Ode an unseren treuen Attila
Wenn eine Pelznase geht, dann geht damit auch ein geliebtes Familienmitglied. Wenn man ins Zimmer kommt und das leere Körbchen sieht, in dem sonst eingerollt wie eine Katze unser Attila lag, dann tut es im Herzen weh. Ja, Attila hat uns nach 15 wunderbaren Jahren verlassen. Dass er älter wurde, merkten wir natürlich alle – vor allem, da das Treppensteigen schwieriger und die Spaziergänge kürzer wurden. Das Altern gehört zum Leben dazu. Da geht es Frauchen und Herrchen auch nicht anders. Klar – Krankheit und Schmerzen sind keine schönen Begleiterscheinungen im Alterungsprozess. Wenn das Atmen schwer wird und der Schmerz den Körper durchflutet, dann muss mit dem Tierarzt abgeklärt werden, was man seinem Tier noch Gutes tun kann. Alleine dieser Abwägungsprozess tut schon weh. Aber letztlich muss man entscheiden, dass ein elendes Leiden und unerträgliche Schmerzen auch kein guter Abschied sind. Ein Freund schrieb mir, dass nicht der Schmerz triumphieren dürfe. Deshalb haben wir uns ein Wochenende Zeit gegönnt, um Abschied zu nehmen. Letzte Spaziergänge. Letztes Streicheln. Letzte Stunden, die bleiben sollen.
Attila, wir danken Dir für so viele schöne Stunden und große Abenteuer. Ob auf Parteitagen oder Festempfängen. Ob als First Dog in legendären Presskonferenzen mit dem Dackel der TA, dem Mops der TLZ (die beide vor Dir gegangen sind) oder dem wunderbaren DoKö der Kinderzeitung. Selbst bei einer Radio-Satire-Sendung warst Du Hauptperson (okay, fanden wir nicht ganz so lustig). Eine Woche im Morgenmagazin hat Dich dann doch etwas durcheinander gebracht, denn danach dachtest Du, alle Kameras wären nur für Dich. Dieser Irrtum hat uns zwei Mal in heikle Situationen gebracht. Einmal gerieten wir beim Wandern in die Dreharbeiten der neuen Märchenverfilmung der „Goldenen Gans“ auf Schloß Burgk. Das seltsame Gehabe um diese komische Gans konntest Du kaum nachvollziehen, schließlich warst doch Du am Set. Bei Dreharbeiten zu „Schloß Einstein“ mitten im Erfurt das gleiche Spiel. Dir klar zu machen, dass nicht jede Kamera für Dich sei, ist uns selten gelungen. Lustig war es trotzdem immer.
Unbeschreiblich war aber auch Deine ganz besondere Freundschaft zu Birgit Pelke und Deine Irritation als Birgit einmal einen fremden Dackel (‚ der zudem Willibald Böck gehörte‚) mit in den Landtag brachte. Das kam in Deinen Augen einem Verrat gleich. Du hast dem neuen Spielkameraden auch sofort mächtig eingeheizt.
Aber Birgit und Attila – das war schon eine große Freundschaft.
Unerreicht auch der Flur der Bündnis-Grünen im Erdgeschoss. Wenn wir morgens in den Landtag kamen und aus einem Büro der Grünen der Schrei „Atttttiiiiiiiiie“ erscholl, war sofort klar: jetzt braucht’s mehr Zeit. Die Referentin kam mit einem Ball (, gesponsert von der FDP) und der ganze Flur wurde zur Rennbahn. Da tobte das pralle Leben durch den Landtagsflur. Die FDP wurde kräftig gebissen und die Grünen auf Trab gehalten. In solchen Momenten mussten andere Dinge warten. Nur die Bio-Leckerlies hast Du konsequent verschmäht (zu recht, viel zu trocken).
Schwieriger war es für Dich allerdings, als Dein Freund Lord nicht mehr lebte und Herr Tiehl in unserem Büro quasi Dein Nachfolger wurde als sein Frauchen, Susanne Hennig-Wellsow, mir als Fraktionsvorsitzende nachfolgte. Lord war der langjährige Begleiter von Susanne. Atti und Lordi waren unzertrennlich. Da gibt es legendäre Fotos, auf denen ihr zusammen im Körbchen schlaft, besser noch, auf denen Du zusammengerollt auf Lord lagst. Wir haben uns schlapp gelacht. Herrn Thiel mochtest Du nicht in gleicher Weise. Mensch, warst Du sauer und was hat der kleine Herr Thiel aushalten müssen. Obwohl Du fast immer fröhlich warst – da konntest Du echt ungenießbar werden. Wir mussten Euch immer wieder trennen, denn obwohl Herr Thiel deutlich größer wurde als Du, hast Du ihn immer zur Schnecke gemacht.
Ich wurde Ministerpräsident und in der Staatskanzlei zog mit mir auch ein kleiner Wachhund ein. Jedenfalls manchmal war Attila mit in meinem Büro, was immer Freude bei den Mitarbeitenden auslöste.
Legendär bleibt der Besuch des spanischen Botschafters mit seiner Familie in Weimar. Wir wollten uns im „Resi“ treffen und seine Kinder freuten sich auf Attila. Der zog es aber vor, kurz vor dem Treffen noch eine Runde in den Büschen zu drehen und kam nicht wieder. War ein komisches Gefühl, denn so lange war Atti noch nie zwischen Büschen verschwunden. Also hieß es, warten und auf Geräusche achten. Dann kam er – fröhlich und sehr munter. Das Fell sah komisch aus. Dann rochen wir es. Er hatte sich getarnt. Mit einem Parfüm des wilden Waldes, mit einem heftigen Hautgout frisch aus dem Wald. Er hatte einen Kadaver gefunden und sein ganzes Fell darin gebadet. Haar für Haar. Was für ein Gestank! Der Besuch im Kaffee „Resi“ fiel aus und stattdessen ging es in den Biergarten. Uns war es peinlich und den Kindern egal.
Mit Dir wurde es nie langweilig – auch nicht, als Du einen riesigen, toten, stinkenden Fisch unter einem Schneehaufen in der Berliner Karl-Marx-Allee gefunden und im Anschluss wochenlang zielsicher immer wieder genau dieselbe Stelle angesteuert hast.
Sowieso hattest Du eine gewisse Vorliebe für Fisch, wie eine kleine Episode von einer unserer Paddeltouren auf der Bleilochtalsperre noch einmal zeigte. Wir brachten die Boote zu Wasser und Du entdecktest abermals einen toten und vergammelten Weißfisch im Schilf. Wir hörten es nur rascheln und schon war es zu spät. Da halfen selbst intensive Waschungen nichts mehr. Andere haben am Boot eine Flagge, wir einen muffelnden Hund. Zum Glück waren wir draußen und trafen keine anderen Menschen, aber Frauchen war nicht begeistert, weil sie vorne saß und Du zwischen ihren Beinen. Knapp vor der Nase also.
Eine tolle Bratwurstgeschichte aus dem Wahlkampf in Eisenberg will ich auch nicht unterschlagen. Ein Herr kam mit mir ins Gespräch und biss nach einer Frage in die Wurst. Als er die Hand senkte, sah ich, wie Attila die Wurst fest im Blick hatte. Und zack, war die Wurst aus dem Brötchen verschwunden. Ein linker Hund, schnell im Umverteilen. Der Gesichtsausdruck des Herrn war unbeschreiblich.
Unvergessen sind auch die wunderschönen Schneewanderungen auf deiner Lieblingswiese in Saalburg. Unter dem hohen Schnee wittertest du jedes Mäuslein und pflügtest ihm im Schneeraupen-Style zickzack hinterher. Über diese eigenartigen Spuren dürfte sich mancher gewundert haben.
Am Samstag kam dich noch einmal deine beste Freundin Lilo aus Frankfurt besuchen. Die französische Bulldogge gehört ja auch zur Familie und deshalb gibt es bei uns überall zwei Körbchen. Interessant ist, dass ihr beiden euch selten gestritten und viel gemeinsam angestellt habt.
Den ersten Tag unseres gemeinsamen Lebens habe ich noch genau in Erinnerung und mit dem heutigen Tag auch den Abschied. Dazwischen hast Du uns 15 wunderschöne Jahre bereitet. Du warst ein Glück für uns und hast uns toll begleitet. Danke!
Mach es gut und genieße den großen Himmel der Fellnasen. Lord und Paula warten bestimmt schon auf Dich!