Aus drei mach eins… Oder, warum die Strategie mit Namen Vogel Strauß niemandem weiterhilft.

Vor einigen Tagen habe ich dem Evangelischen Pressedienst (epd) ein längeres Interview gegeben. Mein Anliegen war es damit, die Debatte zu den Themen „kirchliches Arbeitsrecht“, „Ablösungen der Staatsleistungen“ und „Kirchensteuerrecht“ weiterzuführen, die es seit Jahren mehr oder weniger laut, bzw. intensiv, aber gleichwohl sehr emotional in unserer Gesellschaft gibt.

Aus meiner Sicht kann es nicht sein, dass sich Politikerinnen und Politiker immer nur im Rahmen tagesaktueller Ereignisse bewegen und äußern. Ich finde es wichtig, wenn gerade wir als gesellschaftliche Akteure den Mut haben, uns in Debatten einzubringen, die nur zum Teil mit dem zu tun haben, was gerade ansteht, sondern sich auch mit Fragen auseinandersetzen, die gesellschaftlich debattiert werden. Dass ich als Christ ein besonderes Interesse daran habe, wie sich die Beziehungen zwischen Staat und Kirche entwickeln, das sollte niemanden überraschen.

Mich überrascht, dass es offenbar schwer fällt, solche Debatten auszuhalten, ohne, dass daraus absurde Vorwürfe konstruiert werden. Was ich damit meine, werde ich etwas später ausführen.

Der Debattenbeitrag bezieht sich auf drei zusammenhängende und ineinander verwobene Themen, die gemeinsam das verfasste Verhältnis von Staat und Kirche charakterisieren.

Zunächst nochmal kurz die Zusammenfassung, der drei Themen, zu der ich mir eine gesellschaftliche Debatte wünsche:

  1. Ich stehe für ein Überdenken des sogenannten „Dritten Wegs“ im Arbeitsrecht der kirchlichen Träger. Damit wurde für den Bereich der Kirchen, allerdings auch aller kirchlichen Träger ein eigenständiges kollektives Arbeitsrecht geschaffen, das die Grundlagen aller Arbeitsbeziehungen und des Tarifsystems abweichend vom geltenden Arbeits-und Tarifvertragsrecht regelt. In Anbetracht verschiedener höchstrichterlicher Enterscheidungen hierzu in Deutschland aber auch von Anforderungen der EU, wird deutlich, dass dieser Sonderweg immer mehr in die Sackgasse führt.
    Deswegen bin ich dafür, dass für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Bereich der kirchlichen Träger kein Sonderweg mehr beschritten wird. Die Kirchen sollen im Verkündungsbereich weiterhin ihre Dinge selber regeln, da darf sich der Staat nicht einmischen, aber da wo kirchliche Träger mit anderen Betrieben im Wettbewerb stehen, müssen die Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer die gleichen sein.
  2. Ein zweites Thema, an dem mir liegt, als Christ und politisch denkender und handelnder Mensch, ist die Frage, ob es uns gelingt, die in der Weimarer Reichsverfassung geregelten Staatsleistungen an die Kirchen abzulösen. Für mich ist das eine Frage, um ein Thema, das immer wieder zu hitzigen Debatten führt, für beide Seiten zufriedenstellend zu lösen. Dazu braucht es aber sowohl einen öffentlichen Diskurs und natürlich auch Gespräche zwischen Kirche und Staat. Vor 100 Jahren wurde mit der Weimarer Reichsverfassung die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung normiert. Ich werde doch 100 Jahre später mal fragen dürfen, wann denn mal dieses Gesetz kommt.
  3. Und dann ist da der letzte Punkt. Ende letzten Jahres kam die Idee auf, die Kirchensteuer zu ergänzen um eine sogenannte „Moscheesteuer“. Hintergrund war, dass damit sichergestellt werden sollte, dass Moscheen nicht durch ausländische Quellen finanziert werden sollten. Ich habe (auch in dem obigen Interview) dargelegt, warum ich das kritisch sehe und dem Vorschlag die Idee einer „Kultursteuer“ entgegengestellt. Auch hier ging es mir darum, einen Debattenbeitrag zu leisten, ohne Anspruch darauf, dass dieser morgen bereits genau in der von mir dargestellten Weise umgesetzt werden müsse. Aber auch Atheisten und Laizisten könnten sich mit meinem Vorschlag anfreunden, denn Sie könnten ihren Verbänden selbstbestimmt ihre Zuwendung zukommen lassen und niemand wird gezwungen eine Moschee, Synagoge oder Kirche zu unterstützen. Angesichts der Kirchenaustritte sollten jedenfalls auch Kirchen über Alternativen mal nachdenken. Ich kann mir sogar vorstellen, dass Umwelt- und Sozialverbände begünstigt werden können.

Nun aber ist ausschließlich das dritte Thema meines Interviews Gegenstand der öffentlichen Debatte und Wahrnehmung und leider vor allem vor dem Hintergrund, dass ich für Steuererhöhung sei. Mir ist durchaus bewusst, dass das kein einfaches Thema ist und dass sich damit viele Fragen verbinden. Aber wenn wir perspektivisch debattieren, dann halte ich es für legitim, dass wir uns auch in Nachbarstaaten umsehen und überlegen, ob nicht andere Modelle für uns nutzbar sind, ohne eine direkte Blaupause zu sein. Ich habe daher auf die „Kultursteuer“ in Italien, den „otto per mille“ verwiesen, die bei 0.8% der Lohn- bzw. Einkommensteuer liegt und den Steuerbürgern einen Freiraum bietet, wem diese Steuer zugutekommt. Lisa Beckmann und Benjamin Hoff haben dazu im „Freitag“ ausführlicher geschrieben.

Mich ärgert er sehr, wenn wir solche Debatten nur mit Schlagworten führen. „Ramelow plädiert für Kultursteuer“, meldet der MDR. Tatsächlich habe ich im Interview mit dem epd gesagt, dass ich das italienische Modell „überaus spannend“ finde. Das ist aus meiner Sicht ein gewichtiger Unterschied.

Haben wir noch miteinander die Fähigkeit Debatten zu führen, ohne das mit Unterstellungen zu verbinden. Ich nehme Argumente natürlich zur Kenntnis. Mir ist bekannt, dass die Mehrheit der Thüringerinnen und Thüringer keine Kirchensteuer zahlt und eine allgemeine „Kultursteuer“ diese dann belasten würde. Aber auch diese Steuerbürger bezahlen mit den Staatslasten oder auch Ewigkeitskosten die Kirchen, auf Grundlage des Reichsdeputationshauptbeschlusses (https://de.wikipedia.org/wiki/Reichsdeputationshauptschluss) und der Weimarer Reichsverfassung mit.

Besonders absurd ist die Behauptung, dass ich damit den Staat von Ausgaben im Bereich „Kultur“ entlasten wolle und es die Bürgerinnen und Bürger richten sollten. Zum einen sind natürlich Steuern auch jetzt schon die Basis für alle Ausgaben der öffentlichen Hand und zum anderen bin ich sehr dafür, dass der Staat in der Lage ist, die nötigen Investitionen und Leistungen in allen Bereichen seines Handelns leisten zu können. Die „Kultursteuer“ kann da allenfalls eine Ergänzung sein, die noch dazu, jedem Einzelnen, anders als bei allgemeinen Steuern, zu entscheiden, wem seine „Steuer“ zugutekommen soll. Dass dann darüber geredet werden muss, wen wir wie mit einer solchen Steuer belasten, auch das muss debattiert werden. Aber im Zentrum meiner Überlegungen, ich wiederhole es gern nochmals, stand die Frage, wie wir die Beziehungen zwischen Staat und Kirche in Zukunft regeln und gestalten wollen. Und das beinhaltet aus meiner Sicht drei wesentliche Elemente, die ich oben aufgeführt habe.

Ich plädiere dafür, dass wir uns miteinander dieser Debatte nicht verschließen und auf Überspitzungen und „Schaum vorm Mund“ verzichten. Über jeden Debattenbeitrag zu diesem Thema freue ich mich sehr und hoffe, dass wir am Ende gemeinsam gute Ergebnisse erreichen, sowohl im Arbeitsrecht, als auch bei der Ablösung der Staatsleistungen und dem Kirchensteuerrecht.

PS: Kirchensteuer zieht man bei der Einkommensteuer wieder als Sonderausgaben uneingeschränkt ab. Wer näheres dazu wissen will kann sich hier im Schnellüberblick informieren: https://www.finanztip.de/kirchensteuer/

Und so wäre es mit der Kultursteuer eben immer auch. Nur wäre dann die Steuerbe- und entlastung für alle Steuerbürger gleich.