Alles zwei Nummern größer

Uljanowsk ist eine spannende Region  Alleine die Stadt hat mittlerweile 650.000 Einwohner und zieht sich traumhaft schön am Wolga-Ufer entlang.
Die Wolga ist übrigens nicht mit einem Fluss deutscher Ausmaße zu vergleichen. Wenn ich aus dem Hotelfenster schaue – Punkthochhaus, 12. Stock – sehe ich eine unendliche Wasserfläche. Irgendwie denke ich, dass ich am Meer bin. An der „Schmalstelle“ der Wolga quert eine Brücke den Fluss mit immerhin 2 km Spannweite.

Gegenüber liegt das neue „Gewerbegebiet“ der Stadt Uljanowsk. Später lerne ich, dass es dem Vorbild „Erfurter Kreuz“ folgt. Der heutige Gouverneur war mehrfach in Thüringen und hat sich bei der Erschließung bei uns beraten und inspirieren lassen, nur alles ein paar Zacken größer. Aber der Erfolg in der Region ist spürbar. Wir werden sehr freundlich aufgenommen und werden in ein strammes Programm gesteckt. Politische Gespräche im Gouverneursgebäude, mit den Stadt- und Regionsverantwortlichen. Auf alles Mögliche hatte ich mich ja vorbereitet, Wirtschaftszahlen usw. hatte ich parat, nur ahnte ich nicht, dass ich in Lenins Geburtsstadt gelandet bin. Später besichtigten wir sogar die Geburtshäuser von Lenin und seiner Schwester und zum Glück können mir einige der mitgereisten Unternehmer mit ihrem ML-Wissen weiterhelfen 😉 Der befremdliche Höhepunkt war allerdings eine ganze Hauswand mit Stalin. Das seltsame war, dass das Bild wirklich neu aussah. Kurz vorm Abflug machten wir an diesem Gebäudekomplex noch mal halt, um es in Ruhe zu betrachten. Stalin stellte sich tatsächlich als neues und riesiges Transparent heraus, so aufgespannt wie hier sonst für Cola oder Autos Werbung gemacht wird. Davor befindet sich eine Fahnengalerie mit sowjetischen Fahnen. Als Erklärung wurde uns gesagt, dass der Veranlasser ein etwa 30-Jähriger sehr vermögender und erfolgreicher Unternehmer sei, der in die Kommunistische Partei eingetreten ist und nun mit dieser spektakulären Aktion Aufmerksamkeit erreichen will. Provokation als Identifikation heißt offensichtlich die Deviese und zielt auf eine innerparteiliche Wahl ab. Der Unternehmer will Vorsitzender der Kommunistischen Partei in der Region Uljanowsk werden.

Bei uns in der Delegation löst dieses Werbeplakat eine lebhafte Debatte aus und die Presse freut sich als der FDP-Fraktionsvorsitzende und ich uns gemeinsam davor ablichten lassen. Die einen sagten „Tut das lieber nicht“ und wir sagten „Jetzt erst recht!“ Es ist doch klar als Satire zu erkennen, wenn wir beiden vor diesem seltsamen Werbeplakat stehen. 
Hier findet sich jetzt auch eine Bildergalerie vom Besuch.