Eine neue Brücke zwischen Thüringen und Rumänien

Dass meine aktuelle Bundesratspräsidentschaft mit vielen Reisen verbunden ist, habe ich an anderer Stelle meines Tagebuches bereits ausführlicher beschrieben. Als höchster Vertreter der Bundesländer der Bundesrepublik im Ausland neue freund- und partnerschaftliche Bande zu knüpfen, aber auch das föderale System zu repräsentieren, ist eine hohe Verantwortung, aber gleichzeitig auch eine große Ehre für mich.

Umso schöner ist es, wenn sich bei diesen Reisen – so zum Beispiel während meines jüngsten Besuchs in Rumänien – immer wieder auch neue Brücken zwischen Thüringen und anderen Ländern bauen lassen. Von einer besonderen Episode möchte ich kurz berichten.

Am Sonntag vor meiner Abreise nach Rumänien hatte ich noch einen sehr außergewöhnlichen Termin zu absolvieren, der mir auch persönlich sehr am Herzen lag. Wer mich kennt weiß, dass ich ein sehr enges Verhältnis zu unserer jüdischen Landesgemeinde in Thüringen und vielen ihrer Vertreter pflege. Es ist für mich ein unbeschreiblich großes Glück, dass wir in unserem Freistaat wieder ein prosperierendes jüdisches Leben haben und auch einen intensiven christlich-jüdisch-muslimischen Dialog führen, der die abrahamitischen Glaubensbrüder und – schwestern gemeinsam an einem Strang ziehen lässt. Und so war es ganz selbstverständlich, auch an der Einweihung der neuen Synagoge auf dem Gelände der Waldkliniken in Eisenberg teilzunehmen.

Die Verwirklichung dieses Projektes war nicht nur deshalb ein Freudenfest, weil die Eröffnung einer jeden neuen Synagoge verbunden ist mit aufwändigen, ausgelassenen und rituellen Feierlichkeiten, sondern auch, weil wir damit in Thüringen deutschlandweit die erste Synagoge in einen Krankenhauskomplex integriert haben. Ergänzt um Angebote des koscheren Speisens und Lebens bieten wir damit in Thüringen erstmals auch für jüdischgläubige Patientinnen und Patienten einen idealen Krankenhausaufenthalt an, ohne dass sie auf ihr religiöses Leben verzichten zu müssen.

Es ist Brauch, dass eine Synagoge dann als geweiht gilt, wenn in ihr Inneres die Torarolle eingezogen ist. Sie wird in einer Prozession eingetragen. Und im Eisenberger Fall kam die knapp 100 Jahre alte Torarolle – was für ein spannender „Zufall“ – ausgerechnet aus Rumänien. Sie stammte aus einer kleinen rumänischen Gemeinde, die während der NS-Barbarei vollständig ausgelöscht wurde. Über Umwege und durch glückliche Fügungen gelangte die Torarolle nach Berlin, wo sie in den letzten Jahren restauriert und schließlich ausgewählt wurde, um ihre neue Heimat in der Eisenberger Synagoge zu finden.

csm_photo_2022-05-27_14-46-07_f3d7a37fd8-400x400 Der Einzug dieser wunderbaren Schrift war nicht zuletzt für mich so bewegend, weil mir eine ganz außerordentliche Ehre zuteilwurde, mit der ich nie im Leben gerechnet hatte. Als wir uns im Erdgeschoss aufstellten, um die Torarolle Richtung Synagoge zu geleiten und die Aufstellung der jüdischen Männer begann, nahm mich plötzlich der Rabbiner beiseite und legte mir beim Losgehen die Torarolle auf die Schultern, die ich gemeinsam mit dem Geschäftsführer der Waldkliniken, David Ruben Thies (dem eigentlichen Stichwortgeber der Idee einer Kliniksynagoge), ein Stück des Weges tragen durfte, bevor sie von den 10 jüdischen Männern übernommen wurde, die sie schließlich feierlich und mit viel Gesang an ihren zukünftigen Bestimmungsort brachten.

Am Montag in Bukarest angekommen, sprach ich mit dem Vertreter der jüdischen Gemeinden im rumänischen Parlament und der verwies auf die Synagoge in Temeswar. Er wolle sich umgehend mit der Gemeinde in Verbindung setzen, denn dort sei gerade viel Positives mit Unterstützung der deutschen Minderheit geschehen.

Kaum zwei Tage später stand ich schließlich in besagter frisch renovierter Synagoge in Temeswar und konnte natürlich sofort Bilder aus Eisenberg präsentieren und den Gemeindemitgliedern erklären, wie nunmehr eine wirklich sehr besondere Brücke zwischen Rumänien und Thüringen entstanden ist, an der weiter zu arbeiten sicher sehr lohnenswert sein wird. Eine Tora aus einer rumänischen Gemeinde, die nun das religiöse Zentrum im Toraschrein der neuen Synagoge in Eisenberg bildet – solche Geschichten schreibt nur das Leben. Dazu habe ich gerne den Geist der Tora aus Eisenberg nach Temeswar getragen und ja, wir werden auf die Heilige Schrift in Thüringen gut achten!