Eindrücke aus Budapest
Zwischen den Feiertagen war ich für ein paar Tage in der ungarischen Hauptstadt Budapest. Nach Gesprächen mit Vertretern der Wirtschaft und der Kirche habe ich einen kleinen Einblick in die Lebenswelt des Landes bekommen. Wenn wir uns fragen, warum der europäische Zusammenhalt so geschwächt wirkt, müssen wir auch die Perspektive der Menschen in den verschiedenen Staaten einnehmen können. Der Mindestlohn in Ungarn liegt bei weniger als drei Euro, aber die Lebenshaltungskosten sind fast so hoch wie bei uns. Wie lässt sich so der Alltag bewältigen? Wenn das wirtschaftliche Niveau Ungarns nur bei 20 Prozent des europäischen Durchschnitts liegt, dann geht etwas schief. Dann verliert Europa auch seinen Glanz und Hoffung.
Wenn die Menschen in Ungarn das Gefühl haben, nur noch in einer Kolonie zu leben und zum verarmten Zuschauer der europäischen Zusammenarbeit degradiert zu sein, dann muss man sich über einige Wahlergebnisse nicht wundern. Europa muss von den Menschen gelebt und gedacht werden. Deshalb habe ich während meines Besuchs auch gerne wahrgenommen, dass es in Ungarn auch Wirtschaftsfachleute gibt, die sich klar für die Erhöhung des Mindestlohns einsetzen. Ich konnte mit Unternehmern sprechen, die deutlich sagen, dass Europa nur mit gemeinsamen Mindeststandards bei Renten und Löhnen wachsen kann.
Zu meinem Besuchsprogramm gehörten auch ein Zusammentreffen mit der Jüdischen Gemeinde, ein Besuch in der Synagoge und der Besuch des Schabbat-Gottesdienstes. Beeindruckt hat mich außerdem ein Mahnmal der besonderen Art – direkt am Ufer der Donau. Dort stehen auf den ersten Blick achtlos hingeworfene Schuhe – sie symbolisieren aber die Schuhe der jüdischen Bewohner der Stadt, die 1944 und 1945 von Pfeilkreuzlern, also den ungarischen Faschisten, an genau dieser Stelle zusammengetrieben und in die Donau gestoßen wurden. Sicherlich geschah das unter den Augen der deutschen Besatzer. Auf die hilflosen und ertrinkenden Menschen wurde dann wahllos geschossen – bestialische Morde, wie man sie sich grausamer nicht vorstellen kann.
So habe ich viel Stoff zum Nachdenken aus Budapest mit zurück nach Thüringen genommen. Trotzdem bleibt auch der Eindruck, dass es eine wunderschöne Stadt ist, in der ich spannende Tage verbringen durfte. Vieles dort hat mich neugierig gemacht.