Wenn Peer nicht wär’
Eigentlich wäre bei mir gerade Zeit für schlechte Laune, denn die Steuererklärung ist fällig. Es gelingt mir jedes Jahr über einen wirklich langen Zeitraum dieses Vorhaben vor mir herzuschieben, aber irgendwann ist alles andere auch mal erledigt und es gibt keine Ausreden mehr. Nun ist unser Wohnzimmer zu einem Meer von Zetteln geworden und alles will sortiert werden. Was sonst großen Missmut verursacht, ist aber dieses Jahr halb so schlimm. Ich denke mir einfach: Es könnte alles viel schlimmer sein – immerhin muss ich nicht die Steuererklärung von Peer Steinbrück vorbereiten.
Den armen Peer trifft es ja richtig hart. Wenn man mit 89 Vorträgen 1,25 Millionen Euro verdient, kommt dabei sicher jede Menge zu sortierender Papierkram zusammen – da geht es mir richtig gut dagegen. Spannender als die Frage nach der Menge an Abrechnungen finde ich aber die nach dem Unterschied zwischen Peers bezahlten und nicht bezahlten Auftritten. Waren die vergüteten Reden inhaltlich gehaltvoller als die kostenlosen? Oder waren die Honorarvorträge immer neu und die Umsonstvorträge dann gebraucht? Noch eine andere Möglichkeit wäre, dass der SPD-Spitzenkandidat bei den vergüteten Ansprachen immer etwas Schönes mitgebracht hat. Und bei den nicht vergüteten fordert er was ein – so wie neulich auf dem Parteitag, als er sich mehr Beinfreiheit wünschte. Vielleicht hat er auch nur gedacht, sein Büro hätte ihm einen Vortrag bei der Lufthansa vermittelt und anstatt Gage dürfe er sich wieder was wünschen. Man weiß es nicht.
Für die Wähler ist ja jetzt vor allem wichtig, ob man dann nächstes Jahr bei SPD-Wahlkampfveranstaltungen mit dem Spitzenkandidaten Eintritt bezahlen muss. Bei einem „Standardhonorar“ von 15.000 Euro pro Rede und einer durchschnittlichen Besucherzahl von vielleicht 500 Leuten wären das pro Nase immerhin 30 Euro. Aber bestimmt gibt es da auch eine kostenlose Variante, bei der man dann eben nur die Hauptüberschriften des Wahlprogramms vorgelesen bekommt. Und das ist sicher das bessere Angebot, denn wenn die Sozialdemokraten nach der Wahl in die Große Koalition gehen, war das Wahlprogramm sowieso ganz umsonst.