Erinnerung als Schlüssel zur Zukunft

Heute‎ war ein angefüllter Tag. Umgehauen hat es mich, als am späten Nachmittag die Dunkelheit hereinbrach. Da haben wir gerade den Kibbuz Lehavot Haviva im Nordosten von Israel besucht. Von dort kann man auf arabisch besiedeltes Gebiet schauen. Das Westjordanland ist weniger als ein halbes Dutzend Kilometer entfernt. Der Kibbuz wurde 1949 gegründet. Einer der Gründer war Robert Büchler. Er wurde 1944 mit 15 Jahren gemeinsam mit seiner Familie nach Auschwitz gebracht und kam im Januar 1945 mit einem Todesmarsch nach Buchenwald. Dort wurde er im April 1945 von der amerikanischen Armee befreit. Sein gesamtes restliches Leben, immerhin rund 64 Jahre, widmete er der Erinnerung an den nationalsozialistischen Schrecken, aber eben auch an den Widerstandswillen seiner Opfer. Diesen Widerstandswillen nicht zu vergessen, gebietet nicht nur der Respekt vor den Menschen, die im Herzen der Barbarei ihre Menschlichkeit bewahrten. Das „Nie wieder!“ wird nirgendwo eindrücklicher als aus dem Mund derjenigen, die sich gegen den braunen Terror behaupteten. Aber diese Menschen treten einer nach dem anderen ab. Heute hat mich die Nachricht vom Tod des Vorsitzenden des Häftlingsbeirats von Buchenwald, Floréan Barrier, erschüttert.

Das Erbe von Robert Büchler lebt im Kibbuz Lehavot Haviva weiter. Dort leben in unmittelbarer Nähe zum arabischen Gebiet Menschen verschiedener Religion und Herkunft friedlich zusammen. Juden, Araber, Christen, sie alle überwinden die inneren Grenzen und leben den Frieden in einer Zeit, die nur wenig Hoffnungsschimmer kennt. Der Kibbuz wächst. Neue Menschen kommen dazu. Junge Menschen, die Kinder mitbringen und bekommen. Ich habe lange nicht mehr so viele Kinder auf einmal herum toben gesehen wie in Lehavot Haviva. ‎Das frohe Geschrei der Kinder, die eine neue Schaukel in Besitz nahmen, das ist der Klang der Hoffnung auf Frieden, den diese Region so dringend braucht.

Ich habe mich im Kibbuz Lehavot Haviva entschieden, das dort vorhandene große Wissen darum, wie man das friedliche Zusammenleben in einer Einwanderungsgesellschaft übt und vorlebt, zu nutzen. Es hat mich schwer beeindruckt, wie in diesem Kibbuz seit Jahrzehnten mit einem pädagogischen Konzept ‎Juden und Arabern eine gemeinsame Vorstellung des Begriffs Toleranz vermittelt wird. Diese Friedensarbeit, die gegenseitiges Verständnis lehrt, verdient mehr Unterstützung.  Wir wollen das Andenken an Robert Büchler mit einem nach ihm benannten Studienprogramm wahren und gemeinsame Fortbildungen für pädagogische Fachkräfte organisieren. Thüringen nimmt tausende Flüchtlinge aus Kriegsgebieten auf, die oft genug auch lernen müssen, den Hass zu besiegen und innere Grenzen zu überwinden. ‎Dieses Lernen zu fördern und zu befördern, soll Ziel des Robert-Büchler-Studienprogramms werden, das wir gemeinsam mit der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora auf die Beine stellen werden. Ich hoffe sehr darauf, dass wir weitere Partner für die Finanzierung eines solchen Modellprojekts finden.