Bologna oder Bolognese?

In Erfurt und Jena zeigten tausende Studierende heute bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr, dass die Hochschulreform, die unter dem Namen Bologna-Prozess bekannt ist, mit voller Geschwindigkeit in die Sackgasse gefahren wurde. Die Proteste an den Hochschulstandorten kann ich nur noch als Notwehr bezeichnen, denn in vielen Fachrichtungen ist mit der Umstellung auf Bachelor-Abschlüsse eine massive Komprimierung von Studieninhalten und Leistungsabfragen einhergegangen. Ein Studium, bei dem wissenschaftliche Fragen wirklich erfasst und hinterfragt werden, ist kaum noch möglich, denn für ein um-die-Ecke-denken bleibt schlicht keine Zeit.

Eigentlich war die Bologna-Reform gedacht, um die Hochschulabschlüsse in ganz Europa zu harmonisieren. Das Ergebnis sieht allerdings so aus, dass wir einen Abschluss haben, den wir Bachelor nennen, die Studiengänge an sich wurden aber nicht neu entwickelt, sondern nur zusammengestaucht. Eine der Begleiterscheinungen dieses Vorgangs ist, dass zwar theoretisch europaweit auf Bachelor studiert werden kann, aber praktisch oftmals gar keine Zeit für einen Auslandsaufenthalt mehr ist, wenn man das Studium in der Regelstudienzeit abschließen will. Damit wird ein positives Ziel der Reform völlig ad absurdum geführt.

Um diesem Dilemma Herr zu werden, brauchen wir jetzt dringend eine deutliche Erhöhung der Ausgaben für Bildung insgesamt. Nur so kann die Hochschulausbildung wirklich zukunftsfähig gemacht werden. Ohne eine solche Mittelaufstockung wird es dabei bleiben, dass die Verantwortlichkeit für die Misere weiter zwischen Bund, Ländern und Hochschulen hin und hergeschoben wird. Eine gute Möglichkeit wäre eine in der Verfassung festgeschriebene Mindestquote für Bildungsausgaben. Öffentliche Investitionen in die Zukunft anstatt Spar- und Privatisierungswahn – damit Hochschulen auch wieder häufiger Ideen hervorbringen können, die nicht unmittelbar an Profitinteresse orientiert sind, sondern deren Bedeutung ein bisschen weiter hinter dem Tellerrand liegt. Gerade hier, wo Goethe und Schiller oder auch Fichte, Schelling und Hegel gewirkt haben, sollte das doch unser Anspruch sein.