Die Tür ist offen, der Weg gehört euch. Bodo Ramelow über das Vermächtnis von Papst Franziskus
Er ist gegangen, wie er gelebt hat. Ganz unspektakulär. Er hat gestern noch den Segen gesprochen. Er war bei dem großen Ereignis für die Christinnen und Christen in Rom dabei. Hat bis zur letzten Minute Segen gespendet und ist gegangen. Es ist wirklich beeindruckend, wenn man sich überlegt, dass er angeschlagen war und in der Form wie er eingeschlafen ist, hinterlässt er eine große Lücke. Ich bin sehr bewegt und die Nachricht heute Morgen, dass er nicht mehr lebt, habe ich im ersten Moment erst gar nicht glauben wollen.
Wir sprechen mit Ihnen, weil wir uns erinnert haben, dass Sie vor Jahren eine Audienz bei dem Papst im Rom hatten. Wie haben Sie ihn persönlich erlebt und worüber haben Sie bei der Gelegenheit gesprochen?
Es war eine sehr beeindruckende Begegnung. Sie ist neun Jahre her, am 26. Februar 2016. Wir haben über Thüringen gesprochen, wir haben über die ersten Demonstrationen der AfD gesprochen, die vor dem Erfurter Dom aufmarschiert sind. Und ich habe mich bei ihm bedankt, dass er so deutliche Zeichen gesetzt hat, wenn es um geflüchtete Menschen in der Welt ging. Die Art und Weise, wie er mit Menschen und über Themen gesprochen hat, hat er dich berührt, weil er dich zum Nachdenken gebracht hat. Er hat dich nicht belehrt, er hat nicht mit erhobenem Finger von oben herab irgendetwas verordnet. Sondern Menschen zum Nachdenken gebracht. So war auch die Audienz. Es war für mich ein sehr beeindruckendes Erlebnis.
Kann es sein, dass sich die christliche Soziallehre von Papst Franziskus und die sozialen Vorstellungen Der Linken ganz gut treffen?
Er war nicht der Kapitalismuskritiker, aber er hat die Form, wie verwirtschaftet wird und wie ohne Rücksicht auf den Globus gehandelt wird, immer wieder thematisiert. Er hat bis zuletzt zum diesjährigen Ostergottestdienst deutlich gemacht, dass wir anders mit den Menschen umgehen müssen, die verfolgt werden. Sein Engagement zum Thema Gaza, dass das Sterben beendet werden muss. Dass wir an die Menschen, an die Zivilbevölkerung, denken müssen. Er hat immer die Position der Leidenden bezogen, ohne dass er Partei ergriffen hätte im Sinne von parteipolitischem Agieren.
Bei einem prallen Leben, mit all den Widersprüchen die er erlebt hat. In Argentinien die Militärdiktatur, sich mit Hilfsarbeiten seinen Weg in die Welt zu ebnen, die später zu seinem Glauben geführt hat ist sehr eindrucksvoll. Er ist ein besonderer Mensch mit seinem Weg, der nicht wie viele Andere im Klerus ihren Karrieren gefolgt sind. Davon geprägt war auch seine Art und Weise wie er gewirkt hat. Er hat nicht den Stab gebrochen über Menschen, die eine andere Form der Liebe leben, er sagte, wer bin ich denn darüber zu urteilen? Er hat nicht die katholische Kirche umgestoßen, aber er hat in der Katholischen Kirche so viel angestoßen und so viel Nachdenklichkeit erzeugt, dass viel an Kraft bleibt, die er hinterlässt.
Was wünschen Sie Ihren katholischen Glaubensbrüdern wie es nach dem Tod des Papstes in der Katholischen Kirche weitergehen soll? Was wäre das Wichtigste?
Dass die Gedanken, die angestoßen sind, weiterentwickelt werden. Auf dem Katholikentag letztes Jahr in Erfurt, haben wir sehr stark spüren können, wie sich evangelische und katholische Christen gemeinsam aufgemacht haben. Der Katholikentag im letzten Jahr war der am Stärksten evangelisch mitgeprägte. Man könnte von einem ökumenischen Katholikentag sprechen. ‚Ich habe die Türen aufgemacht, aber durch die Türen müsst ihr als Christen alle gemeinsam gehen. Und ihr müsst selber gehen.‘ Sind die Worte Papst Franziskus, die mich sehr beeindruckt haben und in Erinnerung bleben.
Thüringens Ex-Ministerpräsident Bodo Ramelow trauert um Papst Franziskus, MDR Aktuell Interview vom 21.04.25 mit Bodo Ramelow, Vizepräsident des Deutschen Bundestages und Thüringer Ministerpräsident a.D.
Hier nachzuhören:
https://www.mdr.de/mdr-aktuell-nachrichtenradio/audio/audio-2917618.html