Sommernachtstraum und gelebte Inklusion–Mein Wochenende bei den Stelzenfestspielen bei Reuth

Am vergangenen Wochenende konnte ich – nach einer anstrengenden Plenarwoche – endlich wieder einmal meinen Kulturakku laden. Und zwar nicht irgendwo, sondern bei meinen Freunden von den Stelzenfestspielen /Bayreuth…. äh… nein, so heisst es natürlich nicht, sondern hört sich nur so an, denn es heisst richtig : bei Reuth (- ja, der Name ist Programm, denn Reuth ist natürlich der Nachbarort Stelzens).

Die Festspiele selbst sind mittlerweile legendär. Anfang der 1990er-Jahre von dem gebürtigen Stelzener Henry Schneider, Bratschist des Leipziger Gewandhausorchesters, ins Leben gerufen, haben sie sich zu einer festen Größe im  Thüringer Kulturangebot entwickelt.

Und was die wenigen hundert Stelzener hier gemeinsam mit dem Gewandhausorchester Leipzig, dem Theaterverein INSELbühne und der Theatergruppe der Wohnstätten Stelzen der Diakoniestiftung Weimar-Bad Lobenstein auf die Beine stellen, ist wahrlich beeindruckend. 

Am Samstag – als ich die Festspiele besuchte – wurde das Stück „Ein Stelzener Sommernachtstraum – sehr frei nach Shakespeare“ gegeben. Besonders beeindruckt hat mich nicht nur, mit welchem Spaß und welcher Energie Jung und Alt mitspielten (vom Kind bis zum Greis war nahezu ganz Stelzen in das Stück involviert), sondern vor allem wie die Schauspieler der Wohnstätten-Theatergruppe sich einbrachten. Sie sind alle Menschen mit unterschiedlichen Handicaps und Behinderungen und nehmen selbstverständlich ganz verschiedene Rollen im Stück wahr. Die einen schauspielerten, die anderen – dirigiert von Henry Schneider – musizierten mit diversen Instrumenten. Wer einmal miterlebt hat, mit welcher Selbstverständlichkeit hier eine ganze Dorfgemeinschaft gemeinsam mit Menschen mit Handicaps zusammenarbeitet und dabei ungeheuren Spaß hat, wird begreifen, was das luftige Wort „Inklusion“ in der Praxis bedeuten kann. Da wird getanzt, gejohlt und Musik gemacht. Und ja, immer mal verpasst wer seinen Einsatz oder vergisst seinen Text. Aber ganz egal: Es ist immer jemand da, der einspringt, der erinnert oder durch eine spontane Impro-Nummer das Stück in eine völlig neue Richtung schickt.

So sind die Stelzener Festspiele auch nicht einfach nur ein Festival, das jährlich tausende Begeisterte aus ganz Deutschland anzieht. Sie sind viel mehr gelebte Solidarität und Zusammenhalt.

Das ganze Spektakel findet außerdem an einem Ort von ganz besonderer historischer Bedeutung statt. Hier im Vogtland, wo Sachsen, Thüringen und Bayern aneinanderstoßen, verlief vor 1990 das Grenzgebiet zwischen BRD und DDR. Stacheldraht und Soldaten trennten Familien, Spionagetechnik versuchte Informationen vom jeweils anderen abzuschöpfen. Dass an dieser Stelle jetzt der Blick weit nach Sachsen und Bayern schweifen kann und man so hochklassige Kunst geboten bekommt, ist ein herrliches Symbol – und zeigt beispielhaft, was Mut, Enthusiasmus und Solidarität leisten können!