Die Frauen haben viel erreicht – aber es liegt noch ein weiter Weg vor uns
Heute ist der 8. März: der Internationale Frauentag! Aber für mich ist er kein „Feier“-Tag im eigentlichen Sinne. Es ist der internationale Frauenkampftag an dem wir an die Errungenschaften der Frauenbewegung erinnern und gleichzeitig anmahnen, dass Frauen auf der ganzen Welt noch immer um ihre Gleichstellung kämpfen müssen. Doch im Jahr 2019 hat dieses Erinnern einen weiteren – einen besonderen Charakter:
Denn wir erinnern heute nicht nur an die noch immer bestehenden Ungerechtigkeiten, denen sich Frauen im Beruf und im Alltag ausgesetzt sehen, sondern eben auch an eine der wichtigsten Errungenschaften, die sich die Frauen im 20. Jahrhundert erkämpft haben: das allgemeine Wahlrecht. Vor genau 100 Jahren, am 19. Januar 1919 fand das erste Mal in der deutschen Geschichte eine wirklich freie, demokratische Wahl statt. Nachdem andere Länder wie Neuseeland oder Norwegen schon Jahre zuvor den Anfang gemacht hatten, brachte das Ende des Ersten Weltkrieges auch das Ende der Bevormundung von Frauen im Wahlrecht in Deutschland, in Österreich, in Großbritannien und vielen anderen Ländern Europas. An diesen Schritt hin zu richtiger Demokratie sollten wir dieser Tage in besonderem Maße erinnern und auch nicht vergessen, wie hart dieses Recht auf demokratische Selbstbestimmung erkämpft werden musste. Von den unerschrockenen und unbeirrbaren Suffragetten, den stolzen Sozialistinnen oder den liberal gesinnten Frauen des Bürgertums – sie alle zeigten Mut und Entschlossenheit. Der sich am Ende auszahlte.
Und genau deshalb ist auch heute immer noch so wichtig, dass man aus der Erinnerung an die bezwungenen Hürden die Kraft schöpft, um die konkreten Kämpfe für die Rechte von Frauen überall auf der Welt weiter zu führen. Wir erinnern an Frauen wie Olympe de Gouges, die auf dem Schafott der französischen Revolution 1793 mutige verkündete „Wenn die Frau das Recht hat, die Guillotine zu besteigen, so muss ihr auch das Recht zustehen, die Rednertribüne zu besteigen“ und damit den Grundstein legte für die Generationen von Frauen nach ihr. Wir erinnern an die Frauen, die Vorbilder für ganze Generationen wurden – zum Beispiel an Valentina „Tschaika“ Tereschkowa, die erste Frau, die ins Weltall flog (und das auch noch alleine) oder Hedwig Dohm, eine große Vordenkerin der Bewegung, die bereits 1873 die völlige rechtliche, soziale und ökonomische Gleichberechtigung von Frauen und Männern forderte. Sie gab uns einen wichtigen Satz mit auf den Weg:
„Glaube nicht, es muss so sein, weil es nie anders war. Unmöglichkeiten sind Ausflüchte für sterile Gehirne. Schaffe Möglichkeiten!“
Ich finde diesen Satz wichtig. Nur weil Dinge immer so waren, sollte uns das nicht dazu verleiten zu glauben, dass sie immer so bleiben werden – oder gar müssen! 1919 hat die Bewegung einen Meilenstein erreicht. Doch im Kampf im Gerechtigkeit war es allerhöchstens eine Etappe, auch wenn uns das manche (vor allem Männer) gerne glauben machen wollen.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges haben die Frauen viele weitere wichtige Errungenschaften erkämpft. Ich erinnere an die befreiende Wirkung der Pille oder über die Abschaffung der Straflosigkeit der Vergewaltigung in der Ehe, die erst 1996 erreicht werden konnte. Bis in die 80er Jahre konnte keine verheiratete Frau ohne ihren Mann ein Konto eröffnen, oder einen Arbeitsvertrag unterzeichnen. Und die unverheirateten wurden mit dem Stigma „Fräulein“ belegt, damit gleich klar war, dass diese Person eigentlich nicht vollwertig Teil der Gesellschaft ist. Es war immer ein Kampf gegen Widerstände, den die Frauen geführt haben, auch wenn die Zahl der Mitstreiterinnen (und Mitstreiter) stetig wuchs.
Ein aktuelles Beispiel dafür sind die Frauen bei „Celenus“. Diese Frauen haben es eben nicht hingenommen, dass man sie ohne Tarifvertrag an der kurzen Leine führen wollte. Sie haben sich hingestellt, sich gerade gemacht und gesagt: das lassen wir uns nicht gefallen. Denn vor 100 Jahren ist eben auch das erste Mal die Basis für eine Tarifvertragsordnung in der Verfassung gelegt worden und genau für einen Tarifvertrag haben die Frauen von Celenus gestreikt und gekämpft. Das Ergebnis waren unerhörte Herabwürdigungen, Diskriminierung und natürlich die Allzweckwaffe der Kündigung. Aber sie halten weiter tapfer durch und dafür gebührt ihnen mein ganzer Respekt und mein ganzer Dank. Für dieses großartige Engagement wurden sie von der Fraktion DIE LINKE im Erfurter Stadtrat mit dem Frauenpreis ausgezeichnet und auch ich werde meine Anerkennung in Kürze erneut zeigen und mich mit den Frauen treffen.
Dieses Beispiel zeigt: 100 Jahre nach der Einführung des Wahlrechtes für Frauen sollten wir uns also ganz im Sinne Hedwig Dohms nicht mit den Verhältnissen abfinden, sondern überlegen, wie wir unsere Gesellschaft inklusiver und gerechter für alle gestalten können. Als Ministerpräsident werde ich daher auch weiterhin dafür eintreten, dass bestehende Ungerechtigkeiten zwischen den Geschlechtern abgeschafft werden. Dazu gehört zum Beispiel auch, dass endlich die Renten für in der DDR geschiedene Frauen auf ein angemessenes Niveau gehoben werden oder dass mehr Plätze in den Thüringer Frauenhäusern zur Verfügung gestellt werden.
Heute diskutieren wir tagesaktuell immer noch Fragen, die schon seit vielen Jahrzehnten die Frauen umtreibt. Die vollständige Selbstbestimmung über den eigenen Körper – ein Recht dass man einem Mann niemals verwehren würde – ist auch im Jahr 2019 immer noch heißt umkämpft, wenn man die aktuelle Debatte um die Abschaffung des §219a des Strafgesetzbuches denkt.
Viele weitere Ideen kommen mir in den Kopf und werden mit Sicherheit in der Diskussion um das Landtagswahlprogramm meiner Partei diskutiert werden. Es wird mir ein wichtiges Anliegen bleiben, auch weiter dafür zu sorgen dass Thüringen seinen Teil dazu beiträgt, dass wir die patriarchalen Zustände der Vergangenheit gemeinsam überwinden. Das ist mein Versprechen zum internationalen Frauentag 2019.