Ich kämpfe weiter

Eine Woche ist nun vergangen seit der Thüringer Landtag mit den Stimmen von AfD, CDU und FDP Herrn Thomas L. Kemmerich zum Thüringer Ministerpräsidenten gewählt hat. Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass die Ereignisse der vergangenen Woche spurlos an mir vorbeigegangen wären. Bis zuletzt hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass eine Mehrheit im Landtag den heimlichen oder offenen Pakt mit der AfD in Kauf nimmt, um mich als Ministerpräsidenten abzuwählen. Und ja, damit verbindet sich bei mir auch eine menschliche Enttäuschung.
Es geht aber zunächst überhaupt nicht um mich. Für das, was in den Tagen nach der Wahl passiert ist, müssen jene die Verantwortung übernehmen, die es dazu haben kommen lassen. Planlos ist dabei beinahe noch der harmloseste Begriff, der einem einfällt, wenn man die Vorgänge betrachtet. Schon jetzt ist unserem Land großer politischer Schaden entstanden. Letztlich ist es dem Verantwortungsbewusstsein der Staatssekretärinnen und Staatssekretäre von LINKEN, SPD und Bündnis 90 / Die Grünen zu verdanken, dass der Freistaat nicht völlig dem Chaos anheimfällt. Ich kann das nicht anders nennen. Jene, die mich nicht gewählt haben, haben ihr demokratisches Recht wahrgenommen. Üblicherweise verbindet sich mit der Kandidatur für das Amt des Ministerpräsidenten jedoch mehr als: „Ramelow muss weg!“. Rot-rot-grün hat einen Koalitionsvertrag geschlossen, der explizit CDU und FDP eine Einladung unterbreitet hat, das Land gemeinsam zukunftsfest zu gestalten. Für mich bleibt es aber dabei, dass ich mit Parteien, die weder ihr Verhältnis zur deutschen Verantwortung für Faschismus und Holocaust noch zu unserem demokratischen Gemeinwesen klären, nicht zusammenarbeite oder mich gar von ihnen abhängig mache.

Was 1924 mit der Duldung eines bürgerlichen Kabinetts in Thüringen durch Nationalsozialisten begann, endete 1945 in der Katastrophe. Und Teile der AfD meinen heute, dass diese Zeit ein „Vogelschiss“ gewesen sei und wir eine „180-Grad-Wende in der Erinnerungskultur“ bräuchten. Und wenige Tage vor dem 5. Februar gedachten wir im Landtag gemeinsam mit Überlebenden aus Buchenwald den Opfern des Holocaust.
Ich bin dankbar dafür, dass noch am selben Tag viele Menschen ihre Stimme erhoben und protestierten. Diese Solidarität tat genauso gut wie das Wissen, dass ich meine Frau als Partnerin an meiner Seite weiß und Freundinnen und Freunde, die mir auch in dieser schweren Zeit die Treue halten.
„Wir überlassen dieses Land, diese Gesellschaft nicht der AfD! Wir streiten für eine lebendige, offene, demokratische Gesellschaft, in der eine Vielfalt der Meinungen und Ansichten selbstverständlich ist, aber eben auch klar ist, dass die Grenze genau dort gezogen werden muss, wo Rassismus und Antisemitismus Normalität werden oder Menschenfeindlichkeit Einzug hält.“
Ich bin weiterhin bereit, Verantwortung für dieses Land zu übernehmen und werde mich der Wahl als Ministerpräsident im Landtag erneut stellen. Wir brauchen sehr schnell eine handlungsfähige Regierung. Vieles bleibt im Moment liegen, wird nicht bearbeitet. Stillstand können und dürfen wir uns aber nicht leisten. Und deswegen gilt nach wie vor mein Angebot an CDU und FDP gemeinsam die kommenden Aufgaben in Angriff zu nehmen, ohne dabei überstürzte Entscheidungen zu treffen. Wer Neuwahlen will, der muss auch Sorge dafür tragen, dass diese so organisiert werden, dass wir nicht das nächste Problem schaffen. Ebenso sinnvoll finde ich es persönlich, dass wir gemeinsam den Haushalt auf den Weg zu bringen. All das sage ich vor dem Hintergrund der guten Umfragewerte für meine Partei und Person. Aber das zählt im Moment nicht. Jetzt geht es darum, unser Land wieder in sichere Fahrwasser zu bringen und handlungsfähig zu machen.
Und noch eins bereitet mir Sorge. Seit dem 5. Februar nehme ich ein Anwachsen an politischer Unkultur wahr, die ich nicht unwidersprochen lassen will und kann. Es ist inakzeptabel, wenn Parteibüros angegriffen, wenn Familien bedroht oder Politikerinnen und Politiker attackiert werden. Das dürfen wir nicht dulden, wenn wir unsere Demokratie verteidigen wollen.
Auch ich erlebe solche Angriffe. Das macht mich genauso wütend, wie die zunehmenden Versuche, mich mithilfe aller möglichen und unmöglichen Mitteln politisch zu diskreditieren. Da wird wieder die Debatte um den „Unrechtsstaat“ hervorgekramt und weil das nicht reicht, tauchen plötzlich Bilder aus Russland von einer Delegationsreise aus dem Jahr 2012 auf, um mich als unverbesserlichen Stalinisten abzustempeln. Eine Teilnahme an einer Veranstaltung gegen Berufsverbote in Marburg macht mich plötzlich zum Sympathisanten der KPD und ganz zum Schluss taucht das Video zum Politischen Aschermittwoch aus dem letzten Jahr auf, um damit zu suggerieren, ich würde nun „völlig frei drehen!“
Diese Manöver sind durchschaubar und vor allem verfangen sie offenbar nicht bei den Bürgerinnen und Bürgern, die zunehmend genervt sind von dem Theater, das die Akteurinnen und Akteure in Erfurt derzeit aufführen. Sie haben die Erwartung an uns, dass wir uns endlich um die Herausforderungen in unserem Land kümmern, von denen es jede Menge gibt. Wer an den Hintergründen interessiert ist, dem empfehle ich den „Volksverpetzer-Blog“.
Also kehren wir endlich wieder zur Sachpolitik zurück! Ich bin dazu bereit und ich hoffe, dass das auch eine konstruktive Mehrheit im Thüringer Landtag so sieht. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten es jedenfalls von uns.