Mindestlohn muss sein
Den Samstag vor dem 1. Mai verbringe ich in Marburg. Wir treffen uns in der alten Wagonhalle, um der legendären und leider viel zu früh verstorbenen DGB-Kreisvorsitzenden Käthe Dinnebier zu gedenken. Dieser Ort, an dem früher Lokomotiven repariert wurden, ist goldrichtig für diese Vormaiveranstaltung. Meine Aufgabe bestand darin, die 70er und 80er Jahre in Marburg mit Käthe zu beleuchten. Das habe ich gerne übernommen und an den Reaktionen hinterher habe ich gemerkt, dass es wohl ganz gut gepasst hat. Zum 1. Mai ging es dann nach Sömmerda. Da der Tag zwar sonnig, aber ziemlich kühl begann, füllte sich der Platz vor dem Rathaus auch erst gegen zehn. Weil gleichzeitig nebenan der Tag der offenen Tür der Feuerwehr begann und auch die Kirchenglocken grade ihre Klientel ansprachen, mussten wir die Aufmerksamkeit der Anwesenden erst ein bisschen erringen. Das schadet aber nichts und mit den ersten Rednern, den Kollegen Peschel und Adam vom DGB, lauschten dann doch ziemlich viele Gäste der Maiveranstaltung. In meiner Rede ging ich auf die verheerenden Auswirkungen von Leiharbeit, befristeten Arbeitsverhältnissen und Billiglöhnen aber auch auf das Erpressungspotential durch Hartz IV, Aufstockerpraxis und die millionenfachen 400-Euro-Jobs ein. Mit diesen asozialen Realitäten geht eine traurige Entsolidarisierung in den Betrieben und der Gesellschaft einher. Solidarität und Gerechtigkeit als Hoffnung und Vision haben deshalb in den letzten 125 Jahren nichts an Ausstrahlungskraft verloren.
Wir brauchen endlich mehr „Soziales“ in der Marktwirtschaft, sonst ist es nur noch Turbokapitalismus. Dem kann man mit einer modernen Bürgerversicherung und mit einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn oberhalb von 8,50 € endlich wieder schlagkräftig ein besseres Gesellschaftsmodell entgegenstellen. Es gibt Alternativen zur ungeregelten Marktwirtschaft und darüber muss die Mehrheit der Menschen gemeinsam entscheiden. Nicht die wenigen Millionäre dürfen in der Demokratie die „Bestimmer“ sein, sondern die Millionen Bürgerinnen und Bürger. Damit die Demokratie wirkt, müssen wir mehr Demokratie wagen. Die Frage, ob man eine Arbeit hat, von der man seinen Lebensunterhalt bestreiten kann, hängt damit eng zusammen. Deshalb ist ein Mindestlohn so wichtig, weil er auch Teilhabe und damit die Demokratie schützt. Es ist höchste Zeit – ein Lohn, von dem leben kann, das ist das Mindeste!