Keine Erinnerung
Der Freitag und das Wochenende waren in verschiedenen Formen dem Erinnern und Gedenken gewidmet. Natürlich ist der 9. November ein Tag, an dem wir über die besondere Wichtigkeit des Erinnerns sprechen. Völlig zu Recht. Am 8. November wurde mir im Landtag aber ganz praktisch vor Augen geführt, wie fatal das Nichterinnern oder das Nichterinnern wollen ist.
Im Untersuchungsausschuss 5/2 hieß es von den Verantwortlichen aus dem Verfassungsschutz immer wieder: „Ich weiß nix.“ oder „Ich erinnere mich nicht.“ Etwas blumiger gab es auch noch die Variante: „Ich bin traurig, aber es gab keine Fehler im Amt. Falls doch, dann trage ich dafür keine Verantwortung, aber es macht mich betroffen, wenn ich das so höre. Und dann bin ich wieder traurig.“ Und so weiter und so fort – es ist zum aus der Haut fahren. Ohne Erinnerung gibt es keine Aufarbeitung und ohne Aufarbeitung kein Ändern unseres Handels in der Gegenwart. Da gilt für den 9. November 1938 genauso wie für den falschen Umgang des Verfassungsschutz mit Nazis in der jüngeren Vergangenheit – wobei ich die Ereignisse in keiner Weise gleichsetzen und damit relativieren will. Es geht mir um die Wichtigkeit des Erinnerns und der Aufarbeitung.
Am Samtagabend wurde in Erfurt daran gedacht, wie es war als 453 Erfurterinnen und Erfurter ermordet wurden, nur aus dem einzigen Grund, weil sie Juden waren. Wie das alles anfing mit dem Rassenwahn, der Denunziation, der Ausplünderung und schließlich die systematische Ermordung von Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle, Menschen mit Behinderung und politisch Andersdenkenden.
Nur erinnern reicht aber nicht. Die Gegenwart bietet reichlich Anlass zur Beunruhigung. Deshalb freut es mich, dass in Greiz hunderte Menschen diese Beunruhigung zum Anlass nehmen und gegen Fremdenfeindlichkeit auf die Straße gehen, trotz der Schikanen der Behörden und den Verdrehungen der zuständigen Landrätin Schweinsburg (CDU). Fremdenfeindlichkeit muss entgegengetreten werden, auch wenn sie sich in der Praxis von Behörden zeigt, wenn diese beispielsweise Gutscheine anstatt Bargeld ausgeben. Das ist reine Schikane und führt zur Stigmatisierung der Flüchtlinge. Der 9. November sollte uns eigentlich etwas anderes lehren.