Sozialdemokratisches Spitzengespräch in Polen

Während Thüringens SPD-Spitzenkandidatin am Wochenende über mich gesprochen hat, habe ich im Rahmen der RLS-Konferenz mit einer führenden Vertreterin der polnischen Sozialdemokraten zusammengesessen: Frau Prof. Malgorzata Winiarczyk-Kossakowska. Sie ist die Leiterin des Fraktionsbüros der SLD (Partnerpartei der SPD) im polnischen Parlament, quasi die parlamentarische Geschäftsführerin. Als die SLD noch die Regierung stellte, war Sie Vize-Innenministerin. Es war ein spannendes Gespräch während der Konferenz und danach konnte ich noch länger mit den lokalen Vertretern der SLD über die Städtepartnerschaft Weimar- Zamość und das Geburtshaus von Rosa Luxemburg sprechen. Wir haben vereinbart hier gemeinsam weiter zu arbeiten.

Die Reise hat mich von Erfurt über Berlin nach Warschau gebracht und dann per Bus bis fast an die Ukrainischen Grenze. Bis Lviv/ Lemberg ist es ja nur ein Katzensprung. Es ist ein seltsames Gefühl, wie nahe wir hier einem realen Krieg sind und per Internet lese ich wie real nun kriegerische Gewalt im Nahen Osten um sich greift. Mit drei entführten und hinterhältig ermordeten Talmud Schülern in der Nähe von Hebron begann diese Gewaltspirale. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten, bis ein arabischer Jugendlicher auf brutalste Weise ermordet wurde. Nun müssen wieder viele Menschen vor lauter Fanatismus auf beiden Seiten ihr Leben lassen. Israel und Gaza, Ukraine und die Krim, diese Konflikte sind vielleicht geografisch weit auseinander, die Problemlagen nicht.

Dafür waren die Themen unserer Konferenz in Zamość diesen Umständen entsprechend. Wenn ich den Berichten der Teilnehmer lausche, dann wird mir ganz schwummerig. In der Nähe von Zamość haben deutsche Einsatzkommandos 500.000 jüdische Menschen ermordet. Die mussten dazu vorher sogar noch die Bahnfahrkarte kaufen, Kinder bezahlten die Hälfte.

Darüber hat Jan Karski der Welt berichtet und niemand hat es für nötig gefunden zu reagieren. Keiner der Mächtigen in der Zeit wollte die Berichte ernst nehmen. Diese Region zwischen Polen und der Ukraine war kulturell gesehen jüdisches Stammland. In Zamość war mehr als die Hälfte der Bevölkerung jüdisch und wurden ursprünglich als freie Bürger angesiedelt. Die Kultur der Städeljuden und Jiddisch als Sprache, hier waren die Ursprünge.

Umso wichtiger war unsere Konferenz, denn diese Kultur wurde durch Deutsche ausgerottet und zerstört. Was bedeutet es heute und an diesem Ort über Erinnerung und Verantwortung zu sprechen? Das RLS Büro aus Warschau hat dazu wirklich Schwergewichte aus Polen, Israel und Deutschland zum gemeinsamen Diskurs zusammengebracht. Der ehemalige Kultusminister Polens, den Verein „Nie wieder“, die Polnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und eine reihe Liberaler Rabbiner, gemeinsam mit Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz. Viele Sichten, noch mehr Fragen und die gemeinsame Suche nach Antworten, denn es gibt weder die eine Antwort und schon gar nicht die eine Wahrheit. Das gemeinsame Suchen lohnt, denn einfach nur lautes Übertönen oder moralisches Erschlagen hilft nicht, macht nur kurzeitig still,aber ohne nachhaltige Wirkung.

Leider wird mir das ganz bitter gewahr. Beim Gang von der Synagoge zum Hotel sehen wir ein Geschäft mit Ikonen und schauen neugierig rein. Wir waren richtig geschockt: Eine ganze Wand voller Bilder als naive Malerei mit dem Motiv von raffenden, Geld zählenden jüdischen Menschen.

Uns wird versichert, dass es sich bei diesen Motiven um Volkskunst handeln würde und dass man es sich in die Wohnung hängen würde, um Glück und Geld zu haben. Naja, über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten, aber über Antisemitismus nicht. Nur gibt es hier keine jüdische Bevölkerung mehr die sich dagegen wehren könnte. Von den einstmals 1200 jüdischen Gemeinden sind fast keine übrig geblieben. Deshalb sollten wir Deutschen beim allzu lauten Anklagen zurückhaltend sein.

Wer Israel mit einem Bild von Adolf Hitler meint karikieren zu können, hat nichts von der deutschen Verantwortung verstanden. Die deutsche Soldaten haben den Massenmord begangen. Die Mörder haben nach den Taten geschwiegen, die Zuschauer waren traumatisiert und die Opfer waren Tod. Wie gehen wir mit diesem Thema heute und in Zukunft um? Um darüber zu reden und Erkenntnisse zu sammeln, war ich in Polen und konnte so getrost den tierischen Wahlkampfauftakt in Thüringen ignorieren.