„Hell-dunkel-hell-dunkel-da.“ Mit 300 km/h von Erfurt nach Bamberg

Am 8. Dezember 2017 ist es soweit: Das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 8 und damit die Hochgeschwindigkeitsstrecke München – Erfurt –Halle – Berlin wird offiziell eröffnet. Die bisherigen Fahrtzeiten werden damit fast halbiert: von Erfurt nach Berlin dauert es gerade mal noch 1:40h, von Erfurt nach München ca. 2:30 h. Allein zwischen München und Berlin werden jährlich 3 Millionen Fahrgäste prognostiziert.

Neben den regulär eingesetzten ICE-T und ICE-1-Zügen, die mit 250 km/h unterwegs sind und außer den genannten Stopps auch Bamberg und Coburg anfahren, werden täglich 4 Sprinter mit der Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h unterwegs sein und jede Nacht ca. 80 Güterzüge die Strecke befahren. In Erfurt und in Thüringen werden sich diese völlig veränderten Verkehrsströme bemerkbar machen. Unter anderem profitieren wir hier touristisch, aber auch als Kongress- und Veranstaltungs- und als Industriestandort.

Deshalb freue ich mich auf die Eröffnung und werde natürlich auch bei der Festveranstaltung im Dezember mit von der Partie sein. Geplant ist eine Eröffnungsfahrt von München nach Berlin. Horst Seehofer steigt als Erster in den Zug, ich stoße in Erfurt hinzu, und Rainer Haseloff in Halle und gemeinsam werden wir in Berlin durch die Kanzlerin in Empfang genommen und an der großen Eröffnungsfeier teilnehmen. „So weit so gut“, dachte ich mir beim ersten Anblick des geplanten Zeremonienablaufs. „Aber wie soll ich mir auf diese Art den neuen Streckenabschnitt, der durch Thüringen verläuft, anschauen? Wenn ich zusteige, hat der ICE diesen bereits passiert.“

Und diese Strecke wollte ich unbedingt sehen! Immerhin war sie Gegenstand einer langwierigen, politischen Diskussion. Ich selbst sah sie anfangs kritisch. Anfang der 90er waren auch günstigere, alternative Routen im Gespräch. Als die Planung aber bereits in vollem Gange war und die rot-grüne Bundesregierung Anfang der 2000er den Bau stoppen wollte, war für mich die Sache jedoch klar: Die „Vogel-Fluglinie“ (Bernhard Vogel hatte sich seinerzeit sprichwörtlich das Bein für diese Verbindung ausgerissen…) musste kommen! Ich bin ihm heute ausgesprochen dankbar für seinen Einsatz.

Aus diesem Grunde habe ich ihn auch eingeladen, als sich für mich sein Traum erfüllte. Leider war Bernhard Vogel verhindert und so „flogen“ wir ohne den Vater des Gedankens, in einer kleinen Gruppe von ca. 15 Leuten binnen 43 Minuten durch den Thüringer Wald.

Die Bahn bot mir – gemeinsam mit ausgewählten Thüringer Journalist/innen – eine Testfahrt auf der neuen Strecke an. Wir durften dabei sein, als ein Lokführer auf der Teilstrecke Erfurt – Bamberg geschult wurde. Ich selbst durfte im Cockpit, direkt hinter dem Lokführer platznehmen und verfolgte gebannt die Fahrt:

Aus der Sicht poetisch veranlagter Zeitgenoss/innen ein fulminantes Beispiel modernster Zugtechnik, sozusagen „konzentrierte Lässigkeit“. Die Geschwindigkeit, mit der der ICE mühelos Höhenmeter überbrückt und durch den acht Kilometer langen Bleßbergtunnel gleitet, ist für die Reisenden kaum spürbar. Aus pragmatischer Sicht immer noch eine angenehm kurze Verbindung zwischen zwei Ländern. Bei 300 km/h durch 22 Tunnel und über 29 Brücken. Hell-dunkel-hell-dunkel-da.

In Bamberg angekommen, spüre ich die Begeisterung meiner Mitreisenden. Ich selbst freue mich sehr, ein solches Zukunftsprojekt aus nächster Nähe zu erleben.

Für mich ist klar, dass diese Verbindung nur 50% ausmacht. Genauso wichtig ist die West-Ost Verbindung Stuttgart – Wiesbaden / Frankfurt und Leipzig / Dresden. Ich habe eine verbindliche Zusage des Bundes zum Ausbau der Mitte-Deutschland-Verbindung von Erfurt nach Gera in der Tasche, für die ich hart gekämpft habe. Der nächste Schritt zur Anbindung Ostthüringens und Stärkung Erfurts als Verkehrsknotenpunkt wird ein Fachgespräch zum Bahnverkehr am 29. November 2017 in Jena sein. Auf diese Weise will ich mich mit meiner Landesregierung dafür stark machen, dass nicht allein Erfurt, sondern alle Landesteile von der neuen schnellen Mitte profitieren. Diese schnellen Verbindungen werden als Standortfaktor dazu führen, dass große Konzerne – im wahrsten Sinne des Wortes – nicht mehr an Erfurt vorbei kommen. Jetzt fehlen nur noch der Lückenschluss der Werrabahn in Südthüringen für eine bessere Südanbindung im Personenverkehr und die Höllentalbahn in Ostthüringen, um mehrere hundert LKW Langholztransporte von der Straße auf die Schiene zu bekommen. 

Der „Vorführeffekt“ reißt mich aus meinen Gedanken. Eine technische Störung im Cockpit führt dazu, dass wir auf dem Rückweg auf freier Strecke halten müssen. Die Software des digitalen Signalsystems ECTS hat sich verabschiedet. Getreu dem Motto „an-aus-geht“ muss der Computer neu hochgefahren werden, bevor es weitergehen kann. Achja… Was wäre ein Ausflug ohne Abenteuer? Und was wäre eine „Testfahrt“, wenn alles einwandfrei gelänge?

Ich freue mich nach dieser gelungenen Generalprobe sehr auf die Eröffnung. Und ich bin mir sicher, dass sich kein anderer Ministerpräsident so freut wie ich.