Wann ist eine Wurst eine Wurst? #schADÉnauer
Manchmal schreibt die Geschichte die besseren Pointen: Konrad Adenauer, CDU-Mitbegründer, erster Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland und offenbar in Vergessenheit geraten, Erfinder der Soja-Wurst, suchte einst nach Lösungen, nicht nach Grenzen. Heute wird auf Initiative der Konservativen im Europaparlament genau das Gegenteil betrieben: Eine Mehrheit der Rechtsaußen-Fraktionen sowie Teilen der Konservativen, darunter CDU und CSU, stimmte dafür, dass vegetarische Ersatzprodukte künftig nicht mehr als Burger, Schnitzel oder Wurst bezeichnet werden dürfen – ein Verbot das Sprache dort reglementiert, wo sie längst Teil gelebter Wirklichkeit ist.
Adenauer hingegen war Pragmatiker, kein Prinzipienreiter. Als im Ersten Weltkrieg Fleisch knapp wurde, griff er nicht zu Verboten, sondern zur Sojabohne. Er tüftelte, experimentierte und entwickelte eine Wurst ohne Fleisch, wenngleich nicht aus ethischer Überzeugung, sondern aus Notwendigkeit. Und doch war es genau dieser Erfindergeist, diese Mischung aus Pragmatismus und Neugier, die seine Politik prägte. Von dieser Haltung ist in der heutigen CDU nur noch wenig zu spüren. Statt Innovation zu fördern, wird über Begriffe gestritten. Statt Verantwortung zu übernehmen, gibt es Sprachverbote. Besonders gravierend: Kleine Betriebe warnen bereits jetzt, dass sie durch die erzwungene Umbenennung ihrer Produkte in existenzielle Schwierigkeiten geraten könnten, denn neue Etikettierung, neue Verpackungen, versprechen hohe Kosten. Und das in einem Markt, der längst zeigt, dass pflanzliche Produkte wirtschaftlich erfolgreich sind.
Vielleicht sollte man in der CDU noch einmal darüber nachdenken, ob derartige Sprachregelungen wirklich den Kern konservativer Politik treffen. Denn nimmt man diese Logik ernst, müsste man auch bei Schnitzeljagd, Rollmops, Kalter Hund, Zimtschnecke, Katzenzungen, Leberkäse oder Kinderschokolade ansetzen, also überall dort also, wo Sprache längst über den Tellerrand hinausgewachsen ist. Vielleicht ist es für die CDU an der Zeit, Wandel wieder als Teil der eigenen Geschichte zu begreifen, nicht als Bedrohung, sondern als Chance. Politik lebt schließlich vom Gestalten, nicht vom Festhalten.
