Kreuz und quer
Nach einem langen Tag – unter anderem mit Interviews für Le Monde und arte – hatte ich gestern noch einen schönen Abend in Aschaffenburg. Die dortige Gemeinde der evangelisch-lutherischen Christuskirche veranstaltet regelmäßig Diskussionsabende unter dem Titel „Kreuz und Quer“ und schon vor über einem Jahr wurde ich eingeladen, mal an einem dieser Abende als Referent teilzunehmen. Als mein Büro den Termin dann im Januar festgemacht hat, war noch nicht abzusehen, wie beschäftigt ich in diesen Tagen sein werde, aber versprochen ist versprochen und deswegen wollte ich nicht mehr absagen.
Es wäre auch ein Fehler gewesen, nicht hinzufahren, denn mit Klaviermusik und sehr freundlichen Menschen, war es wirklich eine schöne Atmosphäre. Nach meinen Vortrag zum Thema „Reformation und Politik“ haben wir noch über eine Stunde diskutiert. Dabei habe ich gemerkt, dass sich auch einige Linke in die Kirche „verirrt“ hatten und überhaupt schien der Pfarrer zufrieden zu sein, dass er viele ihm unbekannte Gesichter begrüßen konnte. Wenn ein paar von denen überzeugt wurden, dass man diese Veranstaltungsreihe ruhig öfter besuchen kann, würde ich mich sehr freuen. Der Gemeinde habe ich jedenfalls versprochen, in fünf Jahren wiederzukommen, um zu erzählen, was aus meinen Erwartungen geworden ist.
Ein anderes Thema: Was die Thüringer Medien angeht, bemühe ich mich wirklich, nicht pauschalisierend zu urteilen. Ich habe die Thüringer Allgemeine hier im Tagebuch oft genug als Thüringer Spezielle bezeichnet und ich glaube, das war auch nicht immer ganz falsch. Wie das so ist, es gibt meistens Licht und Schatten, und vielleicht kommt es zu selten vor, dass ich gute Berichterstattung lobe. Ich werde mir das vornehmen. Gestern allerdings, das kann ich nicht anders sagen, war wieder ganz viel Schatten.
Auf der Titelseite der TA stand als fette Überschrift „Ramelow kämpft für die seit 1956 verbotene westdeutsche KPD“. Das ist das Resultat dessen, wenn einzelne Sätze aus dem Zusammenhang genommen werden und ein völlig neuer Kontext um sie herum konstruiert wird. Der Satz, dass ich für die Aufhebung des KPD-Verbotsurteils bin, fiel auf der Veranstaltung in Marburg, über die ich hier schon mehrfach geschrieben habe. Der Hintergrund ist aber nicht, dass mir etwas daran gelegen wäre die KPD wiederzubeleben, sondern dass das Urteil von 1956 in der Gegenwart zur Begründung für die Beobachtung von Mitgliedern meiner Partei durch den Verfassungsschutz herangezogen wird.
Auch in der gerichtlichen Auseinandersetzung um meine Verfassungsschutzbeobachtung, wurde das KPD-Verbotsurteil von den Rechtsanwälten der Bundesregierung in ihren Schriftsätzen mehrfach herangezogen. Zwei Beispiele: In einem Schriftsatz an das Bundesverfassungsgericht vom 30.7.2012 wird ausdrücklich auf das KPD-Verbotsurteil im Rahmen einer Argumentation verwiesen, wonach das Bundesverfassungsschutzgesetz auch auf Abgeordnete anzuwenden sei, womit aus Sicht der Rechtsvertreter der Bundesregierung die geheimdienstliche Beobachtung von Abgeordneten legitim sei (S. 40f.). In einem Schriftsatz an das Bundesverwaltungsgericht vom 11.3.2010 wird das KPD-Verbotsverfahren für diese Argumentation herangezogen, da seinerzeit „ganz selbstverständlich auch das parlamentarische Verhalten der KPD“ in die Beweiswürdigung einbezogen worden sei (S. 56).
Darum geht es mir. Ich habe erfolgreich vor dem Verfassungsgericht erstritten, dass mich der Verfassungsschutz nicht mehr beobachten darf. Das eigentliche Ziel war aber, dass keine Abgeordneten meiner Partei mehr beobachtet werden. Um das zu erreichen, wäre ein wichtiger Schritt, das KPD-Verbotsurteil aufzuheben.
Noch ein Lesetipp, in dem es auch um die Veranstaltung in Marburg geht: Ein Interview mit dem Weser Kurier