Weihnachtsgrüße aus Venedig

Frohes Fest und besinnliche Weihnachten wünsche ich aus Venedig! Nächstes Jahr stehen viele große und spannende Aufgaben an und ich hoffe, dass wir alle gemeinsam unsere gesteckten Ziele erreichen. Vorher machen die beste aller Ehefrauen und ich aber noch mal den Kerkeling und sind mal für ein paar Tage weg. Nur die rote Ente durfte mit ;-).

Wir wohnen hier in der Lagunenstadt zwischen der evangelisch-lutherischen und der Waldenser Kirche. Die Heimat ist also nicht wirklich fern, wir haben in einem Laden für Antiquitäten und Weihnachtsschmuck auch schon original Weihnachtskugeln aus Lauscha gefunden. Den heutigen Abend verbringen wir mit unseren jüdischen Freunden im jüdischen Viertel der Stadt und anstatt Gans gibt es koscheres Essen.

Zum Schluss möchte ich noch mal meinen Text zur Debatte über die Zukunft Erfurts empfehlen. Wir grüßen vom anderen Ende der Via Imperii! 🙂

Wer die Perspektive ändert, sieht die Dinge in einem ganz anderen Licht.“ (Engelbert Schinkel)

Vor weit über tausend Jahren prägte eine internationale Straßenan- und -verbindung den Entwicklungsprozess der Stadt, die heute die Landeshauptstadt Thüringens ist. Warenströme, verbunden mit dem dazugehörigen Kaufmannspersonal, beeinflussten das städtische Baugeschehen, Stadtentwicklung, aber auch die Prosperität einer mittelalterlichen Ansiedlung, die „zufällig“ an genau der Stelle zum Erfolg verurteilt war, an der die Warenströme durch eine flache Furt das Wasser durchqueren konnten. Diese Furt gab der Stadt den Namen, aber die Via Regia als Verbindungslinie zwischen Santiago de Compostela in Spanien und Moskau oder den Hafenstädten Brügge und Antwerpen und Kiew ließ Warenströme und Verkehr durch Erfurt fließen. Auch die Kupferstraße von Jütland nach Rom führte durch Erfurt. Den noch größeren Sprung in der Stadtentwicklung erreichte Leipzig, wo Via Regia und Via Imperii sich kreuzten.

Der Straßenverbindungsweg zwischen Rom, Venedig und Florenz einerseits und der gewichtigen Handelsstadt an der Ostsee, Stettin, andererseits, kam zu der bedeutenden Via Regia noch hinzu.

Betrachtet man diese beiden traditionellen Handelswege und die über Jahrhunderte wirkende Verkehrsinfrastruktur, dann kann man daran ablesen, dass es in Erfurt die Bürgerschaft im Mittelalter durch geschicktes Agieren geschafft hat, den Reichtum ihrer Stadt mit dem Segen des Handelsweges zu verbinden.

Tausend Jahre Tradition rückschauend zu betrachten, fällt leicht, weil man Quellen studieren kann. Aber 37 Jahre Entwicklung in die Zukunft zu projizieren fällt natürlich schwerer, weil man schnell in die Gefahr gerät, Entwicklungen vorhersehen zu wollen, die vielleicht nicht vorhersehbar sind oder sich völlig anders abspielen oder weil man Gefahr läuft, argumentativ unter die Räder von denjenigen zu geraten, die über den eigenen Tellerrand nicht schauen möchten.

Warenströme verändern die Welt

Das Europäische Handelsnetz von den Hafenstädten Stettin, Antwerpen, Brügge über Rom, Florenz, Venedig in Verbindung mit Prosperierenden Zentren wie Moskau, Kiew oder Paris, Augsburg und Köln durchkreuzte den mitteldeutschen Raum und die Waren durften in den städtischen Mauern beschützt verbleiben, wenn die Händler bereit waren, sie zum Handel anzubieten.

Mit der Blaufärbepflanze, dem Waid, hatte man auch ein eigenes Handelsprodukt, das aus der Region des Thüringer Beckens genau über diese internationalen Fernhandelswege zur Verbreitung gelangte.

Handel prägte den Wandel in Erfurt und in Leipzig. Gemessen an tausendjähriger Entwicklung war es eine Erfolgsgeschichte, von der heute noch die Leipziger Messehäuser künden und in Erfurt ist das sichtbarste Zeichen einer stolzen Kaufmannschaft die Krämerbrücke, die einzige bebaute Handelsbrücke diesseits der Alpen.

Die 23 Jahre seit der Wende und die 40 Jahre DDR-Geschichte sind dagegen nur eher kurze Etappen und selbst die Industrielle Revolution hatte zwar heftige, aber eher kurze Einflüsse auf Bau-und städtische Entwicklung. Prägender für den jetzigen und zukünftigen Status sind tatsächlich die Eisenbahnbauwerke, denn die lösten den mittelalterlichen Handelsverkehr ab und veränderten das Stadtbild stark.

Verkehrswege prägten die Entwicklung dieser Stadt

Das alles ist nicht alleinentscheidend für das, was sich in den nächsten 37 Jahren bis zur Mitte des jetzigen Jahrhunderts an Entwicklung noch zeigen könnte, zeigen müsste und wofür heute die Weichen zu stellen wären.

Nicht ohne Grund sind die Bezugspunkte dieses Diskussionsangebotes die Via Regia und die Via Imperii, denn mit diesen Handelswegen, diesem Straßensystem, wurde die hohe Zeit der Thüringer Städte im Mittelalter eingeläutet und geprägt. Auch die spätere Entwicklung in der Zeit der industriellen Revolution, bei der Städte wie Gera und Zwickau zu ungeahnten Industriezentren wurden, von deren Glanz allerdings nur noch äußere Bauhüllen zeugen, macht deutlich, dass Entwicklungsauf- und abstiege viel früher angelegt sind, als es der jeweilige Niedergang einer Industrie andeutet.

Das Büromaschinenwerk in Sömmerda hat dieses kleine Ackerbürgerstädtchen zu einer ungeahnten Industriestadt gemacht und im Erfurter Brühl waren die Produktionshallen der Optima der industrielle Kern, der auch für westdeutsche Versandhändler tätig war. Bei den Reiseschreibmaschinen unter dem Namen „Privileg“ ahnte man nicht als westdeutscher Bürger, dass diese vom VEB Optima aus Erfurt kamen. Heute gibt es die meisten Versandhändler nicht mehr und das Büromaschinenwerk sowie die Optima auch nicht.

Trotzdem vollzieht sich rund um Erfurt eine explosionsartige Entwicklung in Bezug auf Online-Handelsstrukturen (u.a. Zalando, redcoon und vier Onlinehändler, die Fiege WDZ abwickelt) und Logistikzentren wie KNV oder Ikea mit tausenden auch (noch) unterdurchschnittlich bezahlten Arbeitsplätzen.

Musste zu Zeiten der Via Regia alles auf Karren und Tragetiere verladen werden, so kamen später Eisenbahnen und LKW’s hinzu, die auf viel längeren Strecken Waren transportierten. Bei diesem Warentransport musste nichts mehr getauscht oder gehandelt werden, um den Schutz der städtischen Befestigungen nutzen zu können.

Als in Erfurt die Schutzmauern/Stadtmauern abgerissen wurden, war dies aber der Beginn der Eisenbahnrevolution in der Stadt. Genau auf der alten Stadtmauer liegen die heutigen Eisenbahnfernverkehrsverbindungen und so konnte eine rasende Entwicklung im Transportwesen vorangetrieben werden, ohne dass weitere Teile der Stadt hätten abgerissen werden müssen. Der eine Entwicklungsschritt (Schutz durch die Stadtmauer) vollzieht sich über dem anderen (Bahnhof um den sich der Stadtkern neu formiert) , und wenn man die Dinge nicht bedenkt, kann es auch sein, dass der eine Entwicklungsschritt den anderen irgendwann durch Kannibalisierung verdrängt (Versandhandel versus Onlinehandel).

Mit dem Ende der DDR kam auch das Ende der Volkseigenen Betriebe und ihre Form der konzentrierten Industrieproduktion, weit verbreitet im Thüringer Becken und auch in Erfurt, verschwand rasend schnell.

Auf dem Gelände der Optima stehen heute die Oper und eine ganze Reihe von gut ausgebauten Alten- und Pflegeheimen sowie viele Häuser von jungen Familien mit Kindern.

Denkmale weichen

Wünschenswert wäre sicherlich gewesen, wenn die Shedhalle im Brühl (die älteste englische Industriearchitektur auf dem europäischen Festland) und der alte und wunderschöne Inselbahnhof ihren Denkmalschutzcharakter behalten hätten und wenn aus diesen Denkmalen mit ihrer historischen Substanz eine eigene Entwicklung entstanden wäre. Der Wunsch ist leider Vergangenheit, denn beide sind abgerissen worden. An Stelle des einen steht jetzt die Oper und bei dem anderen ist das modernste Eisenbahndrehkreuz Deutschlands entstanden.

Wo sich Ströme kreuzen, ist entscheidend

Noch ist es nicht ganz fertig, aber bald – 2017 und den Folgejahren – wird es zum modernsten Umsteigedrehkreuz der Bundesrepublik Deutschland und im ICE-Vertaktungsnetz auch vergleichbar mit der Kreuzungswirkung der alten Handelsstraßen.

Der entscheidende Unterschied ist nur, dass diesmal der Kreuzungspunkt nicht in Leipzig liegt, sondern in Erfurt. Unvergleichlich ist auch das Tempo, in dem diese Entwicklung auf uns zueilt.

2017 und in den darauffolgenden Jahren wird entscheidend sein, ob wir Personenströme, die Erfurt in rasender Geschwindigkeit durcheilen, umlenken, etwas verzögern oder möglicherweise auch anhalten lassen können. Dazu muss man sich aber im Klaren sein, welche Weichen heute zu stellen sind: Ziel ist, in den nächsten Jahren Menschen einzuladen in der Stadt eine Zeit zu verweilen.

Waren es vor tausend Jahren die Händler, die eingeladen wurden, in der Stadt zu bleiben, um ihre Ware feil zu bieten und im Gegenzug den notwendigen Schutz zu erhalten, so werden es in Zukunft z.B. Großorganisationen sein, die deutschlandweit die idealsten Plätze suchen, um große Kongresse, Tagungen und Konferenzen durchzuführen.

Ein Bahnhof in der Mitte Europas

Es werden zukünftig mit der ICE-Vertaktung die Nord-Süd- und die Ost-West-Verbindungen so aufeinander abgestimmt sein, dass man am Bequemsten in Erfurt umsteigen oder die Fahrtrichtung ändern kann. Fahrtzeiten von unter drei Stunden von München nach Erfurt, unter zwei Stunden von Frankfurt oder Berlin nach Erfurt; das heißt auch, unter fünf Stunden Fahrzeit von Berlin nach München, um nur einige Kennziffern zu nennen.

Das sind Fahrzeiten, bei denen sogar Flüge unattraktiv werden, da man bequem und entspannt von einer Metropolmitte zu einer anderen Metropolmitte fahren und dabei arbeiten kann.

Bislang musste man in Erfurt unter der Bekanntheit Weimars mehr oder minder leiden (Zugezogene empfinden das als irrrelevant). Als der Erfurter Flughafen den Namen Weimar-Erfurt bekam, stöhnten einige in Erfurt auf, aber Fakt ist und bleibt, dass Weimar durch seine kulturelle Prägung und durch das Kulturhauptstadtjahr weltweit einen guten Namen hatte und immer noch hat. Häufig genug wird außerhalb Thüringens die Frage gestellt, woher man käme und nicht selten wird in Westdeutschland die Antwort „Erfurt“ dann eher mit „Herford“ verwechselt. Das mag einen Thüringer schmerzen – aber wir liegen territorial in der Mitte und im Bewusstsein leider nicht.

Dies schadet erst einmal nichts, solange die Konferenz-, Kongress- und Tagungsentscheider nicht mit der Frage konfrontiert sind, wo in Zukunft am Optimalsten große Konferenzen durchgeführt werden und dann der Name der Thüringer Landeshauptstadt nicht präsent wäre.

Es wird aber nicht nur vom Namen her wichtig sein, sich international und deutschlandweit bekannter zu machen, sondern es müssen die Voraussetzungen geschaffen werden, damit die Entscheider Gründe erkennen können, warum es sich lohnt, Stunden oder Tage in der Nähe eines der wohl bald wichtigsten ICE-Drehkreuze zu verweilen.

Denkt man sich dann das Autobahnnetz noch dazu, so kommt rund um das Erfurter Kreuz mit der A71, der A4 sowie mit dem fast geschlossenen Erfurter Ring eine weitere tragende Verkehrsader hinzu, die sich mit der A73 verbindet. Diese wird derzeit noch Richtung Harz zur A38 weiter ausgebaut und selbst Richtung Nordhausen wird es irgendwann eine optimalere Autoverbindung geben. Das heißt, beim Straßen- und beim Schienenverkehr wird es einen inneren und einen äußeren Impuls geben, so dass Erfurt zumindest zu einer Traktionsmetropole wird. Andere Städte versuchen sich künstlich zu Metropolregionen zusammenzuschließen. Wir werden faktisch eine Metropolregion, allerdings ohne die städtebauliche Hülle.

Das ICE-Kreuz ist eine viel größere Chance, als es der Erfurter Flughafen jemals gewesen ist oder sein wird. Die Belastungen durch die ICE -Trasse durch den Thüringer Wald und den Autobahnausbau, die mit Schadstoffbelastung und Flächenverbrauch einhergehen, sind zu beklagen, aber beide Natureingriffe sind erfolgt. Wir als Partei und ich als Person standen der ICE-Trasse durch den Thüringer Wald eher ablehnend gegenüber. Ich war überzeugt, dass das Geld sinnvoller in die Mitte-Deutschland-Bahn und in den Ausbau der Saalebahn mit einem optimierten Umsteigepunkt in Jena hätte eingesetzt werden müssen. Heute gilt es, den Realitäten ins Auge zu sehen und anzufangen, die Konsequenzen für die nächsten wenigstens drei Jahrzehnte zu ziehen. Dazu gehört es auch, den Flughafen zurückzuentwickeln. Es lohnt nicht, von den großen Chancen im Wettbewerb mit Halle-Leipzig zu träumen und dabei zu übersehen, das per ICE der Nachbarflughafen in 43 Minuten erreicht werden kann. Hier muss das Konzept geändert werden. In Erfurt am Bahnhof einchecken und in Leipzig abfliegen, das wäre sinnvoll und würde dem Steuerzahler Geld sparen. „Mitteldeutsches Flugverkehrskonzept“ hieß das, was die drei Landesregierungen bis heute schuldig geblieben sind.

Thüringen auf die Schiene setzen

Das Erfurter ICE-Kreuz muss eingebettet werden in ein attraktives Thüringer S-Bahn-Netz, bei dem Weimar und Jena wenigstens im 20-Minuten-Takt angebunden sind. Der Verlust der Haupt-ICE-Trasse über Weimar und Jena ist schmerzlich, kann aber nicht durch einzelne Tagesrandlagen von ICE-Zügen oder durch dazu gekaufte Fernverkehrsverbindungen kompensiert werden.

Optimaler wäre es, ein sternartiges S-Bahn-Netz, ausgehend vom Erfurter Hauptbahnhof, pulsierend für ganz Thüringen mit einer dichten Vertaktung zu erreichen. Damit ließe es sich bequem und ohne Wartezeit von und nach Erfurt und nach ganz Thüringen, sowie darüber hinaus bis Kassel, Bad Hersfeld, Coburg, Bamberg oder Naumburg kommen.

Saalfeld muss neu von Erfurt aus angebunden werden, denn Saalfeld verliert seinen ICE-Halt und eine Kompensation wird schwerlich zu erwarten sein, weil die Saalebahn deutlich an Gewicht verliert. Dazu kommen dringend notwendige Landesquerungen wie Werra, Oberland oder Höllentalbahn, die endlich wieder befahrbar gemacht werden müssen.

Mit einem gut funktionierenden und vom Land Thüringen zu implementierenden S-Bahn-Netz hätten wir die Chance, völlig neue Verkehrsinfrastrukturverbindungen auf bestehenden Netzen zu erreichen.

Die Stadt Erfurt vertakten

Innerhalb Erfurts ist das hervorragende Straßenbahnsystem zu bündeln, zu optimieren und möglicherweise die eine oder andere Linie noch zu erweitern.

Auch hier gilt, dass das Straßenbahnsystem und das S-Bahn-Netz mit einem Thüringenticket nutzbar gemacht werden muss. Notwendig ist, endlich einen einheitlichen landesweiten Verkehrsverbund auf den Weg zu bringen.

„Erfurt vertaktet“ wäre die Überschrift; also die Vertaktung der Bewegungsräume in Erfurt mit dem Straßenbahn- und Bussystem, die Vertaktung Thüringens über die S-Bahn aus dem Erfurter ICE-Kreuz und die Europäische Vertaktung aller Fernverkehrslinien, auf denen Menschen durch Erfurt reisen – oder, wenn die Voraussetzungen stimmen, zum Anhalten, zum Verweilen gebracht werden. Dazu kämen Elektroautos als Car-sharing-Angebot, Stromtankstellen, bevorrechtigte Parkplätze für E-Autos und endlich ausreichende Fahrradwege quer durch die ganze Stadt. Erfurt bekämpft CO2- und Feinstaub-Belastungen mit dem Angebot, Fahrradstadt sein zu wollen, und neben dem gut ausgebauten ÖPNV-Angebot ein ergänzendes System von Elektromobilität aufzubauen. Innerstädtisch soll möglichst wenig Individualverkehr unterwegs sein, stattdessen sollen Park&Ride-Parkplätze rund um die Stadt und mit attraktiven Kombiangeboten genutzt werden: Parken und dann mit der Straßenbahn fahren.

Kongresse brauchen Räume, Tagungen brauchen Service und Platz

Voraussetzungen für die „tausend gute Gründe, überall in Deutschland über Erfurt als Tagungsort nachzudenken“, wären Konferenzzentren, Kongressangebote, Übernachtungskapazitäten und Tagungsmöglichkeiten, die die Stadt als attraktiven Standort deutschlandweit prägen und präsentieren.

Die Messegesellschaft und das Messegelände Erfurt sind jetzt schon am Rande ihrer Kapazität angekommen. Deshalb sind die Diskussion um die Multifunktionsarena und die Frage, ob die Sanierung des Steigerwaldstadions eine Alternative wäre, tatsächlich wohlfeil und viel zu klein. Das Steigerwaldstadion muss sowieso saniert werden und es hätte damit schon seit 2010 beginnen können und auch müssen. Es jetzt auch nur im Ansatz ist Frage zu stellen, wäre grob fahrlässig. Aber längst müssten auch die Baukräne der ICE-City West stehen und es ist eine Schwerpunktplanung nötig, so dass neben der Messe Erfurt und der Kaisersaal GmbH direkt am Bahnhof ein größeres Kongresszentrum entsteht. Ein Zentrum, das genau auf die hier beschriebenen Kongresskapazitäten ausgerichtet ist, um die Chancen des Bahnhofes überhaupt nutzen zu können.

ICE West und vielleicht noch ein paar Flächen im Areal von ICE-City Ost sind längst überfällig, um sie in eine Generalplanung einzubeziehen, um rund um den Bahnhof fußläufig erreichbare Angebote zu schaffen, in denen Konferenzen von bis zu 3.000 Menschen problemlos untergebracht werden können.

Steigerwaldstadion sofort sanieren

2010 wurde von mir ein kompletter Sanierungsplan für das Steigerwaldstadion vorgelegt und mit allen Fraktionen im Thüringer Landtag und Erfurter Stadtrat besprochen. Zur Realisierung wäre eine Patronatserklärung des Landes Thüringen notwendig gewesen und das Steigerwaldstadion hätte in eine Eigenbetriebs-GmbH gewandelt werden müssen.

Alternativ entstand daraus ein Finanzierungsvorschlag als Multifunktionsarena mit überregionalem und touristischem Schwerpunkt. Hierfür liegt ein rechtskräftiger Fördermittelbescheid vor.

Kommt das Kongresszentrum am ICE-Bahnhof nicht, wäre die MFA eine qualitativ gute Variante. Würde aber das Land die Sanierung des Stadions garantieren können und der Vorschlag von Herrn Mohring (CDU) verbindlich Rechtskraft erlangen, müssten hierfür jetzt sofort Weichen gestellt werden. Konkurrierende Kongressstrukturen wären eine Katastrophe.

Erfurt muss als Name überregional präsent sein

Erfurt muss es aber auch gelingen, sich deutschlandweit vielfältiger zu präsentieren. Bei der Forderung, Erfurt auf die TV-Wetterkarte zu bringen, hat es sich keineswegs um eine Posse gehandelt – im Gegenteil.

Da spielt es schon eine Rolle, ob Rot Weiß Erfurt in einer der oberen Ligen spielt oder das Thüringenderby RWE gegen Carl Zeiss nur als regionales Fußball-Highlight läuft. Die Sportschule Erfurt ist ein wichtiger Werbeträger, der Olympiastützpunkt, das Leichtathletikzentrum, der Radsport sowie das Eissportleistungszentrum und eventuell irgendwann auch wieder das Eishockey tragen den Namen Erfurt hinaus in die sportbegeisterte Welt.

Der Bereich Gartenbau ist mit der „Blumenstadt Erfurt“ unverrückbar verbunden. Die Entwicklung der IGA zur EGA, das Gartenbaumuseum, aber auch die Fachhochschule und das Landesamt für Gartenbau sind wichtige Teilelemente, die neben unseren Samenhändlern und dem Sukkulenten-Versandhandel den Namen unserer Stadt ebenso in die Welt transportieren wie das absolute Highlight, die bevorstehende Bundesgartenschau 2021. Richtig ist, dass es bei der Finanzierung der BUGA immer noch viele Fragezeichen gibt. Richtig ist aber auch, dass in einer Phase, in der Erfurt sich als Kongresszentrum völlig neu prägen kann und muss, diese Bundesgartenschau ein wichtiger Werbeträger sein wird.

Schon jetzt ist der Weihnachtsmarkt einer der größten in Deutschland. Man mag als Einheimischer traurig sein, dass man fast keinen Stehplatz mehr auf seinem Gelände bekommt und sicherlich ist die Weinseligkeit, manchmal auch vermengt mit dem Gedudel der endlosen Weihnachtsmusik, für Anwohner entnervend. Für Besucher der Stadt ist es aber ein Highlight, das in der Oberklasse aller Weihnachtsmärkte in Deutschland mithalten kann. Hunderte Busse und endlose Menschenschlangen vom Bahnhof zum Domplatz belegen den Erfolg.

Erfurt hat sich „geputzt“

Erfurt ist einst gewachsen durch Waid und Handelsmarktplätze. Erfurt ist aber auch zur „Puppenstube“ geworden und nach der Wende war es gut und richtig, so viel Geld in Sanierungsmaßnahmen bestehender und fast verfallender Bausubstanz zu lenken. Die Stadt hält mittlerweile dem Vergleich mit Rothenburg ob der Tauber, mit Dresden oder anderen wunderschönen Städten stand.

Nun heißt es, die vorhandenen Imageträger wie das Domstufenfestival weiter zu entwickeln, aber auch für das Binnenklima bedeutende Veranstaltungen wie die Fete des Music und die der Innenstadtbelebung verbundenen Gauklerfeste, Krämerbrückenfest etc. als festen Bestandteil zu pflegen.

Unbestreitbar gehören zu den prägenden Elementen Erfurts die Krämerbrücke, der Domberg, die Domstufen und der Domplatz, aber auch die Zitadelle Petersberg. Hier wären endlich die Baumaßnahmen weiter voranzubringen. Die Zitadelle Petersberg braucht einen gemeinsamen Entwicklungsprozess mit der Defensionskaserne. Unser Plan, dort das Zentrum für Denkmalschutz und Denkmalpflege anzusiedeln und die Defensionskaserne Stück für Stück zu sanieren, um sie dann gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Denkmalpflege der Bauhaus Universität und dem Kunstbereich der Burg Giebichenstein mit Leben zu füllen, ist ein Vorschlag, um das größte Flächendenkmal Thüringens weiter zu beleben.

Andere Varianten gibt es auch, aber von uns wurde zumindest ein komplettes Petersberg-Entwicklungskonzept vorgelegt. Wichtig ist, dass nicht mittendrin die unsanierte Defensionskaserne als städtebauliche „Wunde“ bestehen bleibt. Als Drehort für den „Tatort“ ist das Gebäude ja schon bekannt worden, es als Kunstort mit Werkstätten, Galerien und Ateliers zu entwickeln, wäre es ein Sprung nach vorn. Schon jetzt ist die Zitadelle ein unglaublich belebter Ort, der neben dem Domberg die Stadt prägt.

Vielfalt erhalten

Die Krämerbrücke stellt einen Beweis dafür dar, dass man eine Händlervielfalt behalten kann, ohne Handelshemmnisse gegenüber anderen Handelsplätzen zu verlangen. Das Geheimnis der Krämerbrücke ist ihre Stiftung, die als Eigentümerin selber darauf achtet, Vielfalt auf der Brücke zu behalten. Wer immer diese Entscheidung mit auf den Weg gebracht hat, sie ist eine großartige gewesen. Solche Räume auch des Schutzes müssen in der Innenstadt weiter entstehen und eventuell ist für die Lange Brücke ein eigenes Entwicklungskonzept auf den Weg zu bringen. Ein Schutz der Innenstadt durch die Abwehr von weiteren Handelsansiedlungen funktioniert angesichts der Konkurrenz der Städte untereinander nicht mehr. Schon jetzt gibt es kaum noch einen inhabergetragenen Laden, der Warenvielfalt beinhaltet und einer besonderen Note Ausdruck verleiht. Auch wenn es wünschenswert wäre, mehr solcher inhabergeführten Läden der Warenvielfalt zu haben, sind die Realitäten bedauerlicherweise andere. Schon jetzt existieren zu viele uniforme Läden, die unsere Innenstadt, aber auch alle benachbarten Innenstädte, prägen.

Diese stehen unter besonderem Konkurrenzdruck, der vom Internethandel ausgeht.

Die Innenstadt Erfurts ist zusammenzudenken mit vier Antriebskräften. Eine zentrale wird der ICE-Bahnhof sein, angeschlossen mit dem S-Bahn-Konzept und damit verbunden mit dem Entwicklungsbauprojekt ICE-City West. Hier ist die Frage des Thüringenparkes mit zu betrachten, nachdem das Kultur- und Freizeitzentrum verschwunden ist. Der Thüringenpark liegt an einer Verkehrsmagistrale und könnte problemlos deutlich vergrößert werden, wenn das Konzept direkt mit dem Straßenbahnsystem verbunden wird. Ein deutlich erweiterter Thüringenpark mit entsprechenden Parkflächen und einem Parkscheinsystem, mit dem man anschließend Straßenbahn fahren kann, würde weit über die Stadtgrenzen hinaus Kaufkraft anziehen und nicht die Kaufkraft aus der Stadt abziehen.

Thüringen und Erfurt verschlafen ihre Zukunft, wenn jetzt nicht endlich gehandelt wird

Fast auf der gegenüberliegenden Seite der Stadt der alte Schlachthof. Der Besitzer hat in anderen Städten bewiesen, dass er Stadtentwicklung konsequent betreiben kann und ein ganzes Factory-Outlet-Center (FOC) für das Schlachthofgelände als Modell vorgestellt. Warum gelingt es nicht, über dieses FOC parallel zum Thüringenpark und dessen Erweiterung nachzudenken?

Warum sollte man sich nicht in dem Segment der Waren, die in einem Factory-Outlet-Center gehandelt werden, darauf konzentrieren, eine Größe zu erreichen, die dann tatsächlich bis Baden-Württemberg ausstrahlt und damit in das Herz der Factory-Outlet-Warenpräsentation eindringen würde?

Warum wollen wir es nicht wagen, mit Metzingen Konkurrenz aufzunehmen?

Anbinden müssen wir dann dieses Gelände an zwei Seiten und es intelligent mit der Stadt verbinden. Auf der einen Seite muss der Verkehr problemlos vom Autobahnring in das FOC gelangen und andererseits wäre es wünschenswert, eine Straßenbahnverbindung in das ganze Netz zu haben: Parken im FOC oder im Thüringen Park und in der Altstadt schlendern. So hätte man zwei weitere Motoren neben dem Hauptmotor dem ICE-Bahnhof, um Kaufkraft weit über die Grenzen der Stadt Erfurt und vor allem weit über Thüringen hinaus zu binden.

Deshalb ist es eine Klein-Klein-Debatte, im Moment über die Sanierung des Steigerwaldstadions als Alternative zu einer Multifunktionsarena zu debattieren, ohne Entwicklungsprozesse der gesamten Stadt im Blick zu haben. ICE-City West ist nicht eine Frage, die man konkurrierend zur LEG-Planung der ICE-City Ost erörtern kann oder die sich gar wechselseitig paralysieren würden. Dieser Gegensatz ist schon falsch. Denn tatsächlich blockieren sich diese Projekte und letztlich passiert gar nichts. Das wäre das Gefährlichste für die Zukunft der Stadtentwicklung. Auch ist es nicht hilfreich, den Thüringenpark gegen die Innenstadt zu setzen oder das FOC als Fehlentwicklung für die Kaufkraftentwicklung in Bezug auf die 200.000 Einwohner der Stadt Erfurt. Reden müssen wir über einen „Anziehungsmotor“, der aus verschiedenen – um im automobilen Bild zu bleiben – Zylindern viel Kraft auf die Kurbelwelle bekommt. Da wäre ein Zylinder das FOC, ein weiterer der vergrößerte Thüringenpark, die Innenstadt ist es sowieso und dazu käme ein internationales Konferenz-, Kongress- und Tagungszentrum. Die Highlights und Markenkerne unserer Stadt, wie Gartenbau, Kultur und Sport, stehen dafür, und mit der anstehenden Internationalen Bauausstellung IBA bekämen wir auch noch die eine oder andere Baulücke in der Stadt bereinigt.

Ein Perspektivwechsel ist nötig

Warum soll die alte ungenutzte Zahnklinik, nicht endlich zu einem Zentrum für barrierefreies Wohnen sowie gemeinsames Leben von Studenten im Rahmen eines Mehrgenerationenhauses entwickelt werden?

Warum sollte die KOWO nicht eingebunden werden, um die Zahnklinik zu übernehmen und etwas völlig neues mitten in der Stadt zu initiieren?

Warum sollte nicht endlich das ewige Loch, das das Jugendtouristhotel hinterlassen hat, aufgefüllt werden durch einen Bau, der auch in diesem Bereich eine Verbindungslinie zum Schlachthofgelände darstellt?

Vernetzt muss man sich die Stadt betrachten, aber man muss einen Abstand zur Stadt gewinnen, um ihre Entwicklungspotenziale besser sehen zu können.

Da hilft ein Perspektivwechsel in zeitlicher oder räumlicher Hinsicht. Blicke auf Via Regia und Via Imperii helfen dabei und vielleicht eine Wanderung rund um die Stadt, um von weitem deren Potenziale zu sehen. Autobahn und Eisenbahn sind da oder kommen in wenigen Monaten. Das pumpende Herz dieser virtuellen Metropole in der Mitte Deutschlands und Europas wird der ICE-Bahnhof sein.

Die Frage ist, ob wir die städtischen Blutkreisläufe zusammenschließen und ob wir den Mut dazu haben, jetzt die Weichen im großen Maßstab zu stellen für 2050. Das digitale Zeitalter hat begonnen und verändert unseren Alltag, unsere Welt. Der Onlinehandel verändert Handelsstrukturen und auch Innenstädte. Er schafft aber auch neue Arbeitsplätze und revolutioniert unsere Kommunikation. Erfurt muss sich im Netz präsentieren, aber ein flächendeckendes kostenfreies WLAN wäre ein zeitgemäßes Markenzeichen. Wir müssen die Zeichen der Zeit erkennen und Weichen stellen.

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Erfurt 2050 – ein Diskussionsangebot / als PDF herunterladen
Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft – Gemeinsam mobil in die Zukunft
Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft – Konzeptvorschlag: Aufbau einer Thüringer Regio-S-Bahn