Widersprüche, Überraschungen und Hoffnung

Eine aufregende Woche in Israel geht zu Ende, die Gay Pride Parade gestern war ein sagenhafter Abschluss. Hundertzwanzigtausend Menschen tanzten durch Tel Aviv und die ganze Stadt war mit Regenbogenfarben geschmückt – die Häuser, die Läden und selbst unser Hotel. Hier feiert eine weltoffene Stadt ein Toleranzfest. Mich bewegt allerdings die Frage, wie das in Einklang zu bringen ist mit den Bildern von den ersten Tagen in Jerusalem. Wie passt das zusammen mit den Berichten über die vielseitigen Bedrohungen für Homosexuelle? Ein Land voller Widersprüche. Aber Tel Aviv macht Freude und Hoffnung!

Gestern Abend erlebte ich noch eine schöne Überraschung beim Schabbat-Gottesdienst in der Reform Synagoge Tel Aviv. Geleitet wurde der Gottesdienst von einem Rabbi, der vor einigen Jahren der Parteivorsitzende der Meretz Partei war, einer linken Partei aus dem liberalen Judentum. Neben mir saß ein sehr alter Herr, der mich wirklich verblüffte: er wünschte mir auf einmal auf Deutsch Schabbat Schalom.

Wir kommen ins Gespräch und er berichtet mir, dass seine Familie aus Halberstadt kommt. Da waren wir dann gleich bei meinem Besuch in Halberstadt und dem Mahnmal neben den Dom. Dort steht eine Figurengruppe, die an die jüdischen Mitbürger der Stadt erinnert, die an dieser Stelle zusammengetrieben wurden und in die KZ gebracht wurden. Die evangelischen Christen versammelten sich gleichzeitig zum Gottesdienst, um nicht hinsehen zu müssen. Seine Familie Hirsch war gut verankert in Halberstadt und auch in Eberswalde. Die dortigen Messingwerke trugen den Namen Hirsch. Und dieser Herr schüttelt mir herzlich die Hand und wünscht mir Schabbat Schalom. Das Bedarf wirklich keiner Worte mehr, da spricht die Seele.