Kunst, Kultur und Ehrenamt in Thüringen – mein Wochenende
Dass Thüringen ein Land der Kreativität, des bürgerschaftlichen und ehrenamtlichen Engagements ist, fällt jedem, der wenigstens einmal längere Zeit in unserem Bundesland verbracht hat, sofort auf. Für viele Thüringerinnen und Thüringer gehört das gemeinsame Vereinsleben oder die Arbeit an Projekten innerhalb der Dorf- oder Stadtgemeinschaft wie selbstverständlich zum Leben dazu.
Wenigstens genauso begeistert können wir auf eine bunte wie ausdifferenzierte Kunst- und Kulturszene blicken, die sich in den letzten Jahrzehnten hier herausgebildet und sich einen Namen auch weit jenseits unserer Landesgrenzen gemacht hat.Dort, wo beides zusammentrifft – das bürgerschaftliche Engagement und die Lust an Kunst und Kultur – ergeben sich Verbindungen, die man sich kaum im Voraus hätte vorstellen können und die selbst denjenigen, der Thüringen schon sehr lange kennt, immer wieder auf’s Neue fesseln. So ging es mir am letzten Wochenende.
Zunächst durfte ich am Freitag im Lichthof des Bundesrates die zweite Kunstausstellung Thüringens im Bundesrat eröffnen. Es ist guter Brauch, dass das jeweils Vorsitz führende Bundesland so die Chance bekommt, einer bundesdeutschen Öffentlichkeit seine spezifische Kunstszene – verdichtet in den Werken besonders kreativer Köpfe – zu präsentieren. Unter dem Titel „Abgestimmt“ kam dieses Mal das Thüringer Künstlerpaar Cosima Göpfert und Michael Ernst zum Zuge. Diese beiden stehen mit ihrer innovativen, unbequemen und kritischen Kunst beispielhaft für das zukunftsgestaltende Potenzial, das die Kunst und die Kreativität einer Gesellschaft aufzeigen und zur Verfügung stellen kann. In ihrem Wohnort Bechstedtstraß haben sie unübersehbar Spuren hinterlassen und auch in der kleinen Kirche ist die Kunst eingezogen – Kunst und Kultur im ländlichen Raum in wunderbarer Harmonie und wechselseitiger Befruchtung.
Am Samstag startete mein Tag in Andisleben beim Verein „Kreativwerkstatt Andisleben“, der aus einer privaten Initiative der Eheleute Anne-Kathrin Müller und Elisabeth Hemker hervorgegangen ist und sich im Lauf der Jahre zu einer festen Institution im Ort entwickelt hat. Mit seiner „offenen Werkstatt“, in der immer freitags bei Kaffee und Kuchen geredet, aber auch gestrickt, gemalt, gehäkelt, genäht oder gelesen wird, bildet der Verein eine wahre Quelle der Kreativität für alle interessierten Andislebener. Ohne die gute Unterstützung des Bürgermeisters und der Gemeinderäte würde es niemals so gut laufen. Man spürt sofort: Hand in Hand geht es in Andisleben
Im Anschluss bat mich der Andislebener Bürgermeister noch einmal in die gleich nebenan befindliche evangelische Kirche St. Peter und Paul, die aktuell umfassend saniert wird. Das Kirchendach ist bereits wieder hochwertig instand gesetzt worden, das Gemälde auf dem Tonnengewölbe hingegen befindet sich gegenwärtig noch in einem sehr schlechten Zustand und steht auf der Liste der dringlichen Sanierungsfälle Thüringens sehr weit oben. Der Kirchenbauverein ist aber unermüdlich an der Arbeit und läßt sich auch durch diese Herausforderungen nicht entmutigen.
Meinen nächsten Halt legte ich an diesem Samstag in Kirchheim ein, wo eine Gruppe ebenfalls ehrenamtlicher Enthusiasten (der Christian Paschold Kulturstiftung) im liebevoll sanierten Torhaus, der Galerie Sperlingslust, aktuell eine Ausstellung meines kürzlich verstorbenen Freundes Christian Paschold zeigt. Christian selbst war vor seinem Tod noch mit vor Ort und hatte die Ausstellung seiner Werke mit vorbereitet. Dass sie jetzt posthum gezeigt werden muss, ist einerseits natürlich sehr traurig, andererseits sehr berührend, weil hier Christian sich selbst und seine Freunde ihm mit der Ausstellung ein wichtiges und bleibendes Zeichen gesetzt haben. Dab erfolgt die Betreuung des Torhauses ebenfalls ehrenamtlich. Die Nachbarn sind die Eigentümer und der Verein betreut die Ausstellungen. Gemeinsam mit dem Bürgermeister wurde hier viel auf die Beine gestellt.
Und auch in Kirchheim – wie schon kurz vorher in Andisleben – entführten mich Ehrenamtliche des Kirchenbauvereins im Nachgang noch in ihre wunderschöne Kirche, deren Decke von einer atemberaubenden Malerei des Künstlers Ernst Liebermann geschmückt wird. Und wer war hier einer der Schrittmacher der Sanierung? Pfarrer Holger Lübs, den ich vor einiger Zeit in Barcelona besucht habe und der viel Energie in die Sanierung des Grabes des großen Thüringer Zoologen Ronaldo Brehm investiert hat. Die Welt ist manchmal wirklich ein Dorf und es hat mich tief bewegt an ein und demselben Ort sowohl Spuren von Holger Lübs als auch von Christian Paschold zu finden.
Mein Tag endete schließlich mit einem Konzert – „Philharmonic Rock am Dreiländereck“ in Gefell anlässlich des feierlichen Gedenkens an die Wiedervereinigung und dem damit verbundenen Zusammenwachsen der Regionen. Nach den Jahren der Corona-Einschränkungen ist es immernoch ein unbeschreibliches Gefühl ein so wunderbares Konzert vor einem großen Publikum erleben zu dürfen. Gefell hat wahrlich gerockt und gebebt. Und genauso wie schon bei den Vorterminen waren es Ehrenamtliche und ein mutiger Bürgermeister, die das alles auf die Beine stellten. /2.000 enthusiastische Gäste bedankten sich mit tosendem Applaus.
Wenn ich dieses ereignisreiche Wochenende zusammenfassen möchte, kann ich nur meine große Hochachtung dafür ausdrücken, was aus der Kombination von Ehrenamts- und Kunstbegeisterung entstehen kann. Es zeigt sich mir nach solchen Tagen immer wieder, dass der Motor für unseren Freistaat seine Menschen sind, die Solidarität und Gemeinschaft tagtäglich leben. Frei nach dem Motto: „Die einen suchen Gründe, die anderen Lösungen!“