Schritt für Schritt für Schritt

Es passieren viele bewegende Ereignisse in diesen Tagen. Am Samstag das schreckliche, rassistisch motivierte Attentat auf Henriette Reker, am Sonntag ein tödliche Gewalttat in Wutha-Farnroda, am Montag wurde wieder eine geplante Flüchtlingsunterkunft durch Vandalismus zerstört – angesichts all dieser Vorfälle habe ich viel Verständnis für alle Menschen, die jetzt Fragen haben und sich zum Teil auch Sorgen machen. Das, was wir momentan erleben, ist eine Herausforderung, wie sie wohl seit 25 Jahren nicht erlebt hat. An allen Orten wird über die Aufnahme und die Integration von Flüchtlingen diskutiert und mein Eindruck ist, dass es viele differenzierte Einschätzungen gibt.

Am Samstag war ich beim Festakt zum 70-jährigen Bestehen der Volkssolidarität und auch dort gab es vor allem ein Thema, das ich mal positiv umschreiben will: Unsere Gesellschaft wächst. Nach jahrzehntelangem Bevölkerungsrückgang ist das eine Entwicklung, die für uns alle sehr ungewohnt ist. Ich finde, wir müssen uns mit der Herausforderung Schritt für Schritt und am besten immer im Konkreten auseinandersetzen. Wie gestalten wir Integration vor Ort? Wie werden Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt aufgenommen? Wie schaffen wir es in den Schulen, den Neuankömmlingen so schnell wie möglich die deutsche Sprache beizubringen? Wie vermitteln wir die Werte unseres Grundgesetzes? Und natürlich: Wie viele Menschen kommen wirklich und wo werden die alle wohnen?

Wir – und damit meine ich nicht nur die Landesregierung, sondern eine Vielzahl öffentlicher Akteure – arbeiten intensiv an der Beantwortung dieser Fragen. Und wir versuchen alle Antworten so transparent wie möglich zu machen. Dass in allen Punkten noch ein weiter Weg vor uns liegt, ist sicher nicht zu übersehen. Aber wir gehen diesen Weg. Denn nur so können wir auch auf Fragen und Sorgen aus der Bevölkerung reagieren, indem wir die Dinge angehen – weder mit Zweckoptimismus und erst recht nicht mit Pessimismus, sondern ganz praktisch.

Heute geht durch die Medien, dass es in Thüringen im bevorstehenden Winter keinen pauschalen Abschiebestopp geben wird. Das ist eine Absage an pauschales Handeln aber keine Absage an Humanität. Ich sage explizit: Wir werden auf eine humanitäre Einzelfallprüfung setzen. Im letzten Jahr hatten wir einen Erlass, der besagte, dass einige Staaten hinsichtlich des Klimas problematisch sind und wir deswegen über den Winter auf Abschiebungen dorthin verzichten. Im kommenden Winter wollen wir einen anderen Weg gehen, in dem wir konkret schauen, ob es gerade eine Kältewelle gibt oder ob die Bedingungen vertretbar sind. Fest steht: Das Humanitäre hat immer Vorrang. Es darf niemand irgendwohin geschickt werden, wo sein Leben bedroht ist.

Worauf ich auch noch einmal hinweisen will: In Thüringen muss kein Flüchtling in einer Zeltunterkunft leben, alle haben ein sicheres Dach über dem Kopf. Viele Akteure haben große Kraftanstrengungen unternommen, um diese Bedingungen herzustellen und auch weiter zu gewährleisten. Das sollten wir nicht klein reden. Deswegen mein ausdrücklicher Dank an alle Verantwortungsträger und explizit auch an die Bundeswehr, die uns momentan mit viel Hilfe zur Seite steht. Für diese Hilfe bin ich sehr dankbar.