Gedanken aus Strasbourg
Ein Gastbeitrag von Gabi Zimmer: Die furchtbare Nachricht vom Amoklauf eines 17jährigen hat Entsetzen ausgelöst. Seit Montagabend sind wir Europaabgeordneten wieder zur Sitzungswoche in Strasbourg. Normalerweise dringen Nachrichten aus Deutschland nur mit erheblicher Verzögerung durch die Hektik des Parlamentsbetriebs. Ich selbst wurde erst stutzig, als ich eine Nachricht eines der Vizepräsidenten in meinen mails vorfand. Was ich dann auf ARD und ZDF sah, ließ sofort wieder die Erinnerungen an Erfurt wach werden. Das Parlament reagierte mit einer Schweigeminute. Inzwischen hängt auch hier die Flagge der Bundesrepublik auf Halbmast. Der Amoklauf wird zweifellos die Diskussion zum Waffenrecht wieder neu beleben. Seit 2008 gilt ein einheitliches Waffenrecht für die EU. Bis 2010 sind Übergangsfristen vereinbart. Die Regelung zielt darauf ab, die unerlaubte Herstellung und den Schmuggel von Schusswaffen zu unterbinden, Waffen schon bei der Herstellung zu kennzeichnen und diese Kennung in den Mitgliedsstaaten in einer zentralen computergestützten Datei zu registrieren.
Damit kann sicher der Weg einer Waffe verfolgt werden, aber die Frage, warum ein Mensch mehr als ein Dutzend Waffen in seinem Besitz haben muss, wird damit auch nicht beantwortet.
Normalerweise verlasse ich das Parlament in Strasbourg nicht vor 22 Uhr. Heute haben Ilda Figuereido, meine portugiesische Kollegin, Helmuth Markov aus Brandenburg und ich uns mit Betriebsräten von Quimonda zum Abendessen verabredet. Sie sind seit Dienstagabend hier, verfolgten gestern Nacht im Plenum die Diskussion mit der Kommission und nahmen heute an einer Pressekonferenz, die von uns organisiert worden war, teil. Natürlich hatten wir alle erhofft, dass die Kommission klar sagt, wie wichtig Quimonda für die europäische Halbleiterindustrie ist. Quimonda steht für Zukunftstechnologie und ist in Europa ohne Konkurrenz. Gescheitert ist es vor allem daran, dass die asiatischen Chiphersteller mit bis zu 70% Staatshilfen subventioniert wurden, während die EU die Beihilfen auf 30% begrenzt hat. Damit konnte Quimonda angesichts des massiven Preisverfalls für Speichertechnik nicht mehr mithalten. Die Kommission hat jetzt wieder versagt. Statt Industriekommissar Verheugen in die Bütt zu schicken, wurde Kommissar Spidla mit der Antwort beauftragt. Spidla aber ist zuständig für soziale Belange. Folgerichtig redete er auch ausschließlich über die Auffanghilfen für die Beschäftigten, wenn es Ende März tatsächlich zur Produktionseinstellung kommt. Die Betriebsräte waren sauer. Eine klare Position zur Nanotechnologie hätte Zweifler die sächsische Landesregierung, die sich vor allem aus ideologischen Gründen bisher sperrt, unter Druck setzen können. Ist es nicht traurig, dass der portugiesische Ministerpräsident nach München und Dresden reisen musste, um für den Erhalt von Quimonda zu werben? Die Stimmung beim Abendessen schwankte zwischen Zorn, Niedergeschlagenheit und der Hoffnung, dass die sächsische Regierung doch noch in letzter Minute das tut, was sie längst hätte machen müssen: Zu konkreten Bedingungen bei Quimonda einsteigen!
Unsre Solidarität gilt ihnen, den Beschäftigten von Quimonda, aber auch all jenen, die in diesen Tagen um ihre soziale Existenz fürchten müssen!
Weitere Infos: www.gabi-zimmer.de