Amtsübergabe nach Maß

Ein Gastbeitrag von Johannes Häfner (Büroleiter MP 2020-2024)

Regierungswechsel gehören zu einer Demokratie, die diesen Namen verdient, dazu. Soweit so gut. Dass ein Regierungswechsel allerdings in geordneten Bahnen – respektvoll, mit Anstand und Würde – verläuft, muss gegenwärtig (leider) an mancher Stelle schon als bemerkenswert positiv festgehalten werden. Bodo Ramelow als Ministerpräsident a.D. und Mario Voigt als sein Amtsnachfolger haben genau dieses Kunststück heute geschafft. Während das politische Thüringen in der Vergangenheit leider auch Negativschlagzeilen produzierte, haben zwei Demokraten an diesem 12. Dezember gezeigt, dass es anders geht.

Als jemand, der den ganzen heutigen Tag begleitet hat, hat Bodo Ramelow mich als seinen (jetzt ehemaligen) Büroleiter gebeten, meine Eindrücke einmal kurz niederzuschreiben. Denn das, was vor der Kamera passiert, ist das eine. Das, was viele Menschen im Hintergrund bewerkstelligen, damit eine Amtsübergabe ohne protokollarische Unfälle oder persönliche Verletzungen verläuft, das andere.

Ich könnte lange über die unzähligen Abstimmungsrunden berichten, in denen (immer unter dem Vorbehalt einer wirklich erfolgreichen Ministerpräsidentenwahl) bis ins Detail geplant wird, wer welches Büro bezieht, was am Tag der Wahl an Verpflegung für neue Minister oder Gäste gereicht wird oder welche technischen Umstellungen nötig werden, wenn die Hausleitung eines Ministeriums bzw. der Staatskanzlei wechselt. Allein an diesen Problemen arbeiten Dutzende Mitarbeiter, die vor der Kamera selten zu sehen sind.
Verwaltungen sind immer auf Dauerhaftigkeit, Organisation, Plan- und Berechenbarkeit ausgelegt. Regierungswechsel durchbrechen für einen kurzen Augenblick diese Stabilität, da sich Vieles in sehr kurzer Zeit ändert und zum Teil völlig neu strukturiert wird – zum Beispiel auch die Zuschnitte der Ministerien. Dass dieser Moment heute so perfekt gemeistert wurde, verdanken wir den unfassbar professionellen Mitarbeitern.

Nach der Wahl des neuen Ministerpräsidenten fuhren wir gemeinsam mit Bodo Ramelow vom Landtag in die Staatskanzlei, um offiziell das Haus und die Räumlichkeiten des Büros des Ministerpräsidenten an Herrn Prof. Voigt zu übergeben. Der „Alte“ übergab dem „Neuen“ auch umgehend eine ganze Mappe unterschriftsreifer Glückwunschkarten für über 100jährige Mitbürger, die sofort zu unterschreiben waren. Der Hinweis, dass für den restlichen Monat Dezember noch knapp 200 weitere Glückwunschschreiben zu unterzeichnen seien, sorgte für allgemeine Heiterkeit – ebenso die Tatsache, dass noch eine ganze Reihe vorab georderter „Alt-MP“-Autogrammkarten im Büro zur Verfügung standen, allerdings noch keine neuen. Das ist gefühlte 10 Minuten nach der Wahl des Ministerpräsidenten selbst für Profis nicht machbar.

Es war für mich ganz persönlich ein wichtiges und wertschätzendes Zeichen, dass der neue Ministerpräsident samt der potenziell zukünftigen Mitarbeiter uns „Alte“ begrüßte und wir die Gelegenheit hatten, unseren Nachfolgern ihre neuen Büros zu präsentieren. Klar gab’s auch ein kleines Willkommensgeschenk von uns.

Für uns Büroleiter und persönliche Referenten ist nach einem Amtswechsel immer klar: mit dem eigenen Chef verlassen auch wir den Leitungsstab des Hauses und bekommen neue Aufgaben zugewiesen. Das ist völlig normal, denn als Minister oder Ministerpräsident mit einem Arbeitspensum, das Wochenenden nicht kennt und an einem Durchschnittstag 12-14 Stunden in Anspruch nimmt, braucht der Amtsträger Menschen in seinem direkten Umfeld, die er kennt, die ihn kennen und auf die er sich blind verlassen kann. Richtig ist aber auch: wir alle sind Bedienstete des Freistaats und sind dem Amtsträger, nicht seiner Partei verpflichtet. Das galt für uns bis zum heutigen Tag für Bodo Ramelow und gilt ab morgen an anderer Stelle auch für Herrn Prof. Voigt. Es tut gut und ist ein wichtiges Zeichen, dass ein solcher Wechsel kollegial und verbindlich erfolgte.
Für unsere beiden wunderbaren Sekretärinnen Frau Sauer und Frau Wirth geht die Reise im Büro des Ministerpräsidenten hingegen weiter. Beide haben sie in der Vergangenheit bereits Bodo Ramelows Vorgänger und Vorgängerinnen betreut, Frau Sauer arbeitete sogar bereits im Büro von Bernhard Vogel. Sie sind also diejenigen, die für organisatorische Kontinuität im Büro sorgen. Sie kennen jeden Handgriff aus dem ff., wissen um die Besonderheiten eines Terminkalenders, der auf die Minute getaktet sein muss und stellen sicher, dass der Amtsinhaber sein Büro als echte Ruheoase erleben kann.

Eine große Aufgabe haben an Tagen wie heute auch die Mitarbeiter des Protokolls zu stemmen. Sie sichern ab, dass die Übergabezeremonie geordnet abläuft, dass alles und jeder an seinem Platz steht und vor allem, dass jeder Beteiligte weiß, wann er wo zu sein hat. Das große Medieninteresse müssen unterdessen die Mitarbeiter unserer Presseabteilung managen, die außerdem das Kunststück zu meistern haben, von einer Minute auf die andere von Amtsträger A auf Amtsträger B umzustellen. Denn die Arbeit geht schließlich weiter und hört nicht einfach auf. Es sind gerade diese Ereignisse, die Medienvertreter besonders faszinieren.
Wenn der ganze Trubel schließlich abgeflaut ist, kommt die Stunde der Hausinspektoren und Servicekräfte, die den nächsten Tag und die erste Kabinettsitzung vorbereiten. Stühle müssen gerückt, Warteräume vor- und Verpflegung zubereitet werden. Sie kennen jeden Winkel des Hauses, sind handwerklich geschickt und so schnell, dass sie innerhalb von Minuten ganze Räume völlig neu ausstaffieren können. Morgen geht’s schließlich weiter.

Am Ende des heutigen Tages kann ich sagen: es war kein trauriger Übergang, sondern ein schöner und hoffnungsvoller. Der neue und der alte Ministerpräsident haben gezeigt, dass Demokratie funktioniert, wenn Demokraten bereit sind, ineinander Menschen zu erblicken, die das Ziel eines besseren Thüringen eint und die sich nicht nur und in erster Linie über Parteibücher definieren. Ein guter Tag für den Freistaat.