Versteinert im Amt
Am Donnerstag, den 26. September 2024, tritt der Thüringer Landtag zusammen, um sich zu konstituieren. Eine verfassungsrechtliche Folge dieser Konstituierung ist das Ende der Amtszeit der aktuellen Landesregierung.
Unmittelbar vor diesem Ende der Amtszeit obliegt es gemäß der Thüringer Verfassung dem Ministerpräsidenten, die Ministerinnen und Minister schriftlich zu verpflichten, die Geschäfte der Landesregierung so lange fortzuführen, bis der Thüringer Landtag durch Wahl eines neuen Ministerpräsidenten oder einer neuen Ministerpräsidentin den Weg für die Berufung einer neuen Regierung freigemacht hat.
Da ich selbst mich um keine neue Amtszeit bewerbe, weiß ich also, dass ich nun die Amtsübergabe geordnet vorzubereiten habe. Ich habe deshalb heute vorsorglich die Urkunden für alle Ministerinnen und Minister der derzeitigen rot-rot-grünen Landesregierung ausgefertigt, die schriftliche Bitte um Fortführung der Geschäfte veranlasst und die Staatssekretärinnen und Staatssekretäre aufgefordert, ihre Arbeit ebenfalls bis zu einer Verwendung durch die neue Landesregierung fortzusetzen. Dieser Vorgang hört sich banal an, entspricht den Verfassungsregeln, bedeutet aber tatsächlich, dass die Landesregierung in den Zustand der „Versteinerung“ wechselt, d.h. dass wir als Ministerinnen und Minister unsere Aufgaben weiterhin erfüllen, die Häuser führen, auch den Haushaltsentwurf vorbereiten und in der Innen- und Außendarstellung das Land Thüringen überall in der notwendigen Art und Weise präsentieren werden. Wir werden an Bundesratssitzungen teilnehmen, zu Fachministerkonferenzen fahren und falls es notwendig ist, sogar Auslandsbesuche absolvieren, wenn es mit dem aktiven Handeln für den Freistaat Thüringen verbunden ist. Ich persönlich plane zwar keine solche Reisen, werde aber alle Amtspflichten akkurat erfüllen. Meinem Land bin ich diese solide Handlungsweise schuldig und gerne stehen wir als Landesregierung den zukünftigen Koalitionspartnern zu Gesprächen zur Verfügung.
Wenn also der Haushalt vorbereitet wird und der CDU-Verhandlungsführer Prof. Voigt hier Gesprächsbedarf hat, steht das Finanzministerium selbstverständlich zur Verfügung. Wenn andere Auskünfte gebraucht werden, die möglicherweise auch bei Koalitionsverhandlungen eine Rolle spielen, sind wir gerne bereit, zu helfen und zu unterstützen. Diese Landesregierung, die zehn Jahre das Land geleitet, geführt, entwickelt und vorangebracht hat, schaut auf zehn erfolgreiche Jahre, auch wenn die globalen Krisen ebenfalls tiefe Spuren im Land hinterlassen haben. Eine dieser Krisen war ohne Zweifel die Corona-Pandemie, die bis heute ganze Familien auseinandergetrieben hat. Ein Teil der heftigen Reaktionen auf Montagsdemonstrationen, die bis heute noch vorkommen, ist offensichtlich ausgelöst oder verstärkt worden durch Corona-Maßnahmen. Leider war es mir nicht vergönnt, deutlicher öffentlich einzufordern, dass eine sachliche Aufarbeitung aller Corona-Maßnahmen dringend geboten ist. Dazu gehört eben auch die Bewertung von Entscheidungen, die man heute so nicht mehr treffen würde, aber auch mein Hinweis, dass ich am Ende meiner Regierungserklärung vom 16.21. 2021 ausdrücklich um Entschuldigung für Einschränkungen und Fehler gebeten habe, für die ich insgesamt einstehe.
Ich habe mich nie hinter Beamten oder anderen Ministerinnen und Ministern versteckt. Die Entscheidung, Schulen oder Kindergärten zu schließen fällt man nicht einmal eben so – und ja: ob hier nicht zu lange heruntergefahren wurde, ist durchaus eine berechtigte Frage. Der Bildungsminister Helmut Holter wollte jedenfalls im zweiten Corona-Jahr diese Maßnahmen nicht mehr mittragen und aus heutiger Sicht wissen wir, dass er recht hatte. Auch war ich nicht willens, die Fußball-Bundesliga wieder zuzulassen, während die ehrenamtlichen Vereine ihren Vereinssport nicht ausüben, ja nicht einmal ihre Vereinsheime sanieren durften.
Baumärkte auf, Gartenmärkte zu, Großsupermärkte geöffnet, Möbelhäuser geöffnet, kleinere Ladenpassagen geschlossen: alles das waren Widersprüche, die man aus heutiger Sicht aus gutem Grund kritisch hinterfragen und eigentlich auch ablehnen muss.
Mir geht es heute darum, zu analysieren, wie man Virusabwehr betreiben kann, wie man Übertragungswege unterbricht und wie man zu einer Resilienz der Gesellschaft kommt, die uns stärker und nicht schwächer macht. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass diejenigen, die heute am lautesten Untersuchungsausschüsse fordern, sich überhaupt nicht dafür interessieren, was mit den Hunderttausenden von Long-Covid-Patienten mittlerweile in unserer Gesellschaft geschieht und wie wenig Aufmerksamkeit jenen zuteilwird, die konkret am eigenen Leibe gespürt haben, dass es dieses Erkrankungsbild COVID-19 und seine diversen Spielarten eben gibt. Diejenigen, die den schlichten Fakt der Existenz des COVID-Virus leugnen und dieses Gift – vermengt mit jeder Menge Hass – über die sozialen Medien in die Gesellschaft träufeln, haben sich vielleicht das eigene Leben leichter gemacht, ansonsten aber nur Spaltung provoziert.
Zu diesem Spiel gehört auch, dass ich bis heute über tausende X-Accounts (vormals Twitter) als der ungewählte, der nicht gewählte, der durch einen Putsch ins Amt gekommene, der von Frau Merkel eingesetzte Ministerpräsident bezeichnet werde. Endlos wiederholen sich diese Schleifen und ich kann schon gar nicht mehr einschätzen, wie viel davon einfach Bots und wie viele nur noch nachplappernde ignorante Menschen sind.
Tatsächlich ist es aber ganz einfach. Man kann überprüfen, wann ich gewählt worden bin. Man stellt fest, dass ich in drei Wahlgängen zur Wahl stand, dass dieser dritte Wahlgang jetzt auch den Weg öffnet für die zukünftige Landesregierung, an die ich dann meine Geschäfte übertrage. Und zur Wahrheit gehört auch, dass die CDU sich glücklich schätzen kann, dass ich den dritten Wahlgang in der Thüringer Verfassung verteidigt habe. Richtig ist aber, dass, falls ich nicht gewählt worden wäre, eigentlich alle Gesetze, Verordnungen und Urkunden unzulässig und ohne rechtliche Bindung gewesen wären.
Warum sind diese lauten X-Accounts nicht längst auf die Idee gekommen, dagegen juristisch vorzugehen, falls sie recht hätten und ich ungewählt und ohne verfassungsrechtliche Relevanz mein Amt ausüben würde? Rumbrüllen im elektronischen Netz scheint der neue Volkssport des Niedermachens geworden zu sein. All diesen Naseweisen möchte ich einmal sagen: vielen Dank für nichts! Wenn sie ihr sinnfreies Gehetze einmal ernst nehmen würden, könnte sich ja unschwer juristisch feststellen lassen, dass sie im Recht sind. So fertige ich jeden Tag Urkunden aus, regiere dieses Land und habe gemeinsam mit Regierung und Landtag 146 Gesetze und Verordnungen über die Ziellinie gebracht. Ähnlich befremdlich ist das im Netz gestreute Gerücht, ich hätte Neuwahlen versprochen und dieses Versprechen schließlich gebrochen. Richtig ist: nachdem sich Herr Kemmerich mit AfD-Stimmen zum Ministerpräsidenten wählen ließ, versprach er Neuwahlen, ließ diesen Worten aber keine Taten folgen. In der Folge vereinbarten R2G und die CDU einen Stabilitätsmechanismus, der Neuwahlen vorsah, aber von vier CDU-Abgeordneten gebrochen wurde. Als dieser Weg zur Auflösung des Landtages verstellt war, habe ich dafür gesorgt, dass der frühestmögliche Wahltermin – nämlich der 01.09. 2024 – fixiert wird. Und es wurde an diesem Tag gewählt. Soviel zu diesen modernen Märchen und Mythen.
Ich werde jedenfalls meine Arbeit weiterhin korrekt ausführen und meine Pflichten gewissenhaft erfüllen. Darauf habe ich einen Eid geschworen.