Zweiheit in der Einheit
Der Tag der deutschen Einheit – immer ein Grund zum Feiern, aber immer auch ein Grund zum Nachfragen. Wie hat sich das Zusammenwachsen nach der formalen Wiedervereinigung entwickelt? Wir sehen jetzt, 22 Jahre nach dem historischen Tag, dass Generationen herangewachsen sind, die die territoriale Trennung Deutschlands nur aus Erzählungen kennen. Aber wir erleben auch junge Menschen, die immer noch eine faktische Trennung wahrnehmen: Wenn sie zum Geld verdienen in die westlichen Bundesländer abwandern, weil die Löhne hier einfach zu gering sind, dann sehen wir, dass die Teilung noch nicht überwunden ist.
Wenn wir uns Karten anschauen, auf denen Sozialdaten verbildlicht sind, dann können wir die deutsche Teilung immer noch sehen. Wir sehen es an den Löhnen, an den Renten, an den Abwanderungszahlen, an der wirtschaftlichen Entwicklung. Die Schere zwischen Ost und West wächst dynamisch. Wenn diese Herausforderung nicht wieder stärker in den Blickpunkt der Bundespolitik rückt, dann drohen uns Zustände wie in Italien, wo Norden und Süden immer weiter auseinanderklaffen. Und dann wird aus dem vermeintlich ostdeutschen Problem sehr schnell ein gesamtdeutsches.
Zum Glück gibt es keine physische Grenze mehr, keine Mauer, Selbstschussanlagen, etc. Trotzdem gibt es auch nach 22 Jahren noch Mauern abzubauen. Nur leider sind diese Mauern schwieriger zu erkennen. Hier hat DIE LINKE besondere Verantwortung, schließlich sind wir eine gesamtdeutsche Partei aber mit mehr ostdeutscher Erfahrung als alle anderen Parteien. Wenn wir nicht deutlich machen, dass von einer Angleichung der Lebensverhältnisse keine Rede sein kann, dann macht es keiner.