Ist denn schon wieder Wahlkampf?

Dass in einem Bundesland mit Minderheitsregierung alles etwas aufregender und aufgeregter abläuft als in Ländern mit klaren Mehrheitsverhältnissen, ist nicht weiter überraschend.

Als Novum möchte ich allerdings dennoch betrachten, dass knapp zwei Jahre vor dem avisierten Wahltermin bei einigen der Wahlkampf schon begonnen zu haben scheint – und das auf in mehrerlei Hinsicht bemerkenswerte Art und Weise.

Beginnen wir zunächst mit der FDP Thüringen. Bei ihrem Vorsitzenden Thomas Kemmerich scheint es sich dieser Tage noch nicht herumgesprochen zu haben – aber die FDP regiert in der Ampelkoalition seit ziemlich genau einem Jahr im Bund mit. Anders kann ich mir jedenfalls nicht erklären, wie Herr Kemmerich aktuell auf die Idee kommt, unsere Gesundheitsministerin Heike Werner dafür anzugreifen, dass sie etwas unterlässt, was gar nicht in ihrer Zuständigkeit, sondern in der des Bundes liegt – nämlich die einrichtungsbezogene Impfpflicht abzuwickeln. Dass es sich hierbei um Bundesgesetzgebung handelt und eine Landesministerin gesetzeswidrig handeln würde, würde sie es ignorieren, scheint Herrn Kemmerich nicht weiter zu interessieren.

Doch anstatt selbst bei seinen Parteifreunden in Berlin vorstellig zu werden und auf eine entsprechende Abschaffung hinzuwirken – das tut Heike Werner übrigens bereits seit langer Zeit – spielt die FDP das ganz, ganz kleine parteipolitisch motivierte Karo in Thüringen. Den Bürgerinnen und Bürgern hilft das freilich nicht.

Nicht minder „kreativ“ im offensichtlichen Vorwahlkampf agieren die Thüringer CDU und ihr Vorsitzender Prof. Mario Voigt, mit dem mich seit geraumer Zeit offenbar eine tiefe Brieffreundschaft verbindet.  Derselbe Prof. Voigt, der noch vor einem Jahr eine Verlängerung des Stabilitätspaktes mit R2G mit dem Hinweis darauf ablehnte, dass nunmehr die für das Land wichtigsten Entscheidungen im Parlament kooperativ miteinander getroffen werden müssten, versucht nunmehr bei der Aufstellung des Landeshaushaltes 2023 das Königsrecht des Parlamentes, nämlich die Erarbeitung und den Beschluss eines Haushaltes, auszuhöhlen, indem er von der Landesregierung die Erstellung einer Änderungsvorlage fordert, welche die – höchstens schemenhaft sichtbaren – CDU-Forderungen beinhaltet.

Dabei ignoriert er freilich die grundlegendsten haushalterischen Regeln und Gepflogenheiten. Die Landesregierung hat einen Haushaltsentwurf zu erstellen, im Kabinett zu beschließen und ihn anschließend dem Landtag zuzuleiten, damit die Parlamentarier ihn in den entsprechenden Ausschüssen beraten, gegebenenfalls auch abändern und schließlich beschließen können. Doch was tut Herr Prof. Voigt? Er verweigerte sich Gesprächen mit den Koalitionsfraktionen und versucht das Parlament durch Gespräche mit mir und Ministerin Taubert zu umgehen. Das geht freilich nicht und beschädigt die Kompetenzen des Parlaments. Natürlich stehen Heike Taubert, ich, aber auch das gesamte Kabinett gern den Abgeordneten Rede und Antwort in allen Haushaltsfragen. Ihn abzuändern – und natürlich auch entsprechende Deckungsvorschläge zu machen – obliegt nunmehr aber dem Parlament. In unserem gemeinsamen Gespräch vor kurzer Zeit wiederholte Mario Voigt immer wieder, er nenne keine Zahlen – um sich wenig später öffentlich darüber zu beklagen, dass die benannten Größenordnungen nicht eingeplant würden. Ich verstehe natürlich den Wunsch der CDU, Rücklagen auch bis zum Jahr 2025 vorzuhalten und dieses Vorgehen haben wir auch zugesagt. Aber nun muss auch die CDU in die sprichwörtliche Bütt.

Die Verzögerungstaktik und Arbeitsverweigerung der CDU ist aus vielen Hinsichten fatal. Erstens widerspricht sie dem Anspruch der CDU als „konstruktive Opposition“, denn das hieße, sich auch aktiv in die Verhandlungen einzubringen und nicht die Landesregierung vorzuschieben. Zweitens kann sich die CDU nicht gleichzeitig als „Kommunalpartei“ bezeichnen, aber riskieren, dass kein schneller Haushalt zustande kommt. Denn die Kommunen brauchen Geld. Und zwar besser gestern als morgen.

Nach deutlicher Kritik an diesem Agieren von allen Seiten hat die CDU nunmehr wenigstens eingesehen, dass es ohne Änderungsanträge nicht geht und angekündigt, in der kommenden Woche über 200 davon an den Haushaltsausschuss zu überweisen. Aber auch dieses Mal lässt es die CDU scheinbar wieder auf eine „wilde Abstimmung“ ankommen und kalkuliert eiskalt mit der Drohkulisse einer AfD-Zustimmung zu Anträgen, wenn R2G nicht mitstimmt. Das ist – ganz ähnlich wie bei der FDP – winziges politisches Karo.

Nun hoffe ich trotzdem auf verantwortliches Agieren, denn es geht um das Land und nicht um das Wohl von Parteien.

Angesichts all dieser sonderbaren Entwicklungen gilt es für mich mehr denn je Kurs zu halten und Thüringen als Ganzes und von allen Seiten zu denken – und nicht aus der Perspektive kleinlicher parteipolitischer Geländegewinne. Dass das der richtige Weg ist, ist mir in den vergangenen Wochen immer wieder klar geworden, wenn man mir bei Terminen in Stadt und Land deutlich signalisiert, dass meine erneute Kandidatur unterstützt und sehr geschätzt wird, dass ich Kompromisse und Lösungen auch dort suche und finde, wo auf den ersten Blick Kleinlichkeiten hindern. Das heißt für mich Fortschritt und verantwortungsvolle Politik für und in Thüringen.