Wenn einer eine Reise tut…
Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen…
Der Monat Mai ist gerade ein Monat der Reisen für mich, die aber ein Thema in besonderer Weise verbindet. Es ist, wie kann es 2017 anders sein: das Reformationsjahr.
Im Moment, in dem ich diesen Beitrag schreibe, reise ich mit einer großen Delegation aus Wirtschaft und Politik durch die USA, bei dem auch das Thema Reformation und „Thüringen als Land der Reformation“ eine wichtige Rolle spielt und in der kommenden Woche werde ich auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Berlin und dem Kirchentag auf dem Weg in Thüringen an vielen Veranstaltungen teilnehmen… aber darüber werde ich später berichten.
Im Moment bin ich noch einen Bericht „schuldig“ über einen Kurzbesuch auf dem afrikanischen Kontinent, genauer gesagt in Namibia. Namibia und Deutschland sind geschichtlich miteinander verbunden, denn Namibia war von 1884 bis 1915 deutsche Kolonie und in dieser Kolonie kam es 1904 zu einem grausamen Völkermord deutscher Kolonialtruppen an den Herero und Nama. Dieses Verbrechen prägt noch heute die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern und war auch Thema meines Besuches.
Doch der Reihe nach. Zwei Tage reiste ich nach Namibia. Ich war zum ersten Mal in diesem Land und sehr gespannt, was mich erwartet. 10 Stunden dauert der Flug von Frankfurt am Main nach Windhoek und viel Zeit zum Ankommen am Mittwochmorgen war auch nicht, denn ich war eingeladen am Eröffnungsgottesdienst der 12. Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes teilzunehmen. Der Lutherische Weltbund ist eine Gemeinschaft lutherischer, protestantischer Kirchen, der 1947 in Schweden gegründet wurde und dieses Jahr sein 70jähriges Bestehen feiert. „Befreit durch Gottes Gnade“ hieß das Motto der Vollversammlung, die sich mit fast allen gesellschaftlichen Themen unserer Zeit befasste. Für mich war es eine besondere Ehre, bei diesem Gottesdienst das Ursprungsland der Reformation zu repräsentieren.
Und sehr beeindruckt hat mich die Rede von Bischof Dr. Munib Younan, der vor allem für Dialog und Zusammenarbeit warb. Wie sagte er?:
„Wir erleben, dass viele, die politische Führungsverantwortung tragen, mit der Androhung bewaffneter Auseinandersetzungen ihre Stärke beweisen wollen. Wir fordern alle Führungsverantwortlichen auf, stattdessen ihre Stärke durch Mäßigung und ihre Weisheit durch den Dialog unter Beweis zu stellen. Unsere Welt braucht einfach nicht noch mehr Konflikte und Krieg. Im vergangenen Jahrhundert gab es zwei große Kriege und unsere Welt hat sich bis heute nicht von den Zerrüttungen und Zerstörungen erholt, die sie gebracht haben. Warum sollten wir uns wieder in diese Richtung entwickeln?“
Ich empfehle, diese Rede zu lesen. Sie ist Inspiration zum Nachdenken, nicht nur in religiöser auch in gesellschaftlicher Hinsicht. Übrigens wurde mit Julia Braband eine Thüringerin zum neuen Mitglied des Rates des Lutherischen Weltbundes gewählt. Dazu meinen herzlichen Glückwunsch.
Zum Mittagessen hatte ich dann Bischöfe aus Deutschland, Russland, Schweden, Namibia und den USA eingeladen und damit einen Bogen geschlagen und alle an den Tisch gebeten, die mich und Thüringen in besonderer Weise durch das Reformationsjubiläum begleitet haben. Für mich war besonders interessant, in welch vielfältiger Form, die Protestanten diesen Jahrestag begehen, welche Ideen sie haben, wie sie versuchen, Glaube und Religion wieder viel stärker zum Thema gesellschaftlicher Debatten zu machen. Sie teilten meine Einschätzung, dass es gelungen ist, das Reformationsjahr zu einem Ereignis für die gesamte Gesellschaft zu machen und nicht nur zu einem für die Christen. In Thüringen erlebe ich es eindrücklich, wie stolz die Menschen in Eisenach, in Erfurt, im Schmalkalden und an anderen Orten der Reformation sind, dass Thüringen so eng mit der Reformation verknüpft ist und auch viel lernen und mitnehmen über die Wirkungen der Reformation auf die Gesellschaft.
Der zweite Besuchstag begann mit einem ganz besonderen Treffen. Ich hatte die Gelegenheit zu einem Gespräch mit dem Sonderbeauftragten der namibischen Regierung zur Vergangenheitsbewältigung, Zed Ngavirue. Ich habe schon darüber geschrieben, wie sehr die deutsche Kolonialzeit noch heute Namibia prägt. Tausende Menschen sind damals auf brutale Weise ermordet und dem Verhungern ausgesetzt worden, viele haben ihr Land verloren. Bereits 2004 hatte Heidemarie Wiezcorek-Zeul bei ihrem Besuch aus Anlass des 100. Jahrestages der Schlacht am Waterberg um Vergebung für diesen Völkermord gebeten. Seit 2015 gibt es mit Ruprecht Polenz einen Sonderbeauftragten, der mit Namibia Gespräche führt. Die namibische Seite hat mich über den Stand der Gespräche informiert und ich habe zugesagt, dass ich Herrn Polenz und die Bundesregierung über meine Gespräche in Kenntnis setze und insbesondere darum bitte, dass die Bundesregierung bald möglichst auf den Vorschlag Namibias reagiert.
Ich denke, wer die Zukunft gestalten will, der muss Verantwortung für die Vergangenheit übernehmen. Dazu gehört eine angemessene Entschuldigung aber sicher auch, die Frage, wie materielles Unrecht wiedergutgemacht werden kann.
Es ist schwer von diesem Termin nun zu einem anderen zu gehen, der genau diese mögliche Zukunft der Beziehungen zwischen Namibia und Deutschland beschreibt. Schon länger sind mit Gerhard Dust und Gunther Plötner und ihr Unternehmen „polycare“ aus Gehlberg bekannt. Beide haben ein Verfahren entwickelt, Polymerbeton aus Wüstensand zu produzieren. Es entstehen Bausteine, aus denen sich wie mit LEGO-Bausteinen Häuser bauen lassen. Ideal für ein Land, in dem Wasser knapp ist, der für die Betonproduktion normalerweise unerlässlich ist. Ich durfte das erste in Namibia aus Polymerbeton errichtete Wohnhaus besichtigen. Darin wohnt eine namibische Familie. Der Vater wurde durch die südafrikanische Armee zum Krüppel geprügelt. Zum ersten Mal lebt die Familie nicht in einer Hütte, sondern in einem Haus, gut isoliert gegen Hitze und Kälte und mit fließen Wasser. Ich schaute in viele glückliche Augen und Herr Dust denkt weiter. Er will der Familie auch gern zu einem regelmäßigen Einkommen verhelfen und möchte gern auf dem Grundstück einen kleinen Kindergarten bauen, in dem die Mutter arbeiten kann. Ich habe angeboten, dann auch aus dem Land des Kindergartens von Fröbel mit Spielzeug zu helfen, wenn es soweit ist.
Beeindruckend und ein konkretes Projekt, wo Unternehmertum und soziales Engagement zusammentreffen.
Mein Besuch endete mit einem Gespräch mit Jugendlichen auf der Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes, die sich als junge Christen in und für ihre Gesellschaft einsetzen, auf ganz vielfältige Weise. Der Glaube ist dabei ein Teil Ihres Engagements. Am Ende haben Sie mir einen Rucksack geschenkt, in den ich jede Menge Eindrücke aus Namibia gepackt habe, die ich mitgebracht habe und die mich sicher auch weiter begleiten werden….