Weitervereinigung

Die Wiedervereinigung hat Geburtstag und da lädt die Ministerpräsidentin natürlich zu einem Festakt ein. Ort des Geschehens ist die Neue Oper in Erfurt und es wird ein ganz unterhaltsamer Abend. Eines der Hauptgesprächsthemen ist immer noch meine Identitätskrise, die für viele Lacher sorgt. Immerhin kann ich aber auch meine Beschwerde darüber loswerden, denn der Chef des Landesfunkhauses ist auch da und muss mir erklären, warum sein Sender mir die Identität genommen hat.
Neben den persönlichen Späßen kam aber auch das Nachdenken an diesem Abend nicht zu kurz. Einen guten Teil dazu beigetragen hat der Rektor der Jenaer Uni, Prof. Klaus Dicke, mit seiner Festrede. Er meinte, gerade weil der 3. Oktober nicht so viel Pathos in sich birgt, biete sich doch die Gelegenheit konkreter darüber nachzudenken, was mit der friedlichen Revolution erreicht wurde und wie sich unsere Gesellschaft seitdem entwickelt hat. Diese Idee, den Feiertag eher als Lerntag zu verstehen, den man nutzt um darüber nachzudenken, wie Gestaltungschancen genutzt wurden und genutzt werden können, gefällt mir richtig gut.
In diesem Rahmen kommen auch einige persönliche Erinnerungen hoch, die ich in diesem Prozess des Zusammenwachsens gesammelt habe. Eine der eindrücklichsten ist nach wie vor Bischofferode (mit vielen Hoffnungen und vielen Rückschlägen / Hier ein ausführlicher TLZ-Artikel: Kaligrube Bischofferode), aber auch die Entstehung der LINKEN, die ich aus nächster Nähe begleiten durfte, hat prägende Eindrücke hinterlassen. Aus diesen Erfahrungen kann ich nur schließen, dass das Zusammenwachsen unserer Gesellschaft Daueraufgabe bleibt und jetzt beispielsweise dafür gesorgt werden muss, dass durch Niedriglöhne und daraus folgende Niedrigrenten nicht Trennendes manifestiert wird. Sonst spüren am Ende auch noch kommende Generationen eine Grenze, obwohl sie die DDR nie erlebt haben. Auch zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung brauchen wir die Weitervereinigung.