in einer Region, in der die Industriebetriebe sehr starke Handelspartner im gesamten Euro-Raum haben. Dieser Widerspruch hat mich veranlasst die Frage aufzuwerfen, ob sich nicht auch die Betriebsinhaber, die Arbeitgeber, die Geschäftsführer sowie die Betriebsräte dieser Betriebe deutlich positionieren müssten, da die wirtschaftliche Prosperität des Landkreises Sonneberg gerade vom guten Zugang an die europäischen Märkte abhängig ist. Die Aussage also, den Euro zu verlassen, scheint mir doch ein wesentlicher Widerspruch zu dem auf Euro basierenden Außenhandelsüberschuss der Region Sonneberg zu sein.

Ausgehend von dieser meiner persönlichen und politisch klar gekennzeichneten Aussage als Landtagsabgeordneter bzw. als politisch denkender Mensch gab es zwei Reaktionen. Einerseits warf mir Herr Höcke vor, ich hätte meine Neutralitätspflicht als Ministerpräsident verletzt und Herr Möller von der AfD assistierte ihm, dass ich damit vorsätzlich gegen die Auflagen des Landesverfassungsgerichtes verstoßen habe. Beides ist natürlich Unsinn, denn mein Twitter-Account berücksichtigt genau das, was mehrere gerichtliche Auseinandersetzungen ergaben bzw. was der Thüringer Verfassungsgerichtshof anmahnte – die Trennung von meinem politischen Amt als Ministerpräsident zu den politischen Äußerungen, die ich als Akteur im politischen Raum tätige. Genau diese Auflage hat auch das Verwaltungsgericht Weimar in einer gerichtlichen Auseinandersetzung klar bestätigt und damit deutlich gemacht, dass die Kennzeichnung meines Twitter-Accounts und auch meines Facebook-Auftrittes eine deutliche Unterscheidung zu den Äußerungen sind, die die Thüringer Staatskanzlei amtlich auch über Verlautbarungen des Ministerpräsidenten zu vertreten hat. Von diesem ersten Anwurf und einem – wie ich finde – ungeheuerlichen Tweet von Herrn Höcke ausgehend ist dann ein Shitstorm über meinem Facebook- und Twitter-Account niedergegangen. Es dauerte ein/zwei Tage, bis mir klar wurde, dass eine Kampagne, die sich „Stolzmonat“ nennt, mich offenkundig überall kenntlich gemacht hat. Ins gleiche Horn stieß übrigens Hans-Georg Maaßen als er sich mit seinen Anhängern vor der Thüringer Staatskanzlei ablichten ließ und dort von „Putsch“ und dergleichen mehr redete bzw. auf der Mitgliederversammlung der sog. „Werteunion“ mit Vokabular hantierte, das der Leiter der Gedenkstätte Buchenwald-Mittelbau Dora als klare Anleihe an die NS-Sprache klassifizierte.

Als auch der unsägliche Kopp-Verlag mich attackierte, war endgültig klar, wohin die Reise ging. Deshalb habe ich sehr intensiv versucht herauszufinden, worauf sich „Stolzmonat“ bezieht und fand die Kampagne von Happy Pride, die durch diese Accounts konterkariert werden sollte. Deshalb habe ich ein altes  Foto von mir verwendet, das mich beim Hissen der Regenbogenfahne anlässlich des CSD in Erfurt vor der Thüringer Staatskanzlei zeigt. Es war ein Zeichen meiner Solidarität mit dem Pride-Monat. Das führte zu einer noch größeren Welle von Reaktionen, so dass ich derzeit geschätzt 1.500 Blocks gegen Twitter-Accounts gesetzt habe, die als „Stolzmonat“ kenntlich waren. Interessant für mich war allerdings, dass es eine Gegenbewegung rund um meinen Tweet gab und dass allein die Kenntlichmachung von Twitter, dass ich mein Foto geändert habe und das Bild mit der Regenbogenfahne eingebaut habe, dazu führte, dass mittlerweile alleine diese Änderungsanzeige 975.000 Mal von Viewern gesehen wurde und sich mehrere tausend Menschen mit mir durch ein Like solidarisiert haben. Soweit der Hintergrund zu dem Kleinkrieg, der sich zumindest auf meiner Twitter-Timeline seit über einer Woche abspielt. Klar ist, dass ich mich nicht einschüchtern lasse.