Fundsache

In meiner Gerichtsakte zu meiner angeblichen Rädelsführerschaft in Dresden anlässlich des Naziaufmarsches im Februar 2010, die ich gestern bekommen habe, fand ich einen handschriftlichen Vermerk des Richters am Amtsgericht in Dresden, Herrn Dietz, vom 9.12.2011. „Im Hinblick auf die negative Vorbildfunktion und die starke Außenwirkung seines Handelns sowie der zielgerichteten Vorgehensweise erscheint dem Gericht eine Tagessatzangabe von 20 Tagessätzen viel zu gering“.
So, so!

Der Richter am Amtsgericht Dresden empfand also meine Teilnahme an der Demonstration am 13. Februar 2010 als eine „negative Vorbildfunktion“, und er stellte sogar fest, dass dies eine „starke Außenwirkung“ gehabt hätte. Sogar zielgerichtet sei meine Vorgehensweise gewesen, nämlich tatsächlich – und das stimmt; meine Absicht war und ist es – dem braunen Ungeist in Dresden keinen Platz zu lassen. Aber diese „negative Vorbildfunktion“ in Verbindung mit der beabsichtigten Wirkung, nämlich dem braunen Ungeist keinen Raum zu lassen, das, so meint Herr Richter Dietz, sei mit 20 Tagessätzen á = 170 Euro noch gar nicht genug geahndet.
Offenbar möchte Herr Amtsrichter Dietz eine solche Vorbildwirkung auf Zehntausende Menschen mit einer möglichst hohen Geldstrafe unterbinden.
Offenbar möchte Herr Amtsrichter Dietz damit auch erreichen, dass friedliche Demonstrationen gegen den braunen Ungeist gar nicht erst entstehen, denn, wenn keiner ein Vorbild ist und niemand hingeht, wird es auch keinen Widerstand gegen solche Naziaufmärsche geben.

Ich frage mich erschreckt beim Lesen solcher Zeilen, ob das nüchterne Hantieren mit Paragraphen zu blutleeren Entscheidungen führt oder ob die Abschreckungswirkung mit Datum vom 9.12.2011 in völliger Unkenntnis der rassistischen Morde, des Naziterrors der NSU, der Rückverbindung dieser Nazizelle mit Sachsen völlig verborgen geblieben ist.

„Deutschland – Deine Richter“ fällt mir da ein, und ich frage mich, was eigentlich passiert, wenn ich diese Gedanken in mein Tagebuch schreibe, bevor das Gerichtsverfahren in Dresden stattgefunden hat und ob Herr Amtsrichter Dietz mit mir noch ein faires Verfahren führen wird, denn selbstverständlich werde ich diese Strafe nicht zahlen, denn dass ich angeblich die Nazis durch Blockade am Marschieren gehindert hätte, die Strafbarkeit dieses Handelns ist mir bis heute völlig unklar, und wie die Staatsanwaltschaft und jetzt auch das Gericht auf diesen juristischen Zusammenhang kommen, bleibt mir schleierhaft.

Dass ich aufgerufen habe zum Aktionstag „Bündnis Dresden – Nazi frei! Dresden stellt sich quer!“ – das gestehe ich ein und dass ich persönlich anwesend war – ebenso!
Dass mir nun gerichtlich vorgehalten wird, dass in diesem Text am Ende stand: „Unterstützt uns Dresdner und Dresdnerinnen und kommt am 13. Februar in unsere Stadt – gemeinsam werden wir die Nazis stoppen“ und dieses auf der Homepage von „Dresden Nazifrei“ gestanden hat, das ist alles unstrittig.
Wie ich aber durch eine Fraktionssitzung unter freiem Himmel nun zum rechtlich Verantwortlichen an einer ganz anderen Stelle in der Stadt geworden sein konnte, ohne dort gewesen zu sein, bleibt doch das Geheimnis der Staatsanwaltschaft und des Amtsgerichts. Bislang dachte ich, in einem Rechtsstaat nur wegen konkreter Taten belangt werden zu können. Aber sei’s drum!

Der Geist des Amtsgerichts wird aus diesem Vermerk nun sehr deutlich, denn es geht um Abschreckung, Abschreckung von Versammlungen, bei denen Zehntausende Menschen gemeinschaftlich deutlich machen, dass sie Faschismus für das halten, was er ist – nämlich ein Verbrechen und keine Meinungsäußerung!

Deshalb sehe ich gelassen dem Gerichtsverfahren entgegen und engagiere mich heute mit einer Plakataktion, denn nun heißt es wiederum: Auf geht’s nach Dresden, lasst Euch nicht einschüchtern, die Nazis, die Nazi-Ideologie und der Nazi-Terror in Deutschland hängen eng zusammen, und zehn tote Menschen sind Grund genug, Dresden nicht dem brauen Ungeist zu überlassen!

Ich bin gespannt, ob jetzt auch der SPD-Bundesparteitag, der den Aufruf beschlossen hat, in Gänze mit angeklagt wird und ob nicht nur Zehntausende Daten illegal per Handygate gesammelt werden, sondern alle technisch erfassten Daten ebenfalls dazu führen, dass die Bürger unter Anklage geraten. So viel Verfolgungseifer hätte ich mir doch von der sächsischen Justiz bei der Nazi-Terrorzelle gewünscht, denn 13 Jahre hat man in Sachsen angeblich nichts gemerkt, und kein Richter, kein Staatsanwalt und keine Polizei sahen sich in der Pflicht, über das eigene Verschulden oder die eigene Unfähigkeit nachzudenken.
Dies ist der Grund, warum ich mit den Bürgern in Dresden auch dieses Mal friedlich demonstrieren werde!