Eine nicht gehaltene Rede

Ich habe mich sehr auf dieses Wochenende gefreut. Heute Abend der Landespresseball, morgen der Bundesparteitag der LINKEN. Leider ist meine Stimme beinahe weg. Ich musste beide Termine absagen, verbringe dieses Wochenende krank zu Hause und schaue mir den Bundesparteitag im Livestream an (hier mit und ohne Gebärdendolmetscher: https://www.die-linke.de/mediathek/livestream/). Meine Rede, die ich auf Bitten des Parteivorstands vorbereitet habe, kann ich nun nicht halten. Aber Ihr könnt hier nachlesen, was ich den Delegierten des Parteitages zu sagen gehabt hätte.
Den Thüringer Journalistinnen und Journalisten wünsche ich heute einen großartigen Ballabend und gratuliere vorab dem oder der Preisträger/in des Thüringer Journalistenpreises 2016. Den Delegierten des Parteitags der LINKEN wünsche ich eine erfolgreiche Tagung. Und Katja Kipping und Bernd Riexinger, die sich morgen zur Wiederwahl als Parteivorsitzende stellen, wünsche ich ein tolles Ergebnis, mit dem sie die Partei gestärkt in den Bundestagswahlkampf führen können.

DIE ZUKUNFT IST LINKS – EINE NICHT GEHALTENE REDE

Liebe Genossinnen und Genossen, Liebe Freundinnen und Freunde, Liebe Gäste,

Ich darf euch Grüße aus dem südlichen Nachbarland von Sachsen-Anhalt ausrichten. Aus Thüringen. In Erfurt regiert wie in Magdeburg ein Drei-Parteien-Bündnis. Aber keins, das aus der Not geboren wurde, sondern eins, das auf Einigkeit im Grundsatz beruht. Gerechtigkeit, Demokratie, Ökologie, soziale Sicherheit, diese Begriffe umreißen eine Modernisierungspolitik der linken Mitte, die wir seit 18 Monaten Schritt für Schritt umsetzen, und mit der sich Mehrheiten erringen lassen. Wären heute Wahlen, würde Rot-Rot-Grün wiedergewählt, mit einer stabileren Mehrheit.

Unsere Ministerinnen und Minister machen linke Regierungspolitik konkret. Unsere Arbeitsministerin Heike Werner hat den Einstieg in den Thüringer ÖBS umgesetzt und kämpft für höhere Löhne in der Pflege. Unsere Infrastrukturministerin Birgit Keller gestaltet die soziale Landesentwicklung, unter anderem durch die Förderung des sozialen Wohnungsbaus, und kämpft im Moment mit dem Bund wie eine Löwin um das Geld für unseren Nah- und Regionalverkehr. Unsere Bildungsministerin Birgit Klaubert hat das versprochene Bildungsurlaubsgesetz abgeliefert und geht jetzt an die Umsetzung des versprochenen beitragsfreien Kita-Jahrs. Unser Staatskanzleichef und Kulturminister Benjamin Hoff managt den rot-rot-grünen Regierungsalltag und stellt derzeit die Theaterfinanzierung auf feste Füße für die Zukunft.

Rot-Rot-Grün setzt bundespolitisch unübersehbare Akzente, sei es bei der Flüchtlings- und Integrationspolitik, bei der Auseinandersetzung um TTIP und Ceta, bei der Ostrentenangleichung, bei der finanziellen Ausstattung der Bundesländer, in der Energiepolitik oder ganz aktuell bei den geplanten Hartz-IV-Verschärfungen.

Und ein linker Ministerpräsident macht auch selbst den Unterschied. Ein einziger Ministerpräsident hat im September 2015 nicht „Ja“ gesagt, als die erste große Asylrechtsverschärfung im Kanzleramt beschlossen wurde. Die Thüringer Staatskanzlei ist meines Wissens die einzige, in der das kurdische Newroz-Fest gefeiert wurde. Und es war unser öffentlicher Protest, der überhaupt dafür gesorgt hat, dass die schon beschlossene Kürzung der Nahverkehrsfinanzierung für die neuen Bundesländer wieder aufgeschnürt wurde. Die Legalisierung der medizinischen Nutzung von Cannabis basiert auf einer Thüringer Initiative. Es macht einen Unterschied, wer in der Staatskanzlei regiert.

Kein anderer Ministerpräsident hat sich schließlich persönlich auf den Weg zu einem Bahnhof gemacht, um den ersten Flüchtlingszug selbst in Empfang zu nehmen.

Wir zeigen, dass es geht. Wir zeigen, dass DIE LINKE eine Landesregierung erfolgreich anführen kann.

Vor einem Jahr, liebe Genossinnen und Genossen, habe ich in Bielefeld gesagt, Regieren ist kein Selbstzweck, aber Opposition auch nicht. Heute schauen wir zurück auf ein Jahr, das so niemand hat kommen sehen. Vor einem Jahr diskutierte unsere Landesregierung gerade über das Bildungsfreistellungsgesetz, über eine bessere Förderung für freie Schulen, über den ersten rot-rot-grünen Haushalt und über EINE neue Erstaufnahmeeinrichtung in Thüringen, um die damals noch relativ langsam steigenden Flüchtlingszahlen zu bewältigen. Damals ahnte noch niemand, was kommen würde. Damals war uns allen noch nicht klar,

· dass wir als Land bald 10 statt 3 Erstaufnahmeeinrichtungen betreiben würden,

· dass wir die Zahl der verfügbaren Erstaufnahmeplätze für Flüchtlinge im Herbst innerhalb von Wochen verfünffachen mussten.

· dass sich der Etat für Flüchtlingsunterbringung und Integration von rund 40 Mio. Euro 2014 bis 2017 auf mehr als 400 Millionen Euro verzehnfachen würde.

Gleichwohl kann ich nach diesem Jahr sagen: Rot-Rot-Grün macht auch hier den Unterschied. Wir haben im Rahmen unserer Möglichkeiten dafür gesorgt, dass die nach Thüringen kommenden Flüchtlinge human und ordentlich behandelt werden. Für uns war von Anfang an klar:

· Im Mittelpunkt steht der Mensch.

· Wir wollen Fluchtursachen bekämpfen und nicht Flüchtlinge.

· Wir nutzen die Flüchtlingsunterbringung nicht als Abschreckungsinstrument. Kein Mensch musste im Zelt schlafen.

In Thüringen gibt es kein augenzwinkerndes Einverständnis der Landesregierung mit „besorgten Bürgern“ sondern klare Kante. Wo Nazis marschieren, dort steht in aller Regel ein Mitglied der Landesregierung offen und unübersehbar auf der Seite des antifaschistischen Protests.

Und ich erinnere mich noch gut daran, als Thüringen und Brandenburg zunächst die einzigen Länder waren, die im Herbst 2015 nicht dem Asylpaket I zustimmen wollten. Als wir allem politischen Druck zum Trotz bei unserem Nein blieben, folgten uns auch zwei andere Länder, so dass am Ende ein deutlich erkennbarer rot-rot-grüner Block im Bundesrat nicht zustimmte.

Es war Thüringen, das als einziges Land das Angebot unterbreitet hat, einen Beitrag zur Auflösung des Schand-Lagers in Idomeni zu leisten und 1.000 bis 2.000 der dort gestrandeten Flüchtlinge aufzunehmen. Wir haben für diesen Vorschlag schwere Kritik eingesteckt, und er hatte keine Chance auf Umsetzung. Aber er war richtig, und wir stehen dazu. Europas Umgang mit den Menschen, die an unseren Grenzen stranden, ist und bleibt eine Schande.

Wir waren nicht nur hier im engen Austausch mit der griechischen Regierung, mit unseren Genossinnen und Genossen von Syriza.

Ein Ergebnis dieser Kooperation ist nebenbei bemerkt ein griechisch-thüringisches Kooperationsprojekt zur Ausbildung arbeitsloser griechischer Jugendlicher. Hilfe ist immer konkret.-

Die Thüringer Landesregierung hat Haltung gezeigt. Wir haben uns der allgemeinen Hysterie der Asylrechtsverschärfung nicht angeschlossen.

Wir haben im Bundesrat und in der Runde der Ministerpräsidenten der Länder dafür gestritten, dass Integration Vorfahrt hat. Wir haben nie einen Zweifel daran gelassen, dass Thüringen die bunte Mitte Deutschlands und Europas bleiben soll.

Ein menschliches Gesicht für die, die auf der Flucht vor Gewalt und Verfolgung zu uns kommen, ist selbstverständlich. Zuwanderung ist eine Chance und keine Bedrohung für unser Land. Dafür stehen wir ein, dafür zeigen wir Gesicht, und dafür ernten wir Zustimmung und Respekt von einem großen Teil der Thüringer. Ganz nebenbei zeigen wir: der Rechtsruck in diesem Land ist kein Naturgesetz. Es geht auch anders!

Aber ich werde mich hier nicht verstecken. Auch eine von der LINKEN geführte Landesregierung ist daran gebunden, geltendes Recht zu vollziehen. Ja, auch aus Thüringen wurden und werden Menschen gegen ihren Willen zur Ausreise gezwungen, abgeschoben, wie das sehr deutsche Wort dafür lautet. 461 Menschen im Jahr 2015, bei knapp 30.000 Ankommenden. Und das passiert, obwohl wir diese Praxis als inhuman ablehnen.

Jede einzelne dieser Abschiebungen empfinde ich als Niederlage. Jede, die verhindert werden kann, oder bei deren Verhinderung wir sogar mit legalen Mitteln diskret helfen können, ist ein kleiner Erfolg. Hinter jeder vollzogenen Abschiebung steht ein menschliches Drama. Und ich habe den allerhöchsten Respekt vor allen, die sich gegen diese inhumane Praxis einsetzen, im Prinzip und im Einzelfall.

Aber ich kann auch für uns als LINKE in Thüringen sagen, dass unser Gewissen rein ist.

Wir nutzen unsere Spielräume so weit wie möglich aus. Wir haben in einem Erlass der Willkür des Vollzugs deutliche Grenzen gesetzt. Wir, und damit meine ich jetzt vor allem ein Netzwerk an Flüchtlingshelferinnen mit dem Parteibuch der LINKEN, kämpfen um humanitäre Lösungen für Einzelfälle. Ich nenne hier stellvertretend aus der unserer Thüringer Landtagsfraktion Christian Schaft und Sabine Berninger. Niemand zählt die verhinderten Abschiebungen. Aber die verfügbaren Zahlen sprechen auch hier für sich. Das vergleichbar große Sachsen-Anhalt schiebt doppelt so viel ab, wie Thüringen. Eine von der LINKEN geführte Landesregierung ändert nicht sofort alles zum Besseren, Rot-Rot-Grün macht aber auch hier einen Unterschied. Und ich verspreche: wir werden uns nicht zufrieden geben, wo sich Spielräume für humanitäre Politik ergeben, müssen wir sie identifizieren und auch nutzen. Dafür sorgen schon engagierte Flüchtlingspolitiker aus unseren eigenen Reihen. Aber das wird einen anderen Kampf nicht ersetzen, den wir als Gesamtpartei führen müssen.

Die Regeln, die diese inhumane Praxis begründen, werden in Berlin von einer ganz großen Koalition aus Union, SPD und Grünen, inzwischen auch noch angetrieben von der AfD, gemacht, bejaht und fortlaufend verschärft. Wenn wir diese Regeln ändern wollen, müssen wir für andere Mehrheiten im Bund kämpfen. Ich bin dabei! Wenn wir wollen, dass die Abschiebeflüge am Boden bleiben, dann brauchen wir auch in Berlin eine andere Regierung, eine bessere Regierung.

Zurück nach Thüringen. Wir nehmen jetzt entschlossen genau das in Angriff, was getan werden muss, damit aus Flüchtlingen Neubürgerinnen und Neubürger werden. In Thüringen gilt eine administrative und legislative Verkehrsregel, die lautet: Vorfahrt für Integration. Die ersten jungen Flüchtlinge sind in Arbeit und Ausbildung. Die ersten Integrationsklassen an den Berufsschulen sind gefüllt. Kinder aus Syrien, aus Afghanistan, aus dem Irak, wo auch immer her, gehen in unsere Kitas und werden kleine Thüringer.

Und die Mitte der Gesellschaft zieht mit, die Unternehmen, die Kammern, die Verbände, die Gewerkschaften, die Kirchen und nicht zuletzt die Kommunen, die Tag für Tag Riesiges leisten. Wir machen nicht alles perfekt, aber die Richtung stimmt. Für Thüringen kann ich den Satz der Kanzlerin bekräftigen: Wir schaffen das!

Aber wir schaffen das nicht wegen der Kanzlerin sondern trotz ihrer Bundesregierung. Wir gehören nicht zum Lager der Kanzlerin, weil sie nicht auf derselben Seite steht wie wir. Sie stand im vergangenen Jahr nicht auf der Seite der griechischen Arbeiter, Rentner und Familien, die in Brüssel im Namen des Euros um ihr Einkommen und ihre Zukunftschancen gebracht wurden. Sie steht nicht auf der Seite derjenigen, die hierzulande von ihrer Hände Arbeit leben müssen, weil sie immer dann wenn es ernst wird, armutsfeste Renten, mehr Rechte für Arbeitnehmer und mehr soziale Sicherheit für alle verhindert.

Sie ist die Kanzlerin, die CETA und TTIP vorantreibt, sogenannte Handelsabkommen, die sich wie Manifeste des Neoliberalismus lesen und für eine Welt geschrieben sind, in der Konzerne und Banken alles zu sagen haben, und Arbeitnehmer und Verbraucher nichts. Sie ist die Schutzherrin der deutschen Millionäre und Milliardäre, die eine gerechtere Besteuerung hoher Einkommen und Vermögen verlässlich blockiert.

Sie hat ihrem Finanzminister Schäuble noch nicht mitgeteilt, dass er nicht milliardenschwere Überschüsse horten kann, während den Ländern und Kommunen das Wasser bis zum Halse steht. Die Kanzlerin hat bis heute nicht der Bevölkerung ihre richtige Entscheidung vom September 2015 erklärt und in einer Regierungserklärung für eine Politik der Weltoffenheit und Menschlichkeit geworben.

Trotzdem rufen die blaubraunen Hetzer auf den Marktplätzen des Landes im Chor „Merkel muss weg!“ Es sind die Geister, die sie selbst gerufen hat.

Es ist Merkels Europa, in dem keine Regeln mehr gelten außer dem Recht des Stärkeren, das immer mehr autoritäre und rechtsnationalistische Politiker in höchste Ämter spült. Wer über den Erfolg von Orban, Szydlo, Hofer und ihren deutschen Nachahmern entsetzt ist, darf über die die Verantwortung von Angela Merkel nicht schweigen. Nein, mit den Höckes, Gaulands und Petrys gibt es keine gemeinsame Sache und keine gemeinsame Sprache. Die sind rechts, wir sind links, so einfach ist das.

Wir sind DIE LINKE, wir sind die Plattform für diejenigen, die dieses Land nach vorn verändern wollen. Das sind viele. Sie demonstrieren in Massen gegen TTIP und Ceta. Sie kämpfen in der Lausitz für eine gerechte Energiewende. Sie zeigen bei Blockupy Flagge gegen den Raubtierkapitalismus der Finanzmärkte und den Austeritätswahn, der den Menschen ihr Einkommen und ihre Lebenschancen raubt. Sie helfen täglich zu Hunderttausenden in den Flüchtlingsunterkünften dieser Republik ehrenamtlich und ohne zu klagen, was alles nicht geht.

Sie laufen Sturm gegen die nächste Hartz-IV-Verschärfung die Andrea Nahles plant. Sie erkämpfen und erstreiken höhere Löhne und einen besseren Personalschlüssel in der Pflege, wie vor kurzem in der Berliner Charité. Sie sehen nicht ein, dass ihnen Immobilienspekulanten die Mieten in schwindelnde Höhen treiben. Sie kämpfen manchmal auch nur dafür, dass ihr Kleingarten nicht dem Renditewahn großer Konzerne geopfert wird.

Das ist unser Lager, liebe Genossinnen und Genossen, das sind die Vielen, die Millionen, die wirklich eine bessere Regierung verdient haben. Eine Regierung ohne Angela Merkel, eine Regierung ohne die CDU, und vor allem eine Regierung, auf die ein Horst Seehofer und seine bayerische Separatistenpartei keinen Einfluss mehr haben. Diese Kanzlerin und ihre Parteienfamilie müssen raus aus dem Kanzleramt. Eine Bundesregierung, die von den Launen eines Horst Seehofers abhängt, ist eine schlechte Bundesregierung. Aber sie sollte nicht von einer noch schlechteren abgelöst werden.

Dass wir so ein Szenario nicht ausschließen können, zeigt der Blick nach Polen, Ungarn und Österreich. Aber es liegt doch an uns, dass die Träume von Höcke und Petry nicht in Erfüllung gehen.

Die Richtungsentscheidung, vor der Deutschland steht, beschreibe ich folgendermaßen: Wollen wir ein abgeschottetes Land werden, in dem die Skrupellosen die Ängstlichen regieren? Oder wollen wir den Weg nach vorn in eine soziale Einwanderungsgesellschaft einschlagen. Dieser zweite Weg wird uns viel abverlangen. Aber er hält für uns alle Potenziale für ein besseres Leben und Arbeiten bereit. Für DIE LINKE heißt das, dass wir die Machtfrage in diesem Land stellen müssen. Genau so habe ich Katjas und Bernds Forderung nach einer „Revolution der Gerechtigkeit“ verstanden. Nebenbei bemerkt: welche andere Partei kann Vorsitzende aufweisen, die sich mit einem derartigen Wurf nach vorn wagen. Ihr macht eine tolle Arbeit, und ich wünsche mir, dass ihr sie mit einem starken Mandat des Parteitags mindestens zwei weitere Jahre macht.

Wir haben uns seit 2005 auf den gemeinsamen Weg gemacht, eine starke soziale Opposition in diesem Land zu etablieren. Wir haben Siege gefeiert und Niederlagen erlitten. Wir haben vieles erreicht, und manches nicht. Aber die historische Zäsur, die dieses Land und dieser Kontinent erleben, verlangt von uns, dass wir nicht länger den Erfolgen von gestern hinterhertrauern und die Niederlagen von gestern betrauern.

Wir haben einen anderen Job, den uns niemand abnehmen wird. Wir müssen die politische Linke von morgen erfinden.

Die Zukunft des Landes liegt diesseits der Mitte. Die Zukunft ist links. Wenn wir uns nicht mehr trauen, diesen Satz laut zu sagen, dann geben wir den Gestaltungsanspruch der politischen Linken auf. Und das sollten wir ganz und gar nicht.

In Thüringen zeigen wir in einem kleinen Bundesland, dass die politische Linke von vorn regieren kann. Die Erfahrungen, die dort gesammelt werden, sind spezifisch und nicht 1:1 übertragbar. Wir tun unser Bestes, wir machen auch Fehler, wir versuchen immer wieder, es besser zu machen. Aber das Thüringer Beispiel zeigt eben immerhin eins: Es geht. Die selbsternannte Thüringen-Partei CDU war nicht alternativlos, und die selbsternannte Kanzleramtspartei CDU ist es auch nicht! Es braucht aber eine Partei diesseits der Union in Deutschland, die das auch sagt.

SPD und Grüne kommen für diese Rolle nicht mehr in Frage. Sie haben ihre strategischen Entscheidungen auf Bundesebene anders getroffen und werden von vielen Menschen dort vor allem als Teil von Merkels Lager wahrgenommen. Deshalb folgt aus dieser Rollenbeschreibung für DIE LINKE weder die Ausrufung eines bundespolitischen rot-rot-grünen Frühlings, den es nicht geben wird, noch das Gegenteil.

Deshalb haben alle recht, die sagen, dass es kein rot-rot-grünes Lager gibt. Was es aber gibt, ist ein Lager der gesellschaftlichen und politischen Linken. Und es braucht eine Partei, die sich als Mobilisierungskern und intellektueller Kristallisationspunkt für dieses Lager begreift. Eine Partei, die sagt: eine progressive Regierung ohne Union ist möglich. Diese Partei sollte DIE LINKE sein. Diese Rolle zu übernehmen, wäre radikaler, als alle Beschlüsse, die wir heute und morgen fassen können.

Im Herbst stehen zwei weitere wichtige Landtagswahlen an. Sowohl in Berlin als auch in Mecklenburg-Vorpommern ist eine rot-rot-grüne Landesregierung. Es lohnt sich, dafür zu kämpfen, dass die CDU aus diesen Landesregierungen hinausfliegt. Berlin und Mecklenburg-Vorpommern haben bessere Regierungen verdient. Ja, in Sachsen-Anhalt hat es nicht geklappt mit dem rot-rot-grünen Wechsel, aber es lag dort so wenig an unserem Spitzenkandidaten Wulf Gallert, wie in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz an Bernd Riexinger und Jochen Bühlow.

Das Frühjahr hat gezeigt: wir gewinnen zusammen und wir verlieren zusammen. Vor allem aber sind wir stark, wenn wir zusammen kämpfen. In Berlin und Mecklenburg für einen rot-rot-grünen Politikwechsel, danach im Saarland, in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen für eine starke linke Stimme im Landtag, gegen die nicht Politik gemacht werden kann. Und danach geht es zusammen in einen Bundestagswahlkampf, den wir beginnen, um zu gewinnen. Packen wir es also an. Vielen Dank!