Ein Termin mit Folgen…

In der vergangenen Woche habe ich den Stammbetrieb des Christophoruswerk Erfurt gGmbH besucht, der Arbeit und Betreuung für Menschen mit psychischer Erkrankung oder seelischer Behinderung organisiert.

Eingeladen hatte mich der Werkstattrat, damit ich mich konkret und vor Ort darüber informieren kann, wie Menschen mit Behinderungen heute arbeiten. Bereits in der Vergangenheit habe ich immer wieder solche Betriebe und sozialen Träger in Thüringen besucht, etwa die Mühlhäuser Werkstätten und dabei festgestellt, dass diese Träger schon lange nichts mehr mit den Werkstätten zu tun haben, die wir noch aus dem letzten Jahrhundert kennen.

Immer häufiger entstehen aus solchen Werkstätten mittlerweile Inklusionsbetriebe, denen es immer besser gelingt, Menschen in den Arbeitsmarkt mit ihren ganz spezifischen Fähigkeiten und Bedingungen zu integrieren. So hat das Christophoruswerk einen Inklusionsbetrieb gegründet, der derzeit 60 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze nach den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes geschaffen hat, darunter 25 für schwerbehinderte Menschen.

Bei meinem Besuch konnte ich eine ungeheure Vielfalt an Tätigkeiten kennenlernen, wie sie inzwischen auch für andere Träger von Werkstätten und Inklusionsbetrieben kennzeichnend ist. Da werden Hotels, Gaststätten und Lebensmittelläden betrieben, aber auch ein Karosseriebetrieb. Die Marke „Rotstern“ konnte nur überleben, weil sie durch die Caritas 2012 übernommen wurde. Und Anker Bausteine werden heute durch die AWO in Rudolstadt produziert. Das hat nichts mehr mit Werkstätten zu tun, in denen Menschen „beschäftigt“ werden, sondern das ist Nischenproduktion in höchster Qualität.

Das ist natürlich nicht zu marktüblichen Konditionen möglich. Die Beschäftigten brauchen Ausbildung, Unterstützung und Begleitung und die Träger öffentliche Förderung. Aber umgekehrt ermöglichen sie vielen Menschen auch ein deutlich selbstbestimmteres Leben. Je mehr Inklusionsbetriebe wir haben, desto mehr Menschen mit Handicaps müssen nicht mehr mit 168,- Euro Werkstattlohn auskommen. Dieser sogenannte „Werkstattlohn“ verdient den Begriff Lohn nicht. Selbst der gesetzliche Mindestlohn ist deutlich höher und tatsächlich handelt es sich lediglich um Taschengeld. Besser wäre es endlich dieses Taschengeld zu einem sozialversicherungspflichtigen Gehalt weiterzuentwickeln. Alle Transferleistungen für diese Beschäftigten einschließlich aller Sozialleistungen, Wohngeld müssten zu einem Gehalt zusammengefasst werden. Daraus werden dann ganz normal Sozialversicherungsbeiträge bezahlt und es gibt keine Verrechnungen mehr, wenn man sich noch etwas mehr dazu verdienen möchte. Jeder Cent über den 168€ werden nämlich im Moment mit Sozialleistungen verrechnet und das führt bei den betroffenen Menschen verständlicherweise immer zu viel Frust. Das muss endlich verändert werden. Genau diese Gedanken habe ich bei meinem Besuch in der Betriebsversammlung auch klar und deutlich ausgeführt.

Aus dem Termin entstand ein Beitrag der Thüringer Staatskanzlei auf Facebook, in dem ich zitiert werde mit der Aussage, das man heftig darüber diskutieren kann, ob das Wort Werkstatt das ausdrückt, was solche Behinderteneinrichtungen heute sind: Kompetenzzentren für Inklusion. Letztlich sind sie Brückenbauer in ein selbstbestimmtes Leben. Dass wir dabei noch längst nicht am Ziel sind, das viel zu tun ist, dann noch immer sehr viele Menschen mit Behinderungen gänzlich von Teilhabe am Erwerbsleben ausgeschlossen sind, das ist mir bewusst und das haben auch die Mitglieder des Werkstattrates deutlich gemacht.

Nicht geahnt habe ich aber, welchen „shitstorm“ dieser Besuch auslöst. Da wird mir unterstellt, ich würde Werkstätten und Inklusionsbetriebe gleichstellen oder fände einen Lohn von 168 Euro akzeptabel. Nichts dergleichen habe ich geäußert aber ich bin erschrocken, dass gerade die Interessenvertreter der Menschen mit Behinderungen so gar keinen Blick für positive Entwicklungen haben und manchmal frage ich mich auch, ob sie zu denen, über die sie reden, auch wirklich im Kontakt stehen. Ich habe selbstbewusste Frauen und Männer kennengelernt, die stolz auf ihre Tätigkeit sind, ohne über Negatives zu schweigen, ja, die sich engagieren für die anderen Kolleginnen und Kollegen. Diese Menschen müssen wir doch stärken.

Natürlich streite ich dafür, dass exkludierende Werkstätten abgeschafft werden müssen und dass es eine gerechte und der Tätigkeit angemessene Entlohnung gibt, die auch zu eigenen Ansprüchen aus der Sozialversicherung führen muss. Wir brauchen weder „Aufbewahrung“ noch eine diskriminierende Beschäftigung, aber über gute Träger die Inklusion zu ihrem Geschäftsfeld gemacht haben, darüber sollten wir uns freuen.

Ich jedenfalls erlebe sowohl die Träger als auch die Beschäftigten genau auf diesem Weg. Es wird ein langer Weg sein, der genau die Brücken bietet, die das Christophoruswerk baut. /Dessen bezeichne ich das gesehene als KompetenzZentrum für Inklusion, denn die „normalen“ Betriebe schaffen es einfach nicht, diese Arbeitsplatzvielfalt anzubieten die gebraucht wird. Christopheruswerk, Mühlhäuser Werkstätten, Stiftung Finneck, Lebenshilfe in Erfurt und Gera oder Diakonie Bad Lobenstein oder Saalfeld schaffen es, Arbeit in vielerlei Betrieben und Formen anzubieten. Davon konnte ich mich bei meinen Besuchen überzeugen. Wer mit den Werkstatträten darüber direkt redet, kann viel von den Ängsten spüren, wenn diese Träger pauschal in Bausch und Bogen in Frage gestellt oder gar komplett „abgeholzt“ werden sollten, wie es mir in einem bitteren Kommentar mitgeteilt wurde. Veränderung und Weiterentwicklung ja bitte, Angst und Panik nein Danke!