Nach der Papst-Audienz

Papst Franziskus hat mir aufgetragen, mein Tagebuch wieder konsequent zu führen. 😉 Nein, hat er natürlich nicht, aber der Besuch im Vatikan ist ein guter Anlass, mal wieder ein paar Zeilen aufzuschreiben. Nun liegen sie also hinter mir, die drei Tage Rom. Es gab zwei zentrale Themen während dieser Reise: Die europäische Flüchtlingspolitik und die Entwicklung der Ökumene im Hinblick auf das bevorstehende Reformationsjahr. Insofern war es auch gut, dass die Audienz bei Franziskus entgegen der ursprünglichen Planung erst am Freitag stattfand, denn auch da spielten beide Fragen noch einmal eine wichtige Rolle. Aber der Reihe nach.

Erster Termin am Mittwoch war ein Gespräch mit der Vize-Präsidentin der italienischen Abgeordnetenkammer Marina Sereni. Wir haben uns eine gute Stunde über die geplante Verfassungsreform in Italien und über unsere Erfahrungen bei der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen unterhalten. In der Verfassungsreform soll aus der zweiten Parlamentskammer ein Rat der Regionen werden. Frau Sereni war aber auch sehr gut darüber informiert, dass ich als Ministerpräsident und Mitglied der LINKEN ein Unikat in Deutschland bin. Sie wollte von mir wissen, wie es ist, mit einer Stimme Mehrheit zu regieren und ich konnte ihr zufrieden antworten, dass es seit der MP-Wahl noch nicht wieder auf diese eine Stimme angekommen ist.

Auch bei Innenstaatssekretär Domenico Manzione und beim Abendessen mit Vertretern des italienischen Flüchtlingsrats in der Residenz von Botschafterin Dr. Wasum-Rainer sprachen wir sehr ausführlich über die Herausforderungen angesichts des anhaltenden Flüchtlingszustroms. Es herrschte große Einigkeit darüber, dass eine gemeinsame europäische Lösung weiter angestrebt werden muss.

Am Donnerstag ging es dann weiter mit einem Termin bei Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, der quasi der Regierungschef des Vatikans ist. Anschließend traf ich im Hotel überraschend meinen Vor-Vorgänger Dieter Althaus. Er war auf Einladung der Konrad Adenauer Stiftung in Rom und ich habe mich gefreut ihn zu sehen, nachdem wir uns vor einigen Wochen schon beim Rennrodeln in Oberhof begegnet waren. Nach einem Mittagessen bei Botschafterin Schavan ging es für die Delegation und mich weiter zur Christuskirche, der evangelisch-lutherischen Kirche in Rom. Pfarrer Jens-Martin Kruse berichtete uns ganz stolz, dass Papst Franziskus im vergangenen Herbst zu einem ökumenischen Gottesdienst in der Kirche zu Gast war – eine Geste mit hohem Symbolwert.

Sehr beeindruckend fand ich auch ein Gespräch am Donnerstagnachmittag mit Verbänden von ehemaligen Partisanen und Opfern von Wehrmachtsverbrechen. Wir tauschten uns intensiv über Erinnerungs- und Gedenkstättenarbeit aus. Ich konnte von Buchenwald und Mittelbau-Dora berichten, aber auch von der Aufarbeitung der REIMAGH-Geschichte, die von einem Verein aus Kahla betrieben wird.

Nachdem am Donnerstagmorgen die Privataudienz bei Franziskus wegen einer leichten Grippe verschoben werden musste, waren wir alle ein wenig verunsichert, ob es am Freitag klappen würde. Aber es hat alles geklappt. Wir fuhren wieder in den Damasushof und Franziskus empfing erst mich und dann die gesamte Delegation zur Audienz. Hinterher im Pressegespräch hat mich Herr Debes von der TA gefragt, wie lange das Gespräch eigentlich gedauert hat. Ich konnte es ihm nicht beantworten, weil ich durch die Atmosphäre jegliches Zeitgefühl aus den Augen verloren hatte. Die Mitglieder der Delegation klärten dann auf, dass Franziskus ungefähr 30 Minuten mit mir gesprochen hat und dann noch mal etwa zehn Minuten, als ich ihm meine Mitreisenden vorstellte, die sich auch alle in der Flüchtlingsintegration engagieren.

Es war für mich wirklich ein berührendes Gespräch, ich bin immer noch dabei diese Erfahrung zu verarbeiten. Wahrscheinlich werde ich nicht noch eine Begegnung mit dem Papst erleben, mit diesem Menschen, der sich weltweit so klar für Barmherzigkeit und Solidarität positioniert. Auch wenn die Chance gering ist, habe ich trotzdem eine Einladung zum Reformationsjahr nach Thüringen ausgesprochen und der Papst antworte sehr freundlich, dass sein Kalender bisher nur für dieses Jahr komplett ausgebucht ist. Für heute bin ich einfach dankbar, die Möglichkeit der persönlichen Begegnung gehabt zu haben.