Eine Gleichsetzung verbietet sich

In den Koalitionsverhandlungen kommen wir heute gut voran und ich bin zuversichtlich, dass wir nicht bis in die Morgenstunden sitzen. Während es in den Medien schon wieder Spekulationen gab, dass wir uns über den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor streiten würden, waren wir uns in der Verhandlungsrunde sehr schnell einig: Um die Arbeitsmarktpolitik zu stärken, soll das Landesarbeitsmarktprogramm fortgeführt und ein öffentlich geförderter Beschäftigungssektor eingeführt werden.

Die heutigen Berichte über die Veranstaltung in Marburg bewegen mich sehr, denn ich empfinde sie teilweise wirklich als reißerisch. Während es in der Thüringer Allgemeinen so dargestellt wird, wie es tatsächlich stattgefunden hat, ist es in vielen anderen Berichten leider sinnentstellend verkürzt. Das gipfelt dann in der Schlagzeile „Ramelow vergleicht Stasi mit der Gestapo“. Bei der Podiumsdiskussion haben wir sehr differenziert über die Arbeit von Geheimdiensten gesprochen. Kritisiert wurden beispielsweise der Radikalenerlass und die Schnüffelpraxis. Dazu habe ich u.a. gesagt, dass neben vielen negativen Eigenschaften der Geheimdienste in der Bundesrepublik zumindest die Erkenntnis aus den Verbrechen der Nazis gezogen wurde, dass Geheimdienste und Polizei getrennt sein müssen.

Dieses Trennungsgebot galt in der Bundesrepublik, aber nicht in der DDR. Das war der Punkt, aus dem jetzt die Gleichsetzung von Stasi und Gestapo gemacht wird. Eine solche Gleichsetzung verbietet sich aber und das habe ich in Marburg auch gleich im nächsten Satz gesagt. Jede Relativierung der nationalsozialistischen Mordmaschinerie ist für mich völlig inakzeptabel und verantwortungslos. Die Singularität der Shoa ist unzweifelhaft. In der Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte ist jeglicher Bezug auf die menschenverachtenden Verbrechen während der NS-Herrschaft mit der DDR unangebracht.

In Marburg ging es den ganzen Abend um die Auswirkungen des kalten Kriegs in der Bundesrepublik und ich habe darauf hingewiesen, dass ich 30 Jahre vom Verfassungsschutz ausgeschnüffelt wurde. Mit 20 Prozessen habe in 10 Prozessjahren gegen diese Willkürpraxis in Karlsruhe gewonnen. Neben allen Widrigkeiten und persönlichen Verletzungen, die ich dabei erlitten habe, gilt eben auch, dass ich mich in der DDR überhaupt nicht gegen eine Bespitzelung hätte wehren können. Deshalb ist es mir wichtig, den Dialog mit den Opfern von Unrecht und Willkür viel intensiver zu führen.

Wenn wir den kalten Krieg wirklich beenden wollen, dann haben alle seine Opfer auf allen Seiten Respekt und Hilfe verdient. Am Abend in Marburg waren wir uns auch einig, dass die Berufsverbote aufgehoben werden müssen und dass auch das KPD-Verbotsurteil aufgehoben werden muss. Die aktuellen und absolut sinnlosen Prozesse zum Tragen von FDJ-Blauhemden zeigen, wie notwendig die Debatte auch über das erlittene Unrecht im Westen geführt werden muss.