Das Orakel von Delphi
Der Tag beginnt faul. Eine liebevolle Tasse Kaffee mit meiner Frau, die mich auf zwei Dinge aufmerksam macht: Erstens stehen einige Aufgaben im Haushalt an und zweitens sei im nahenden Urlaub das Handy unbedingt auszuschalten. Angesichts dieser Aussichten ziehe ich mir nach dem Kaffee noch einmal die Decke über den Kopf und genieße den Morgen ohne Termine.
Dann als erste Aktivität Betten abziehen, zweite Aktivität Einkaufswagen schnappen und Großeinkauf machen, dritte Aktivität vom Einkauf zurück am Küchentisch Platz nehmen und Zeitung lesen. Dort lese ich – oh Wunder – , dass sich die Thüringer SPD für viel Geld eine Umfrage gekauft hat. Eine Antwort elektrisiert mich, denn laut der Umfrage wünschen sich 60 Prozent der Befragten eine Straffung der Verwaltung. Das bestärkt mich noch einmal darin, das Thema Bürgernähe und Verwaltungsreform als starken Akzent in den Thüringer Wahlkampf einzubringen.
Befremdlich sind aber einige andere Fragestellungen und noch rätselhafter wird es bei der Frage nach dem Regierungsauftrag. Da fragt man allen Ernstes, ob die SPD oder die CDU das Prä hat. Sicherheitshalber fragt man den Bürger erst gar nicht nach unserer Partei. Falls ein Wähler von uns hier gefragt wurde, sollte er sich irritiert zwischen CDU und SPD entscheiden. Immerhin sechs Prozent verweigerten sich der Logik und bestanden darauf, uns das Vertrauen aussprechen zu wollen. Hier wäre es einfacher gewesen, das ausgegebene Geld in einem Kindergarten zu investieren und das Orakel von Delphi zu befragen.
Es beruhigt mich allerdings eine Stunde später die Zahlen von Emnid geliefert zu bekommen, die seit Wochen für uns stabile Werte ausweisen. Wenn morgen Bundestagswahl wäre, sagen 30 Prozent im Osten, sie würden DIE LINKE wählen, 27 Prozent die CDU, 23 Prozent die SPD, 9 die FDP und 6 Die Grünen. Unter diesen Konstellationen, die uns seit Wochen im Osten mit einer 3 vorne sehen, ist es schon befremdlich, bei einer Landesumfrage nach unserer Parteienpräferenz erst gar nicht zu fragen. Ich verstehe zwar den Wunsch der Auftraggeber – wissenschaftlich gestützte Empirie ist es allerdings nicht.
Am Nachmittag gibt es noch einmal Wirbel um Ramelow. Das behauptet jedenfalls meine Friseurin beim Haareschneiden. Wir philosophieren, ob es für sie Geld einbringen würde, wenn sie behaupten würde, dass meine Haare gefärbt seien, oder ob sie es auffällig findet, dass meine Wirbel linksrum gedreht sind. Danach wartet Benni im Büro mit der Postmappe und in der Zwischenzeit gehe ich meiner Lieblingsbeschäftigung nach – telefonieren, telefonieren, telefonieren.
PS: In meinem Wahlkreis in Jena hat das Volksbegehren heute die Zehn-Prozent-Hürde genommen – super! Glückwunsch an die fleißigen Sammler vor Ort und die Bitte, kräftig weiterzusammeln, damit wir bis zum 19. Juli ganz Thüringen über die zehn Prozent heben und mehr direkte Mitbestimmung in den Kommunen möglich wird.