Die Sehnsucht nach dem Unbekannten oder Das unbekannte Wesen BSW
Aktuelle Umfragen weisen in Thüringen einen Gleichstand zwischen meiner Partei und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) mit jeweils 16 Prozent aus. Die CDU läge bei 20 Prozent, SPD bei 7 Prozent sowie Bündnis 90/Die Grünen bei 5 Prozent. Die Alternative für Deutschland (AfD) wird mit nur noch 30 Prozent gemessen und rückt damit langsam wieder weg von der Ein-Drittel-Sperrminorität im Parlament, von der Björn Höcke und Stefan Möller erwiesenermaßen träumen, um den Landtag und die als „Altparteien“ diffamierten politischen Mitbewerber erpressbar zu machen.
„Altparteien“ – dieses Wort wirkt umso hohler, bedenkt man, dass es nunmehr mit der sog. „Werteunion“ und dem BSW zwei neue Parteiangebote gibt und die AfD ihrer eigenen Logik folgend nunmehr eigentlich zu den „Altparteien“ gehören müsste.
Beide neuen Parteien sind dabei auf ihre sehr eigene Weise speziell. Die „Werteunion“ beispielsweise kann sich sehr gut vorstellen, mit der AfD zu kooperieren. Dass dabei der Sinn für Realitäten einstweilen gern auf der Strecke bleibt, beweist Hans-Georg Maaßen in schöner Regelmäßigkeit. Er, der sich dem Wähler nicht einmal stellt, beansprucht für sich, Ministerpräsident zu werden, sollte ihn die AfD mitwählen. Dem Souverän im Wahlkampf gegenüberzutreten, überlässt er unterdessen lieber Albert Weiler, einem ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten, der sich Stand heute aber nicht entscheiden kann, ob er lieber Landrat des Saale-Holzland-Kreises oder doch lieber Landtagsabgeordneter werden möchte. Das klingt nicht nur irre. Das ist irre – und wohl auch einer der Gründe, warum die „Werteunion“ in aktuellen Umfragen nicht einmal auftaucht.
Phänomenale Umfragewerte kann indessen das BSW einfahren. Und ein Phänomen ist das BSW auch tatsächlich – und zwar in einem sehr wörtlichen Sinne (- wie auch eine Fata Morgana ein Phänomen ist). Ein auf eine Person zugeschnittenes Wahlbündnis. Keine Partei und keine Bewegung. Schillernd, aber nicht greifbar. Nur ein Beispiel des gestrigen Tages. Ich sehe im Internet erste Großflächen des BSW zur Europawahl. Was ist darauf zu sehen? Die ganze Großfläche zeigt das Gesicht von Sahra Wagenknecht – die allerdings gar nicht für das Europaparlament kandidiert. Was sagt das Wahlplakat? Ich, Ich, Ich. Aber gilt da nicht das alte Lied, welches Sahra früher so herzhaft gesungen hat? „Es rettet uns kein höheres Wesen, kein Gott, kein Kaiser noch Tribun – uns aus dem Elend zu erlösen, müssen wir schon selber tun.“
Wenn also Sahra Wagenknecht persönlich weder für das Europaparlament noch in Thüringen kandidiert, wofür steht dann eigentlich BSW? Es gibt bislang weder ein Landtagswahlprogramm, noch eine Landtagsliste, noch nominierte Direktkandidaten!
Wir sprechen also von 16 Prozent reiner Markenpflege, pure Imagehoffnung, keine belastbaren oder diskutablen Fakten – und viele Medien spielen mit.
Ich lese bei X einen Kommentar, der das BSW dem Umfeld von Putinfans und antiisraelischen Bewegungen zuordnet. Das würde wohl eher zur AfD passen. Beim Bundesparteitag vom BSW waren solche Töne zu hören. Auch wolle man gute und vernünftige Anträge der AfD im Bundestag nicht ablehnen. Letzteres hört man übrigens auch vom Ko-Vorsitzenden des BSW in Thüringen. Aber ist Katja Wolf nicht aus der LINKEN ausgetreten, um gegen Herrn Höcke eine klare Linie zu fahren? Wofür steht denn nun das BSW? Fragen über Fragen.
Mein Eindruck: Man kauft die Katze im Sack mit dem BSW.
Wenn ich es richtig beurteile, dann sind beim Thüringer BSW nicht einmal 100 Menschen als Mitglieder eingetragen. Wenn es stimmt, dass es weitere 1.000 interessierte Personen gibt, wieso kann dann der Thüringer Landesverband nicht endlich für Klarheit sorgen? Wer hat denn das Sagen? Katja Wolf stand immer für Klarheit in Eisenach. Folgt jetzt Unternehmen Chamäleon?
Ich bin ein Freund der Klarheit. Für mich gilt meine Aussage von unserem letzten Parteitag: ich kämpfe gegen keine der demokratischen Parteien. Ich kämpfe gegen die Normalisierung von Faschismus. Ich habe keine Lust mehr, dass Thüringen immer nur über 30 Prozent AfD-Umfragewerte definiert wird und die 70 Prozent der demokratischen Wählerinnen und Wähler rundweg ignoriert werden.
Thüringen steht für Weltoffenheit und Demokratie. Beides braucht Klarheit.