Debatten sollten mit Fragen beginnen, nicht mit Antworten

Als ich am Samstag in Weimar war, hat mich der Opernchor des Nationaltheaters mit einer Passage aus Verdis Nabucco in Empfang genommen – dem Gefangenenchor. Ich sah die Sänger aber lieber als freie Demonstranten denn als babylonische Gefangene, denn es ging ja nicht darum, mir ein Ständchen zu singen, sondern in der Debatte um die Zukunft der Thüringer Theater- und Orchesterstruktur sollte ein kraftvolles Signal gesetzt werden. Das finde ich erstmal richtig und wichtig. Ich habe aber auch geantwortet, dass wer Fragen hat, die Antworten nicht scheuen braucht. Es gibt einen Dialogprozess unter Leitung des Kulturministers Benjamin-Immanuel Hoff und der für Kultur zuständigen Staatssekretärin Babette Winter und ich finde es absolut richtig, wie die beiden an die Sache herangehen. Deswegen muss ich auch gar nicht mehr dazu sagen. 🙂

Es gibt ein anderes Thema, zu dem ich mich hier etwas ausführlicher äußern will: Die ostdeutschen Ministerpräsidenten haben sich am Wochenende in der WELT in seltener Geschlossenheit zu Wort gemeldet und davor gewarnt, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Hass auf Flüchtlinge als primär ostdeutsche Phänomene zu bearbeiten. Auch ich wurde in den meisten Meldungen mit dem Satz zitiert „Wir reden von einem gesamtdeutschen Problem, das wir gesamtdeutsch bekämpfen müssen.“ Dies hat Widerspruch ausgelöst. Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz sagt, es gebe im Osten eine größere Bereitschaft zu einer fremdenfeindlichen Radikalisierung als im Westen. Und die BILD-Zeitung veröffentlicht eine Kaskade von Zahlen, die belegen sollen, dass der Osten tatsächlich im Schnitt fremdenfeindlicher und demokratieferner eingestellt ist, als der Rest der Republik.

Zahlen sind ein gutes Stichwort. Ich möchte hier nicht versäumen, meine vollständige Antwort auf die mir von der WELT gestellte Frage zum Besten zu geben. Ich wurde gefragt, ob die ostdeutschen Bundesländer ein besonderes Problem mit Rechtsradikalismus und rechter Gewalt im Vergleich zu anderen Regionen Deutschlands haben. Meine volle Antwort lautete: „Niemand kann die Zahlen ignorieren. Aber es bringt nichts, das Problem auf den Osten zu reduzieren. Im Moment brennen bundesweit Nacht für Nacht Flüchtlingsunterkünfte. Und die Hotspots der braunen Gewalt liegen in allen Himmelsrichtungen verteilt. Wir reden von einem gesamtdeutschen Problem, das wir gesamtdeutsch bekämpfen müssen.“

Ich leugne nicht, dass wir im Osten ein gewaltiges Problem mit rechter Hetze und brauner Gewalt haben. Aber ich melde deutliche Zweifel daran an, dass die Frage nach Ost und West geeignet ist, uns wirklich weiterführende Antworten zu geben. Es gibt keinen Königsweg in dieser Situation, aber ich sehe drei Ansätze: Erstens setze ich auf die Stärkung der Zivilgesellschaft. Da hat eine Landesregierung eine nicht zu ersetzende Vorbildwirkung. Rot-Rot-Grün hat nie den Hauch eines Zweifels daran zugelassen, dass wir für einen humanen Umgang mit Flüchtlingen einstehen. Und wo in Thüringen Nazis demonstrieren, sind die Regierungsmitglieder stets bei den demokratischen Protesten dagegen zu finden. Zweitens hilft nur die Ausweitung der Bildung und Aufklärung. Genau deshalb hat Thüringen ein Landesprogramm gegen Rechtsextremismus. Und drittens müssen wir auch auf den Druck des Rechtsstaats mobilisieren. In Thüringen gilt die Linie: Null Toleranz gegen Hetze und Gewalt, egal von wem sie kommt. Wir sagen damit auch potenziellen rechten Gewalttätern: Wir tolerieren keinen Millimeter von dem, was ihr tut. Ihr werdet mit den Mitteln des Rechtsstaats bestraft.