Warum 1,5 Millionen Euro keine Hilfe für Gera sind

Meine erste Tour-Station heute Vormittag war Saalfeld und heute hat auch das Wetter wieder mitgespielt. 🙂 Sonst sage ich ja auf der Bühne immer, DIE LINKE muss die Partei der drei Ks sein: Kümmern, kümmern, kümmern. In Saalfeld stehen unsere drei Ks aber auch für Klette, König und Kräuter. Ulrike Klette ist unsere Kandidatin für die Landratswahl, die hier gleichzeitig mit der Landtagswahl stattfindet und Katharina König und Rainer Kräuter sind die Direktkandidaten für den Landtag. Ich weiß nicht, ob das schöne Wetter mit Schuld war, aber heute haben mir wieder auffällig viele Leute gesagt, dass sie die Daumen drücken. Das ist jedes Mal eine schöne Sache. Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass uns dieses Vertrauen entgegen gebracht wird und will verantwortlich damit umgehen.

Um Verantwortung geht es auch in Gera. Da war ich zwar heute nicht, aber zwischendurch, während der Autofahrten, hat es mich doch schwer beschäftigt. Da sind die Stadtwerke und die Verkehrsbetriebe in Insolvenz, es wird schon über einen Stellenabbau spekuliert und dann kommt heute der Finanzminister und will 1,5 Millionen Euro geben, damit die Gehälter der Straßenbahn- und Busfahrer bis Ende des Jahres bezahlt werden können. Das klingt eigentlich gut. Ist es aber nicht. Warum?

Die Situation ist ein bisschen komplizierter, als dass man sie mit einer kleinen Geldspritze lösen könnte. Dazu muss man aber erstmal wissen, dass die Stadtwerke bis Ende September nur in der vorläufigen Insolvenz sind. Bis dahin könnte die Insolvenz rückabgewickelt werden. Dazu müssen nur die Gläubiger überzeugt werden, dass sie ihr Geld wiederbekommen. Das könnte die Stadt Gera garantieren, wenn das Land sie dazu in die Lage versetzen würde. Eine Bedingung dafür ist, dass Geras Kassenkredit – bei uns Privatleuten wäre das der Dispo-Kredit – von 49,5 auf 55,2 Millionen Euro angepasst wird. Diesen „Dispo“ braucht Gera, weil erst die Gehälter abgebucht werden, bevor die Stadt ihren Anteil an Steuern vom Land bekommt – so ähnlich wie das bei manchen Leuten mit der Miete und dem Gehalt ist.

Auf die Rückabwicklung der Insolvenz müsste natürlich ein Sanierungs- und Neustrukturierungsprozess bei den Stadtwerken folgen, denn offensichtlich ist ja etwas grundsätzlich falsch gelaufen. Die 6.000 Wohnungen der kommunalen Wohnungsgesellschaft könnten inzwischen in eine Landesgesellschaft überführt werden, um zu verhindern, dass die Wohnungen zum Spekulationsobjekt auf dem freien Wohnungsmarkt werden. Das Ganze muss aber vor dem 30. September passieren, denn danach ist die Insolvenz endgültig und die einzigen, die danach noch etwas zu sagen haben, sind die Gläubiger. Und die werden einfach nur zusehen, wie sie schnellstmöglich an ihr Geld kommen. Wenn der Finanzminister jetzt sagt, er gibt das Geld, damit die Gehälter von Oktober bis Dezember gezahlt werden können, dann hat er offensichtlich schon jede Hoffnung aufgegeben, anstatt sich über eine strukturelle Hilfe Gedanken zu machen.

Warum ist es so wichtig, dass die Insolvenz abgewendet wird? Erstmal wäre es für alle Thüringer Stadtwerke verheerend, denn natürlich werden für alle die Kredite teurer, wenn erstmal eins tatsächlich insolvent ist. Vom Imageschaden ganz zu schweigen. Dann ist es ein massiver Schaden für die Demokratie, denn die kommunalen Unternehmen sind der Bereich, wo es über den Stadtrat und die Ausschüsse noch Mitbestimmung gibt. Wenn in Gera alles verkauft wird, was man irgendwie zu Geld machen kann, dann ist die öffentliche Daseinsvorsorge dahin. Jetzt müsste die Rückabwicklung eingeleitet und rasch mit der Sanierung begonnen werden. Ansonsten ist es so, wie der Finanzminister gesagt hat: Der ganze Prozess zieht sich mindestens bis Ende des Jahres hin. Und nicht zuletzt ist es natürlich für die Beschäftigten der Stadtwerke und des Nahverkehrsbetriebes eine Katastrophe, die ganze Zeit mit der Sorge um den Arbeitsplatz leben zu müssen.

Deswegen habe ich die 1,5 Millionen Euro heute als Wahlkampfshow mit Verfallsdatum bezeichnet. Damit wird keines der strukturellen Probleme angegangen. Als Gewerkschafter musste ich mich leider ziemlich oft und intensiv mit dem Insolvenzrecht beschäftigen. Die 1,5 Millionen mögen auf den ersten Blick ein gutes Gefühl geben, aber sie sorgen nur dafür, dass das ganze Ausmaß der Katastrophe erst Ende September sichtbar wird, wenn die Landtagswahl vorbei ist.

Ein Satz noch zu einem anderen Thema: Unsere Landesvorsitzende, unsere Innenpolitikexperten und Vertreter von Solid haben sich gestern mit Vertretern der Polizeigewerkschaft getroffen, um Irritationen auszuräumen, die sich aus dem Wahlkampfmaterial von Solid ergeben hatten. Hinterher gab es eine gemeinsame Erklärung, auf die ich gern hinweisen möchte: Erklärung im Wortlaut Ich bin froh, dass es diese Verständigung gab, denn miteinander reden ist immer besser als übereinander.