Von Kofferträgern und Sherpas

In einer Thüringer Zeitung wurde in der vergangenen Woche im großen Stil über ein Prüfverfahren des Thüringer Rechnungshofes berichtet. Die Aufgabe der Rechnungshöfe ist es, unabhängig von der Regierung, unabhängig von politischen Parteien und unabhängig von jeder Einflussnahme die öffentliche Verwaltung zu kontrollieren. Rechnungshöfe sind also ein vitaler Bestandteil einer lebendigen Demokratie und eines gut funktionierenden Rechtsstaates.

Um die Arbeit des Rechnungshofes besser verstehen zu können, muss man kurz erläutern, dass eine Prüfung für die Regierung, für das Parlament, für eine einzelne Fraktion oder auch im Zuständigkeitsbereich des Ministerpräsidenten, aber auch der Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern schlicht angekündigt und das Prüfverfahren zeitnah eingeleitet wird. Darauf haben die Geprüften überhaupt keinen Einfluss und das ist gut und richtig so. Im Folgenden lässt sich der Rechnungshof alle notwendigen Unterlagen vorlegen und im Bedarfsfall auch aushändigen.

In meinen beruflichen Leben als Politiker ist mir diese Praxis seit 1999 wohl vertraut und auch mehrfach schon passiert – egal, ob in meiner Zeit als Fraktionsvorsitzender die Fraktion betreffend oder in meinem Amt als Ministerpräsident mit Blick auf die Öffentliche Verwaltung. Dies ist das gute Recht und auch die Pflicht des Rechnungshofes und an diesen Prinzipien kann und darf nicht gerüttelt werden. Es gab schon Institutionen in Thüringen, die im Klageweg versucht haben, sich solchen Prüfungen zu entziehen. Meine Position ist dies nie gewesen, denn wer im öffentlichen Interesse tätig ist, muss sich auch eine kritische Sicht von unabhängiger Seite gefallen lassen.

Das übliche Verfahren sieht allerdings ebenso vor, dass nach Abschluss der Prüfung dem Geprüften in Abschlussgesprächen das Prüfungsergebnis zugänglich zu machen ist, damit der Geprüfte die Chance hat, Fehler oder Fehleinschätzungen herauszuarbeiten, dem Rechnungshof seine Einschätzung vorzulegen und Zutreffendes zu bestätigen, um im Anschluss etwaige Fehlentwicklungen korrigieren zu können. Auch dies ist gängige Praxis und gehört zur wechselseitigen Aufgabe eines Geprüften und eines Prüfenden. Dieser Logik folgend, ist der erste Bericht ein sogenannter vorläufiger Prüfbericht – eben weil erst an dieser Stelle dem Geprüften die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt wird.

So auch im aktuellen Fall, in dem die Staatssekretärsstellen daraufhin geprüft und analysiert wurden, ob ihre Besetzung rechtskonform abgelaufen ist. Entgegen einer Vorstellung, dass es sich bei der Besetzung der Ämter politischer Beamt:innen um einen wenig rechtlich geregelten Raum handeln würde, der willkürliche oder rein politisch interessegeleitete Auswahlentscheidungen ermöglicht, ist das Gegenteil der Fall. Für die Ernennung politischer Beamt:innen gelten, wie für alle anderen Beamt:innen auch, die allgemeinen Vorschriften der §§ 7ff. Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) sowie der Grundsatz der Bestenauslese gemäß Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz.

Nunmehr liegt uns der erste Teil des Prüfberichtes zu oben genanntem Themenkomplex vor, wir haben darauf als Landesregierung im Sommer letzten Jahres geantwortet und der Rechnungshof hat leider bis heute das Prüfungsverfahren nicht abgeschlossen. So hat ein Hamburger Nachrichtenmagazin sehr spektakulär aus dem ersten Dokument zitiert und wir sind gehalten, im Landtag darauf Antwort zu geben, wenn wir danach gefragt werden. Sowohl im Justizausschuss auf Antrag der CDU-Fraktion als auch im zuständigen Haushalts- und Finanzausschuss auf Antrag der Landesregierung hat der Chef der Staatskanzlei alle Fragen umfassend erläutert. Abgeordnete der CDU-Fraktion haben schließlich zusätzlich sogenannte Mündliche Anfragen gestellt, auf die wiederum der Chef der Staatskanzlei in der öffentlichen Plenarsitzung eingegangen ist und sie umfassend beantwortete.

Festzustellen bleibt, dass alle durch die Landesregierung seit 2014 ernannten Staatssekretäre bzw. Staatssekretärinnen bei ihrer Ernennung die erforderlichen Voraussetzungen der Eignung, Leistung, Befähigung und des politischen Vertrauens erfüllten. Soweit letzteres nicht mehr vorlag, wurden die entsprechenden Staatssekretäre bzw. Staatssekretärinnen entweder entlassen oder in den einstweiligen Ruhestand versetzt. In der Stellungnahme der Landesregierung zum Entwurf des Prüfberichtes des Thüringer Rechnungshofs machte die Staatskanzlei deshalb deutlich, dass keine Ernennungen unter Missachtung des Prinzips der Bestenauslese rechtswidrig erfolgt seien. Darüber hinaus wurden auch alle Regelungen des Laufbahnrechts beachtet.

Die Landesregierung hat sich also mit dem Entwurf des Prüfberichts des Rechnungshofes auseinandergesetzt und bereits vergangenes Jahr eine ausführliche Stellungnahme erarbeitet. Darin machte sie auch deutlich, welche Schlussfolgerungen sie ziehen wird. Denn es gibt in dem Entwurf des Prüfberichts des Rechnungshofes Hinweise, die aus Sicht der Landesregierung eine berechtigte Kritik darstellen. Und es gibt darin Einschätzungen, denen die Landesregierung widersprochen hat. Als eine Schlussfolgerung ist vorgesehen, das Laufbahnrecht anzupassen. Mit dieser Änderung würde Klarheit geschaffen, welche Regelungen nicht für Staatssekretär:innen als sogenannte politische Beamt:innen Anwendung finden. Um dem Vorwurf vorzubeugen, hier würde sich die Landesregierung ein genehmes Gesetz ausgestalten, ist darauf hinzuweisen, dass eine solche Regelung keineswegs ein Thüringer Spezifikum wäre. Im Gegenteil. Mit dieser Änderung wird das Laufbahnrecht des Freistaats Thüringen dem anderer Länder (so z.B. Brandenburg, Sachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein) angepasst.

Ich würde mir wünschen, dass der Rechnungshof sein Prüfverfahren nunmehr zügig abschließt, damit eine transparente und solide Debatte geführt werden kann. Damit würde auch Spekulationen im öffentlichen Raum vorgebeugt, die nur zu Verdruss führen.

Neben der Einstellungspraxis bei den Staatssekretär:innen prüfte der Rechnungshof auch die Einstellungspraxis in den Leitungsbereichen der Ministerien und deren Umfang. Auch dieser Prüfvorgang dauert inzwischen sehr lange. Bereits im vergangenen Sommer gab die Landesregierung ihre Stellungnahmen zu dem Entwurf des Prüfberichtes ab. Wiederum wurde der Entwurf des Prüfberichtes „geleakt“ und in den Zeitungen kommentiert. Wiederum findet keine transparente Debatte auf Basis eines abgeschlossenen Prüfvorgangs des Rechnungshofes statt, der auch die Stellungnahmen der Landesregierung berücksichtigt. Das tut niemandem gut. Weder dem unabhängigen Rechnungshof, noch den betreffenden Mitarbeitenden in den Ministerien oder der politischen Debatte.

In der Bebilderung eines der Artikel, die sich mit dem Entwurf des zweiten Prüfberichts befassen, werden Fotos eingesetzt, auf denen Kofferträger gezeigt werden, wohlwissend, dass der Begriff des „Kofferträgers“ umgangssprachlich mit einer negativen Konnotation behaftet ist. Er impliziert das Bild eines Mitarbeiters, der es fast zu nichts gebracht hat, außer eben wichtigtuerisch einem anderen einen Koffer hinterherzutragen. Wenn ich aber darauf schaue, wer tagtäglich die Arbeit meines Büros und die Planung meiner Termine wie meiner Terminkalender zu organisieren und zu verantworten hat, ist das Bild eines Kofferträgers eine ehrenrührige Herabwürdigung von Mitarbeitenden, die ebenfalls tadellose Berufsabschlüsse haben.

Sowohl in meinem Büro als auch in denen der Minister:innen und Staatssekretär:innen arbeiten Personen, für die – wie für alle anderen auch – der Grundsatz der Eignung, Leistung und Befähigung gilt. In welcher Gehaltsgruppe sie eingruppiert sind, entscheidet sich, wie bei allen anderen auch, anhand der beruflichen Qualifikationen, Studienabschlüsse etc. Bei der Einstellung werden die Personalvertretungen beteiligt. Das muss man wissen, denn die Vorstellung, politische Nähe qualifiziert zur Tätigkeit in einem Ministerbüro, entspricht nicht der Realität.

Ich finde es deshalb nicht redlich, dass denjenigen, die in Leitungsbereichen von Ministerien tätig sind, unterstellt wird, dass ihre tagtägliche harte Arbeit ihnen nur in den Schoss gefallen sei über eine Sherpa-Tätigkeit in einer Partei. Hinzu kommt, dass in meinem Büro auch Menschen mit unterschiedlichen Parteibücher tätig waren oder tätig sind. Bei meinem Amtsantritt habe ich in der Betriebsversammlung in der Thüringer Staatskanzlei allen Mitarbeitenden versichert, dass das Thema Parteibuch für mich wenig bis gar keine Rolle spielen wird. Das ist ja auch naheliegend. In einer Staatskanzlei, in der 24 Jahre die CDU allein Ministerpräsidenten, Chefinnen und Chefs der Staatskanzlei, Staatssekretäre gestellt hat, ist der Anteil an früheren persönlichen Referenten, Büroleitern oder Regierungssprechern mit Parteibuch oder einer Nähe zur CDU hoch. Machen sie deshalb eine schlechte Arbeit? Natürlich nicht. Sie haben enorme Erfahrung gesammelt und mussten sich nunmehr ziemlich umstellen, mit Linken als politischer Leitung. Gab es auch mal Missverständnisse? Vielleicht. Gab es viele gute Diskussionen? Auf jeden Fall. Weil man sich gegenseitig erklären muss und diskutiert. Ein Gespräch also, das gesellschaftlich zwischen unterschiedlichen Parteifarben viel zu oft viel zu kurz kommt. Sowohl der Personalrat als auch die Mitarbeitenden wissen, dass ich sehr gerne in der Staatskanzlei arbeite, weil es eine sehr gute fachliche Unterstützung aus dem gesamten Kreis der Mitarbeitenden gibt.

Das ist ein großes Lob an die in der öffentlichen Verwaltung Tätigen, denn auch in der Corona-Zeit haben zum Beispiel die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Staatskanzlei freiwillig in der Bürger- Hotline mitgearbeitet, viele Aufgaben übernommen  und einige sind auch in der Phase der Flüchtlingsunterbringung in Positionen vor Ort eingestiegen, haben sich abordnen lassen, haben viele Querverbindungen zu anderen Institutionen am Laufen gehalten.

In der Presse konnte man lesen, dass in der Staatskanzlei, im Umweltministerium aber auch im Innenministerium ein drastischer Anstieg der Stellen zu verzeichnen wäre. Damit wird zwar ein Klischee über die Selbstbedienungsmentalität bedient, doch sieht die Realität anders aus. Für die Staatskanzlei lässt sich das ganz einfach erklären: Seit April 2020 wurde das ursprüngliche Referat „Bürger*innenanliegen; Landesantidiskriminierungsstelle (LADS)“ mit einem erweiterten Aufgabenzuschnitt versehen und fungiert seitdem als sogenanntes Stabsreferat. Das heißt, wie man dem öffentlich einsehbaren Organigramm der Staatskanzlei entnehmen kann, es ist dem Leitungsbereich zugeordnet (siehe hierzu das Organigramm: https://www.staatskanzlei-thueringen.de/fileadmin/user_upload/TSK/Wir-ueber-uns/Organisation/2023-01-09_Organigramm_extern.pdf). Weder wurden dadurch mehr Stellen geschaffen, noch werden die Mitarbeitenden dadurch besser bezahlt. Es war nicht mehr und nicht weniger als eine Verschiebung von A nach B. Ich gehe davon aus, dass der Rechnungshof in seinem hoffentlich bald vorliegenden Endbericht, dies korrekt darstellen wird.

Und dann wird erkennbar sein, dass es sich bei den betreffenden Mitarbeitenden ebenfalls um Beschäftigte handelt, die tagtäglich mit großem Engagement ihre Arbeit machen und die es nicht verdient haben, in den Ruch von parteipolitischer Selbstbedienungsmentalität gerückt zu werden.

Auch deshalb möchte ich in meinem Tagebuch einmal deutlich Danke sagen an diejenigen, die mein Büro täglich organisieren und diejenigen, die im Stabsreferat tagtäglich ihre Arbeit machen. Dazu zähle ich auch ausdrücklich meine beiden wunderbaren Sekretärinnen in meinem Erfurter MP-Büro und die Kollegin, die meine Büroangelegenheiten in Berlin in der Landesvertretung hoch engagiert begleitet und betreut. In der Zeitung stand darüber hinaus noch der Satz, dass ein Minister es aushalten müsse, sich auch von einem neutralen Beamten begleiten zu lassen. Das ist eine Selbstverständlichkeit, für Angestellte wie für Beamtinnen und Beamte. Letztere sind entsprechend den hergebrachten beamtenrechtlichen Grundsätzen zu parteipolitischer Neutralität verpflichtet. Sie haben dem allgemeinen Wohl zu dienen und die Interessen der Gesamtheit ebenso wie die des Dienstherrn zu wahren. Bei politischer Betätigung haben sie eine ihrem Amt gemäße Mäßigung und Zurückhaltung zu üben. Diesen Maßstäben tragen die Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung Rechnung.