Von der Katze zum Tiger
Schon am Morgen erwartet mich ein emotionaler Höhepunkt dieser Reise. Gemeinsam mit unserer großen Delegation treffe ich auf mehr als 30 junge Menschen, die sich bald nach Thüringen aufmachen, um in unserem Bundesland einen Beruf zu erlernen. Sie sind gemeinsam mit ihren Eltern gekommen und mir ist es ein Bedürfnis, den jungen Leuten und ihren Eltern die Sicherheit zu vermitteln, dass sie die richtige Entscheidung getroffen haben und unsere Unternehmen alles dafür tun werden, damit sie das während der Ausbildung und natürlich auch danach ebenso empfinden. Dazu gehört eine anständige Ausbildungsvergütung genauso wie eine gute Betreuung und Begleitung. Ich mache den Jugendlichen Mut, denn die Entscheidung, für einige Jahre nach Thüringen zu gehen, verlangt mindestens ebenso viel Mut. Da ist eine schwere Sprache, die gelernt werden muss und auch Wetter, Kultur und ja, auch das Essen, sind völlig anders als in Vietnam. Und den Eltern kann ich nur versichern, dass ich mit den Unternehmen nach Vietnam auch deshalb gekommen bin, um ihnen zu vermitteln, dass sie sicher sein können, ihre Kinder in gute Hände gegeben zu haben. Es ist ein ganz besonderer Moment.
Auf mich erwartet nach dieser Begegnung ein kleiner „Marathon“. Drei Ministerien und der Premierminister empfangen mich und unsere Thüringer Delegation. Ich habe die Gelegenheit mit dem stellvertretenden Minister für Planung und Investition, mit dem Minister für Wissenschaft und Technologie, dem Außenminister und dem Premierminister zu sprechen. Überall werden wir auf das Herzlichste empfangen und mich bestärkt der Eindruck, dass Vietnam ein ernsthaftes und großes Interesse daran hat, die Kooperation mit Deutschland und vor allem mit Thüringen zu vertiefen und auf eine neue Stufe zu stellen. Deutsche Unternehmen werden in Vietnam geschätzt und zwar nicht nur wegen ihrer technologischen Stärke, sondern vor allem auch, weil ihnen der Ruf vorausgeht, dass sie bereit sind, soziale Verantwortung zu übernehmen. Die Bereiche, in denen deutsche Investitionen gefragt sind, sind vielfältig. Sie reichen von der Automobilindustrie, über Maschinenbau, die optische Industrie bis hin zur Medizintechnik und in vielen dieser Bereiche sind auch Thüringer Unternehmen unterwegs. Dabei will Vietnam nicht mehr nur Fertigungsstandort sein, es geht auch darum, den Einstieg in Qualitätsproduktion zu schaffen. Ein vietnamesisches Elektroauto oder der erste Satellit aus Vietnam zeigen das sehr deutlich. Im Moment dominiert eher die klassische Fertigung. Allein Samsung lässt in Vietnam durch mehrere Tausend Menschen Handys montieren und hat allein dadurch einen Anteil am gesamten Exportvolumen in Höhe von 25%. Vietnam will die Verwandlung von der Katze zum Tiger schaffen.
Die Unternehmen, die mich begleiten, haben ganz konkrete Projekte, über die sie mit den vietnamesischen Partnern reden wollen: Da ist ein Unternehmen, dass Implantate hier produzieren will, ein anderes will gemeinsam mit dem IAB in Weimar Baustoffe recyceln und dadurch Ressourcen und Umwelt schonen und ein drittes ist im Bereich der Glasproduktion tätig.
Eine besondere Überraschung erwartet mich beim Gespräch mit dem Oberbürgermeister von Hanoi. Auch hier geht es darum, wie wir Hanoi bei seiner Entwicklung unterstützen können. Da geht es um Themen wie Umweltschutz, öffentlichen Verkehr, also die klassischen Themen der Daseinsvorsorge. Vietnam will bis 2030 alle Wirtschaftsunternehmen privatisieren. Für mich auch die Gelegenheit dafür zu werben, dass es gerade im Bereich der Daseinsvorsorge in Thüringen durchaus die Tendenz gibt, das Öffentliche wieder zu stärken. Wir haben starke Stadtwerke und Wohnungsunternehmen aber auch öffentliche Unternehmen der Energieversorgung, die marktwirtschaftlich agieren aber den Kommunen gehören und dadurch eben ganz anders agieren können. Als ein Unternehmen um Unterstützung bei der Bereitstellung eines Grundstücks bittet, antwortet uns der Oberbürgermeister, dass Vietnam bereit wäre, Thüringen 150ha Fläche zur exklusiven Entwicklung zur Verfügung zu stellen. Das hat Vietnam bisher nur Japan angeboten. Es zeigt, welche Dynamik unser Besuch offenbar schon jetzt ausgelöst hat. Mich macht das auch stolz, zeigt es doch, dass wir unsere Partner hier überzeugen konnten, dass wir wirklich etwas anzubieten haben und unsere Zusammenarbeit qualitativ vertiefen wollen.
Aber dazu gehört eben auch, bei der Vermittlung von Sprachkenntnissen und der Beratung von Unternehmen, die in Vietnam investieren wollen, gut aufgestellt zu werden. Deswegen ist auch mein letzter Besuch an diesem Tag so wichtig. Wir sind bei der Eröffnung der German Competence Acadamy dabei, die durch unsere langjährige Partnerin in Vietnam, Frau Tham von der Hanoi IEC aufgebaut wurde. Seit über 15 Jahren ist sie unsere verlässliche Partnerin hier vor Ort.
Voller Eindrücke und sehr guter Gespräche geht dieser zweite Tag zu Ende und schon nach so kurzer Zeit bin ich mir sicher, dass sich unser Besuch gelohnt hat.