Angekommen und eingetaucht

In Hanoi bricht gerade der Montagmorgen an und wenn ich aus meinem Hotelfenster schaue, sehe ich sofort, was einem auffällt, wenn man durch die Straßen geht: Hunderte Mopeds in allen Variationen. Ganze Familien lassen sich darauf beobachten, oft mit Atemschutzmaske, denn zu dem Lärm, dem Hupen, das immer präsent ist, kommt auch eine hohe Luftverschmutzung, die zusammen mit dem für uns wirklich ungewohnten Klima, eine echte Herausforderung ist.

Aber jetzt bin ich etwas schnell, denn meine Reise nach Vietnam begann bereits am Samstag, als ich mit über 100 Menschen aus Wirtschaft, Sozialverbänden, Wissenschaft und Politik von Frankfurt nach Vietnam aufgebrochen bin. Deutschland und Vietnam trennen 10,5 Stunden Flug und 5 Stunden Zeitunterschied. Mittags flogen wir ab und am frühen Morgen waren wir hier, da war in Deutschland der Samstag noch nicht vorbei. Aber natürlich ging es für uns alle nicht ins Bett, sondern es wartete für uns ein umfangreiches Programm.

„Thüringen und Vietnam – verlässliche Partner in einer globalisierten Welt“, so ist meine Reise überschrieben. Partner sind beide Länder schon lange. Bereits in der DDR begann die Kooperation und noch heute lassen sich die Spuren dieser Verbindung hier finden. Darauf können wir aufbauen. Aber auch unsere Unternehmen haben sich aufgemacht. Da gibt es umfangreiche wirtschaftliche Kontakte und inzwischen liegt das Handelsvolumen bei ca. 70 Millionen Euro und damit in einem ähnlichen Bereich wie das Handelsvolumen mit Ländern wie Australien, Bulgarien und Finnland.

Ein besonderer Fokus liegt bei dieser Reise auf dem Thema „Ausbildung“. Wer die demografischen Pyramiden von Vietnam und Thüringen vergleicht, wird einen dramatischen Unterschied feststellen. Das Durchschnittsalter in Vietnam liegt bei gerade einmal 28 Jahren, ein Viertel der Bevölkerung ist jünger als 25 und nur 5,5% älter als 65. Jedes Jahr verlassen etwa eine Million junge Leute die Schule und damit ist klar, dass die Frage, wie es gelingt, diesen Jugendlichen eine Perspektive zu bieten, besonders wichtig ist. In Thüringen dagegen haben wir Kapazitäten im Bereich der Berufsausbildung, die wir im Moment nicht nutzen und zudem haben wir einen Bedarf an ausgebildeten Fachkräften und das in fast allen Bereichen.

Schon seit Jahren gibt es verschiedene Pilotprojekte, etwa der IHK Südthüringen, die wir ausbauen und verstetigen wollen. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir statt der 300 – 350 jungen Leute aus Vietnam, perspektivisch über 1.000 ausbilden. Aber dazu müssen wir in Thüringen unsere Hausaufgaben machen und natürlich braucht es auch in Vietnam verlässliche Partner dafür. Genau darüber wollen wir sprechen.

Am Mittag trifft die gesamte Delegation in unserem Hotel zusammen und das ist schon zahlenmäßig beeindruckend, denn noch nie war eine Auslandsdelegation größer und nach den ersten Medienberichten über diese Reise meldeten sich noch weitere Unternehmen und Institutionen, die Interesse gehabt hätten, Teil der Delegation zu sein. Allein die Größe unserer Gruppe ist eine logistische und organisatorische Herausforderung, die nur dank des großen Engagements der Kolleginnen und Kollegen unseres Partners hier in Hanoi aber auch in der LEG Thüringen, in den Ministerien und der Staatskanzlei zu meistern ist. Mit mir sind auch unsere Arbeits- und Sozialministerin, Heike Werner, die Staatssekretärin aus dem Wirtschaftsministerium, Valentina Kerst und der Staatssekretär Malte Krückels nach Vietnam gereist.

Bereits mein erstes Gespräch mit dem Deutschen Botschafter in Hanoi macht nochmals deutlich, dass sowohl in Vietnam als auch in Deutschland mein Besuch hier mit hohem Interesse verfolgt wird. Aus erster Hand bekomme ich von ihm Informationen zum Stand der Entwicklung Vietnams und der Beziehungen der beiden Länder.

Danach geht es zu einem ganz besonderen Termin: Jahrzehntelang lebte im Hanoier Hoan-Kiem-See eine Riesenweichschildkröte, die von den Menschen in besonderer Weise verehrt wurde. Sie galt als ein Symbol der Unabhängigkeit Vietnams und ihr Tod führte zu großer Bestürzung hier in Vietnam. Deswegen sollte sie für die Ewigkeit haltbar gemacht werden und Unterstützung dafür kam auch aus Thüringen, denn mit Marco Fischer, war ein Präparator aus dem Naturkundemuseum Erfurt wesentlich an der Bewahrung dieser Schildkröte beteiligt und seit wenigen Tagen ist sie nun für die Öffentlichkeit in einem Tempel zu besichtigen und die Dankbarkeit für unsere Unterstützung war spürbar.

Bei einem Stadtrundgang danach habe ich die kleine Chance, mal kurz in Kultur und Geschichte Vietnams einzutauchen, ein Land, dessen Geschichte immer wieder durch das Ringen um Unabhängigkeit geprägt war, in dem viele kulturelle aber auch religiöse Elemente ihre Spuren hinterlassen haben und wo an jeder Ecke aber auch die ungeheuer dynamische Entwicklung dieses Landes zu spüren ist. Zu spüren ist aber auch die ungeheure Luftfeuchtigkeit, die ihre Spuren bei uns allen hinterlässt und das nach einem besonders langen Tag, der nun aber noch nicht vorbei ist, denn am Abend steht ein Treffen mit Mitgliedern der Vietnamesisch-Deutschen Freundschaftsgesellschaft auf dem Programm. Zehntausende Vietnamesen wurden seit den 50er Jahren in der DDR ausgebildet und viele von ihnen bekleiden noch heute wichtige Positionen in der Gesellschaft und auch in Verbänden. Die Gespräche zeigen mir, wie dankbar Vietnam noch heute für diese Unterstützung ist und wie sie noch heute nachwirkt, denn die Ausbildung in Deutschland gilt als Garant für eine hervorragende berufliche Perspektive hier und damit auch die eigene persönliche Entwicklung.

Schon der erste Tag war also voller spannender Eindrücke aber ich bin wirklich froh, als ich nach einem sehr langen Tag auch endlich ein ganz klein wenig Schlaf nachholen kann.