Die Freiheit, die sie meinen!
Am Montag, den 8. Januar 2024, haben die Landwirtschaftsbetriebe in ganz Deutschland mobilisiert und eine kämpferische Aktionswoche begonnen. Auch in ganz Thüringen haben sich die Kreisbauernverbände aufgemacht, um gemeinsam mit dem Landesbauernverband eine zentrale und viele dezentrale Aktionen durchzuführen. Seit den umfassenden Sparbeschlüssen, die auch die Branche der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft und des Gartenbaus betreffen, ist die Empörung auch kombiniert mit Verzweiflung so stark gewachsen, dass die Bauernverbände machtvoll zeigen wollen, dass man so mit einer Branche nicht umgehen kann.
Von Anfang an habe ich verdeutlicht, dass ich es schwer verständlich finde, dass man den sogenannten Agrardiesel zukünftig bis auf 48 Cent pro Liter besteuern möchte, während in vielen europäischen Nachbarländern der vergleichbare Steuerpreis bei 10 Cent liegt. Auch sollen die Landmaschinen, die gebraucht werden, um die Felder zu bearbeiten, unter die allgemeine KFZ-Steuer fallen. Dass es sich bei all diesen Maschinen um Produktionsmittel handelt, die man in einem Industriebetrieb so niemals besteuern würde, hat mich veranlasst, deutlich zu machen, wie paradox es ist, wenn man Flugbenzin (Kerosin) unbesteuert lässt, aber Diesel für Landwirtschaftsfahrzeuge auf einmal massiv besteuert.
Einige weitere Beispiele in diesem Zusammenhang: die langstielige Rose, die in Kenia am Lake Naivasha produziert und mit Frachtflugzeugen, die wiederum mit steuerfreiem Kerosin betankt sind, nach Deutschland transportiert wird; die Nordseekrabben, die nach dem Fang nach Marokko geflogen werden, dort per Hand gepult und dann mit dem Frachtflugzeug wieder nach Husum gebracht werden, um sie dort als frische Krabben verkaufen zu können. Alle Kosten werden eben auch durch steuerfreies Kerosin unfair beeinflusst.
Aber bleiben wir zunächst bei der genannten Rose. Am Alperstedter See wurde eine riesengroße Rosenzuchtanlage aufgebaut, in der genau diese langstieligen Rosen hergestellt werden könnten bzw. sollten, aber gegen die Niedrigstmarktpreise, die auch durch die unbesteuert betankten Flugzeuge noch befeuert werden, kommt auch ein heimischer Produzent einfach nicht an. Deshalb gehört für mich zur allgemeinen Dekarbonisierungsdebatte, dass Flugbenzin genauso wie auch der Agrardiesel behandelt wird, aber bitte doch im Gleichklang miteinander und nicht gegeneinander . Wenn man hier Veränderungen vornehmen will, müssen sie so ausgestaltet sein, dass der Landwirtschaftsbetrieb in unserer Heimat noch in der Lage ist, wettbewerbsfähig und verlässlich kalkulieren zu können. Im Prinzip nicht anders nimmt sich die Lage bei den nunmehr besteuerten Landmaschinen aus. Hier sei erwähnt, dass die großen SUV’s, die mittlerweile unter dem Mantel des Dienstwagenprivilegs steuerlich hoch subventioniert werden, in keiner Relation dazu stehen und dieses Dienstwagenprivileg völlig unangetastet wie selbstverständlich als Heilige Kuh betrachtet wird, der Traktor, der aber zum Bestellen der Felder dringend gebraucht wird, auf einmal steuerrechtlich wie ein privates KFZ behandelt wird.
Solche Widersprüchlichkeiten darf die Bundesregierung nicht länger zulassen. Es braucht viel mehr Gleichmaß und Balance. Die Transformation der Braunkohle kostet Milliarden und Abermilliarden. Die Transformation des Ruhrgebiets hat ebensolche langzyklischen Planungshorizonte gehabt. Die Transformation der Ernährungswirtschaft inklusive der Land- und Forstwirtschaft und des Gartenbaus sollte uns genauso viel an verlässlicher und weitsichtiger Planung wert sein. Deshalb hat es mich so empört, dass sich die sogenannte Borchert-Kommission im vergangenen Jahr auflöste, weil sie offensichtlich bei der Bundesregierung keinerlei Gehör mehr fand, weil letztere nicht bereit war, verlässliche Rahmenbedingungen für die notwendigen Entwicklungsschritte zu schaffen. Diese Kommission hat sich seit 2019 alleine mit der Frage beschäftigt, wie man gemeinsam mit den Landwirten die Themen Tierzucht und Tierhaltung ökologisch, nachhaltig und auch für die Betriebe verlässlich an die Gegebenheiten und Notwendigkeiten des 21. Jahrhunderts anpassen kann.
Wer mit Blick auf Tierhaltung und –zucht immer nur „Massentierhaltung“ und „Tierquälerei“ ruft, lässt die nötige Differenziertheit vermissen.
Offensichtlich scheint manch einer im städtischen Raum preiswerte Nahrungsmittel einkaufen zu wollen, bringt aber dann nicht den Respekt auf, den wir gegenüber den Erzeugern brauchen: Menschen, die sich um die Tiere kümmern und sie pflegen, müssen von ihrer Hände Arbeit leben können.
Noch ein praktisches Beispiel: alle reden in Deutschland über den Wolf, aber keiner über den Schäfer. Wenn die Schafschur teurer ist, als der Ertrag der am ganzen Schaf zu erlösen ist, dann geht was schief in unserem Land. Die Schafe und den Schäfer brauchen wir aber, um die Landschaft offen zu halten.
Der Frust, der sich hier angestaut hat, geht weit über Agrardiesel und KFZ-Steuer hinaus. Das Unverständnis zwischen Stadt und Land, Umweltaktivisten, die meinen, dass Tierzucht der größte Emittent sei, den man möglichst abschaffen sollte und umgekehrt nicht verstehen, dass aus guten Tierbeständen eben auch Vorteile für eine progressive Landschaftspflege erwachsen können. Einer der Haupttreiber in den gegenwärtigen Preiskonflikten ist aber der mittlerweile monopolartige Lebensmitteleinzelhandel. Schaut man unter diesem Aspekt auf die Karte der 20 reichsten Familien Deutschlands wird man auf einmal die Besitzerfamilien des Lebensmitteleinzelhandels als Vermögensmilliardäre feststellen. Alleine die Firma Lidl & Schwarz, vertreten durch den Patriarchen Dieter Schwarz, weist für das Jahr 2022/2023 einen Vermögenszuwachs von 36 Milliarden€ auf 39,5 Milliarden € auf. Mittlerweile kauft die Firmengruppe Lidl & Schwarz Produktionsbetriebe auf, die Nahrungsmittel veredeln, um damit einerseits die Eigenmarken in den eigenen Regalen selbst herzustellen und andererseits marktdominierende Preise auch bei den Erzeugern durchzudrücken. Hier müssten die Monopolkommission und/oder das Kartellamt längst die Arbeit aufnehmen.
Was wir stattdessen brauchen? Wir müssen es schaffen, Regionalität zu einem leitenden Grundsatz unserer Lebensmittelproduktion zu machen. Obst und Gemüse, Kulturfrüchte, Ackerbau und Viehwirtschaft, aber auch Gartenbauprodukte müssen regional und orientiert an den Bedarfen der Menschen vor Ort hergestellt werden. Das wäre mein Ansatz: regional vor global. Der ländliche Raum spielt dabei eine entscheidende Rolle. Landwirtschaftsbetriebe sind ein elementarer Akteur im ländlichen Raum und gerade die Hochwasser der letzten Tage haben gezeigt, wie wichtig es ist, gut funktionierende Landwirtschaftsbetriebe vor Ort zu haben. In Windehausen war es der Agrarbetrieb, der sofort umfassend mitgeholfen und unterstützt hat. Die Traktoren waren wie selbstverständlich im Einsatz und als ich vor Kurzem in Heberndorf bei der Feuerwehr war hat man mir gesagt, wie man bei einem großen Brand wie selbstverständlich mit den Güllefahrzeugen ausreichend Löschwasser herangefahren hat, um eine größere Brandkatastrophe zu verhindern.
Um es klar zu sagen: ein Landwirtschaftsbetrieb in Thüringen hat im Schnitt 30 bis 40 Beschäftigte und wirtschaftet auf ca. 1500 Hektar Fläche. Die Mitarbeiter kommen zumeist aus dem direkten Umfeld der Betriebe im ländlichen Raum. Ihre berufliche Tätigkeit nahe dem eigenen Wohnort ermöglicht es ihnen, sich aktiv in die Dorfgemeinschaft einzubringen – beispielsweise eben auch durch eine Mitgliedschaft bei der Freiwilligen Feuerwehr. Dieses Ineinandergreifen von Vitalität, landwirtschaftlichen Betrieben und nachhaltiger Wirtschaft ist es, die das oberste Primat haben sollten. Es muss uns besorgen, dass man die einzigen Sparbeiträge in der jetzigen Sparrunde bei den aktiven Landwirtschaftsbetrieben versucht durchzusetzen, während man gleichzeitig die Vermögensbesteuerung bei den Familien Schwarz oder Albrecht oder den anderen Vermögenden nicht mal ansatzweise anzutasten bereit ist; dass die Vermögenssteuer im OECD-Schnitt in Deutschland im untersten Bereich liegt und man deshalb von einem Niedrigsteuerland reden muss, wenn es um Vermögensbesteuerung geht, ist die tatsächliche Schieflage. Nein, wenn man wirklich eine angemessene Vermögensbesteuerung vornehmen würde, wäre der Sparbeitrag schon erbracht – und das schon dann, würde man nur auf diejenigen 24 Einzelfälle blicken, in denen der Staat im vergangenen Jahr auf insgesamt 1,43 Milliarden Euro Steuereinnahmen über Schenkungs- und Erbschaftssteuererlass verzichtet hat.
Warum ist uns Vermögen mehr wert als das breite und aktive Handeln im ländlichen Raum? Warum kommt bei der Erbschaftsbesteuerung das sehr sonderbare rechtliche Konstrukt der „Verschonungsbedarfsprüfung“ zur Anwendung? Alleine mit dieser Verschonungsbedarfsprüfung hat der Staat die oben genannten 1,43 Milliarden Euro den Superreichen geschenkt. Dieses kann man nunmehr gegenrechnen gegen die zwei Milliarden Euro Sparbeitrag, die man versucht bei den Bauern abzunehmen.
Meine Forderung: Verkauf im Discounter unter Einstand rechtswirksam unterbinden und auch unter hohe Strafen stellen genauso wie Monopole des Handels aufbrechen, die Nachfragemacht der wenigen Einkaufskontore zugunsten der Regionalität zu verändern, ein Steuersystem aufzusatteln, bei dem aus heimischen Produkten hergestellte Nahrungsmittel und Essensangebote für Kindergärten, Schulen, Alten- und Pflegeheime, Krankenhäuser etc. nicht mit 19, sondern mit 0 Prozent versteuert wird, wenn es eben einen hohen Anteil an heimischem Produktanteil gibt. Gute Arbeit im ländlichen Raum sollte uns gesellschaftlich etwas wert sein und ein lokal gekochtes Essen, das in den Kindereinrichtungen, Schulen, Pflege- und Altenheimen genauso wie Krankenhäusern serviert wird, sollte doch eine Begünstigung haben, um damit viele Transportwege abzukürzen und CO2 einzusparen.
All diese Aspekte waren Teil meines Redemanuskripts für den 8. Januar bei der Demonstration des Thüringer Bauernverbandes. Leider war es so, dass sich links und rechts von der Bühne Personen aufgestellt haben, die in dem Moment, in dem ich angekündigt wurde, schon anfingen, ein riesiges Geschrei zu organisieren. Von „Hau ab“ bis „Volksverräter“ war da alles im Angebot und sehr laut waren auch Trillerpfeifen und andere Lärminstrumente zu hören. Selbst als der Verbandspräsident Klaus Wagner versucht hat, für Fairness zu sorgen, führte dies gleich wieder zu einem Riesenlärm. Im Internet fanden aufmerksame Leserinnen und Leser dann einen Aufruf auf einer Seite, die gekennzeichnet ist mit WK – Preußische Provinz Sachsen und dort war deutlich die Bitte formuliert, Trillerpfeifen mitzubringen, um den „nicht vom Volk gewählten Ministerpräsidenten an der Möglichkeit des Redens hintern zu wollen bzw. zu sollen.“ Beim Schauen über den großen Platz waren die Fahnen der Freien Thüringer, die eine Nachbarorganisation der Freien Sachsen sind, und auch Deutschlandfahnen, die das Wappen von drei Bananen getragen haben, genauso zu sehen wie Fahnen des Fürstentums Reuß jüngere Linie und man ahnte, welcher Teil aus der Reichsbürgerszene sich dort versammelt hat. Die sogenannten „Freien Thüringer“ wendeten dann besonders brachiale Methoden an. Man wollte mir den Weg zur Thüringer Staatskanzlei versperren und hatte sich wohl vorgestellt, dass man mich auf dem Rückweg wird stellen können. Das Maß an Aggression war beträchtlich. Bei den sogenannten „Freien Thüringern“ wird eben deutlich, dass die Freiheit, die sie meinen, nicht die Freiheit der freien Sprache ist, nicht das Zuhören und das Durchdenken von Argumenten, sondern es geht darum, sich die Freiheit zu nehmen, andere niederzubrüllen, den anderen mundtot zu machen, einen Dialog erst gar nicht zu ermöglichen, sondern sich einseitig die Freiheit zu nehmen, dem anderen das Recht auf eine freie Aussprache zu verbieten. Das ist die Freiheit, die sie meinen, nämlich ihre Freiheit, ihre Macht zu dominieren und die Regeln eines auf Prinzipien des Anstands basierenden Gesprächs zu unterbinden. Dazu dienen die Proteste der Landwirtschaftsbetriebe eben nur als Staffage. Die „Freien Thüringer“ und die Reichsbürger sind dort nur als Trittbrettfahrer unterwegs, um sich an einen berechtigten Protest anzudocken, um so ihre Umsturzpläne hoffähig zu machen. Es ist eben kein Zufall, wenn vom Fürstentum Reuß die Fahne gezeigt wird, denn es ist das Signet des Herrn Reuß, der derzeit im Gefängnis sitzt, weil er mit Gewalt offensichtlich einen Umsturz durchführen wollte. So lautet jedenfalls nach meinem Kenntnisstand die Anklage und diesem Gerichtsverfahren wird er sich stellen müssen. Und wenn man dessen Fahne hochhält und politisch Verantwortliche niederbrüllt, selbst dann, wenn sie sich solidarisch an die Seite der Landwirtschaftsbetriebe stellen, wird deutlich, dass es ihnen nicht um Solidarität mit den berechtigten Interessen der Landwirte geht, sondern um ihre eigene politische Agenda, die da lautet: „Wir wollen den Sturz, um die Macht auch aggressiv gegen die Gesellschaft anwenden und durchsetzen zu können.“
In meinem Herzen bleiben hingegen all die landwirtschaftlichen Vertreter, die bei mir ausdrücklich ihr Bedauern ausgedrückt haben, dass dieses Geschrei stattgefunden hat. Ich habe immer wieder gesagt, dass es nicht die Landwirte waren, die gebrüllt haben und deshalb bleibt meine Solidarität genau bei denen, die berechtigt um ein lebenswertes Dorf kämpfen mit vitalen Betrieben, die auch das Rückgrat sind für eine gute Entwicklung im ländchen Raum.
Unten habe ich noch einmal für alle nachvollziehbar einige derjenigen Hetzkommentare und Positionen eingefügt, die mich seit vorgestern erreicht haben.