Von wegen „rote Laterne“

Wer gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern ein Land gestalten und umfassend entwickeln möchte, der braucht vieles, aber vor allem: Pragmatismus, Realismus, Optimismus und Vertrauen in die Kraft der Menschen.

Politik heißt für mich deshalb, realistisch Probleme einzuschätzen, zu analysieren und sie auch tatsächlich zu lösen. Problembeschreibungen allein reichen nie aus. Politik bedeutet aber auch, Erfolge und Potenziale zu erkennen und angemessen zu würdigen. Wer nicht stolz auf Erreichtes sein darf, wird kaum die Kraft finden, dort an Stellschrauben zu drehen, wo es notwendig ist.

Nun höre ich seit vielen Monaten immer wieder von der Thüringer CDU, Thüringen trüge in vielen Politikfeldern die sprichwörtliche rote Laterne vor sich her, bliebe also weit hinter seinen Möglichkeiten zurück oder falle im Vergleich mit anderen Bundesländern gar massiv zurück. Gerade im Bereich „Wirtschaft“ glaubt die CDU zu erkennen, dass Thüringen deutlich an Impact verlöre, innovations- und investitionsfeindlich sei.

Einmal abgesehen davon, dass all diese Untergangsszenarien niemanden auch nur einen Schritt voranbringen, haben sie auch mit der Wirklichkeit wenig zu tun. Erst vor kurzem bekam ich den neuesten Bericht des Instituts der deutschen Wirtschaft zum transatlantischen subnationalen Innovations- und Wettbewerbsindex in die Hände. Diese Studie mit einem etwas sperrigen Titel untersucht regelmäßig anhand unterschiedlicher Indikatoren die Wirtschafts- und Innovationskraft in 96 europäischen und nordamerikanischen Regionen – vor allem in Deutschland, Kanada, Italien und den USA. Versteht sich von selbst, dass Deutschland in diesem Ranking mit seinen 16 Bundesländern vertreten ist.

Und siehe da: legt man die Ergebnisse nebeneinander fällt auf, wie weit entfernt die Geschichte der roten Laterne von der Realität wirklich ist. Im internationalen Vergleich landete Thüringen in besagter Studie auf Platz 41 von 96 und damit deutlich in der ersten Hälfte – und dabei, es sei noch einmal betont, geht es in der Tat um einen internationalen Vergleich mit einer großen Anzahl an innovationsfreudigen und wirtschaftsstarken Standorten.

Wirklich spannend wird es allerdings, wenn man sich einzelne Indikatoren im Detail anschaut. So belegt Thüringen beispielsweise mit Blick auf den Export von High-Tech-Produkten insgesamt Rang 8 und liegt damit deutlich vor Regionen wie Connecticut (Rang 61) und sogar Florida (Rang 51) – mithin US-Bundestaaten, die mit erheblichem ökonomischen und finanziellen Potenzial wuchern könnten.

Ganz ähnlich stellt sich die Lage in den Bereichen Breitbandausbau (Rang 9), Patentanmeldung (Rang 34) oder CO2-Effizienz (Rang 26) dar. Wer also behauptet, Thüringen trüge rote Laternen oder sei auf dem absteigenden Ast, der ignoriert nicht einfach nur Fakten, sondern verzwergt sich und die immense Leistung unserer Bürger, Unternehmer und aller, die jeden Tag kreativ unser Land voranbringen. So entsteht kein Raum für Innovation und Zukunftsoptimismus, sondern Verzagtheit und Zukunftsangst.

Ich jedenfalls freue mich, an jedem Tag mit ganz unterschiedlichen Akteuren zusammenarbeiten zu können, die mit mir gemeinsam an Plänen für die kommenden Jahre und Jahrzehnte arbeiten und auch Probleme produktiv anpacken anstatt sie fatalistisch einfach nur zu erdulden. Denn nur so entsteht Wohlstand und ja, auch gerechte Entlohnung.

Apropos rote Laterne: ein einfacher Blick auf die Arbeitslosenzahlen hätte auch der CDU zeigen können, dass Thüringen in Ostdeutschland mit 5,4 Prozent die niedrigste Arbeitslosenquote vorzuweisen hat (Schnitt Ost: 6,7 Prozent) und auch im Bund (Schnitt: 5,3 Prozent) vor mindestens drei Ländern West rangiert.

Gleichzeitig müssen wir uns nichts vormachen. Das hohe Level an Wirtschaftskraft, Innovationsfreude und Wohlstand können wir nur halten und ausbauen, wenn wir uns den demographischen Herausforderungen der Zukunft mit offenem Visier stellen. In den kommenden 10 Jahren werden circa 25 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten das statistische Renteneintrittsalter erreichen – also ca. 200.000 von 800.000 Beschäftigten in Thüringen. Dieser Entwicklung können wir allerdings entgegenwirken, indem wir auch in Thüringen Einwanderung – gern auch aus dem Ausland – forcieren und unser Bundesland zu einem attraktiven Lebensmittelpunkt für Menschen machen, die auf den Arbeitsmärkten dringend gebraucht werden. Bereits seit 2014 können wir unser Beschäftigungswachstum und unseren Wohlstand nur dank Beschäftigter mit ausländischer Staatsangehörigkeit halten.

Und die Ausgangsbedingungen dafür sind – wieder „von wegen rote Laterne“ – sehr gut. Thüringen weist bereits heute einen der niedrigsten Gender-Pay-Gaps  und eine der höchsten Frauenbeschäftigungsquoten in der EU auf. Das liegt nicht zuletzt an einer immens leistungsfähigen Kindergarteninfrastruktur sowie einer belastbaren Pflegeversorgung, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf von einer Phrase, die jeder gern im Mund führt, in die konkrete Lebenswirklichkeit der Menschen übersetzt.

Außerdem bietet Thüringen laut einer Auswertung des Internetportals ImmoScout24 die günstigsten Preise für Einfamilienhäuser im gesamten Bundesgebiet an – und auch für junge Menschen sind so Immobilien durchaus erschwinglich.

Zu guter Letzt können wir den höchsten Anstieg der Löhne seit Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes in Deutschland nachweisen.

Was heißt das alles für mich?

Zunächst einmal: wir müssen uns vor der Zukunft nicht fürchten. Wir haben seit 1990 in Thüringen eine Entwicklung durchlaufen, die uns gut auch auf die Unsicherheiten der Zukunft vorbereitet hat. Wir leben in einem Bundesland, dessen Menschen tagtäglich die Ärmel hochkrempeln und anstatt Probleme nur zu beschreiben oder zu klagen, anpacken und selbst tätig werden. Wenn die CDU sich mit ihrer „Rote-Laterne“-Rhetorik gleichzeitig als Thüringen-Partei bezeichnet, kann mich das nur wundern. Denn Thüringen und all seine motivierten und fleißigen Menschen beweisen etwas ganz anderes. Mein Thüringen ist ein Thüringen der Schaffensfreude und der Zuversicht.

Und schließlich: Wer mit rassistischer Hetze Menschen verschreckt und Thüringen als Zuzugsregion unattraktiv für so dringend benötigte ausländische Arbeitnehmer macht, der stellt sich nicht nur moralisch und politisch ins Abseits, sondern sägt auch an dem Ast, auf dem er und Generationen nach ihm sitzen.

Thüringen ist kein Land von gestern. Dass das so ist, verdanken wir Ihnen allen. Und mir ist es ganz persönlich eine Freude jeden Tag Teil davon sein zu können.